Читать книгу Und ich immer dazwischen - Josef Franz Kaspar - Страница 12
ОглавлениеJanuar 2020
Die Welt war in Aufruhr. Auf den Straßen Teherans hatten sich hunderttausende Menschen versammelt, die amerikanische Flaggen verbrannten und Transparente mit Aufschriften gegen ihren Erzfeind USA trugen. Racherufe hallten durch die Straßenschluchten iranischer Städte.
Im deutschen Fernsehen waren Bilder von Überresten völlig zerstörter Fahrzeuge zu sehen, die sich irgendwo in einer Straße der irakischen Hauptstadt Bagdad befanden. Hier waren der iranische General Ghassem
Soleimani und der irakische Schiitenführer Abu Mahdi al-Muahndis von drei Raketen aus einer US-Drohne getötet worden.
Die Reaktionen auf diesen Angriff waren massiv, besonders im Iran und Irak. Bei den Freitagsgebeten fielen harte Worte gegen Washington wie „Tod den USA“ und „Rache!“
Der amerikanische Präsident Trump rechtfertigte selbstgefällig diesen Angriff als „Akt der Verteidigung“, um den Iran von weiteren Angriffen auf Amerikaner abzuhalten. Wieder einmal über Twitter ließ er vernehmen, dass Soleimani jahrelang Tausende Amerikaner getötet habe und viele weitere hätte umbringen wollen.
Aus aller Welt vernahm man besorgte Stimmen.
Aufrufe zur Besonnenheit und Schritte zur Deeskalation kamen aus der deutschen Regierung.
Der französische Präsident Macron rief zu Zurückhaltung auf, während der russische Präsident Putin den Angriff als völkerrechtswidrig bezeichnete.
Die Gefahr einer Eskalation bis hin zu einem weiteren Nahost-Krieg schien zuzunehmen. Die irakische Regierung in Bagdad forderte alle Ausländer auf, das Land zu verlassen. Deutschland begann mit dem Abzug deutscher Truppen aus dem Irak.
Die US-Regierung allerdings wollte tausende zusätzliche Soldaten in den Nahen Osten entsenden. Unterstützende Worte kamen aus Israel: Die USA hätten das Recht, sich selbst zu verteidigen. Der amerikanische Präsident verdiene Anerkennung dafür, dass er reibungslos, kraftvoll und entschlossen gehandelt habe. Israel stehe an der Seite der USA im Kampf für Frieden, Sicherheit und Selbstverteidigung.
Diese Fernsehnachrichten machten Josef nachdenklich.
Ist es Selbstverteidigung, wenn man in einem fremden Land andere Menschen tötet?
Dieser Frage hing er noch lange nach. Offensichtich waren hier gewisse ethische, moralische und völkerrechtliche Grundsätze neu zu definieren.
Ist das, was jemand in Zukunft machen könnte, schon eine vorwegzunehmende Tat?
Josef hatte schon immer eine kritische Haltung zu politischen Nachrichten. Er hatte sich oft gefragt, ob öffentliche Nachrichten überhaupt objektiv und neutral sein können. Ein einzelner Mensch als Subjekt kann doch nie objektiv und neutral sein. Wenn viele Subjekte mit unterschiedlicher Meinung an einer Aussage arbeiten, kann das Ergebnis zumindest als objektiver bezeichnet werden. Das Ergebnis kann dann nur ein Kompromiss sein, der irgendwo in der Mitte liegt. Aber deshalb ist die Mitte doch auch nicht objektiv. Die Mitte hat den Vorteil, dass sie Spielraum in alle Richtungen bietet, Spielraum von konservativ bis progressiv, von extrem bis moderat, von fundamentalistisch bis tolerant.
„Du musst dir deine eigene Meinung bilden“, war der Tenor in politischen Diskussionen unter gleichgesinnten Freunden. Aber auf welchem Fundament sollen sich unterprivilegierte Menschen aus bildungsfernen Schichten ihre Meinung bilden? Stammtischgespräche sind auch nur im gebildeten Umfeld geeignet, eine fundierte Meinung zu entwickeln.
Josef, du kommst doch auch nur aus einfachen Verhältnissen; geboren in einer Flüchtlingsbaracke nach dem Zweiten Weltkrieg. Wer konnte dir schon fundiertes Wissen vermitteln? Aber vielleicht kompensiert Logik oder Erfahrung das Defizit an Bildung.
Josef setzte schon immer auf seine Logik und Sinn für Gerechtigkeit. Selbstverständlich hat jeder Mensch ein Recht auf Meinung und Meinungsäußerung. Schließlich ist die Meinungsfreiheit ein Menschenrecht, das in demokratischen Verfassungen als Grundrecht garantiert wird.
Natürlich muss es Einschränkungen der Meinungsäußerungsfreiheit geben, z.B. wenn die persönliche Ehre, geheime Informationen, Sittlichkeit und Jugendschutz auf dem Spiel stehen. Gilt das dann auch für die Pressefreiheit? Presse und Medien müssen vor staatlicher Zensur geschützt werden, keine Frage, ebenso die Unabhängigkeit einzelner Journalisten. Aber was ist mit der Verbreitung von Halbwahrheiten oder manipulierten Informationen?
Wie kann man Individuen schützen gegen Diffamierung in digitalen Medien?
Du gehst doch selbst viel zu leichtfertig mit deinen Daten um. Denk doch nur an deine payback-Karte, deine freiwillige Weitergabe deiner E-Mail-Adresse, deine Beteiligung an Rabatt-Aktionen und Werbeaktionen, deine Apps auf dem Smartphone und auf dem Laptop.