Читать книгу Und ich immer dazwischen - Josef Franz Kaspar - Страница 9
ОглавлениеSolidarität
Am 25. Januar 2020 wurde ihm per WhatsApp ein Video zugespielt, das vom Ausbruch einer Epidemie in China handelte. Darauf waren Menschen mit Atemschutzmasken und Schutzkleidung zu sehen, die Kranke oder Verletzte, welche auf der Straße zusammengebrochen sind, bergen. In den TV-Nachrichten erfuhr Seppl dann, dass in der chinesischen Stadt Wuhan ein neuartiges, hochansteckendes, lebensgefährliches Virus ausgebrochen sei, an dem schon viele Menschen durch eine mysteriöse Lungenkrankheit gestorben sind. Er empfand dieses Video aus dem Internet zuerst als Panikmache. Als sich die Seuche aber in relativ kurzer Zeit nach Europa ausbreitete, war ihm nicht mehr zum Lachen zu Mute.
Nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO informiert wurde und der Erreger in den Laboren unter Hochdruck untersucht wurde, fand man heraus, dass es sich um ein neuartiges Corona-Virus handelt, das den Namen 2019-nCoV bzw. Covid-19 erhielt.
Das Virus machte nicht vor Ländergrenzen Halt. Der erste Fall außerhalb Chinas war in Thailand, dann ein Fall in Japan und schließlich USA und Europa. Am 21. Februar waren in China 75000 Menschen infiziert und 2200 dem Virus erlegen. Einen Tag später starb in Italien ein 78 jähriger Mann an der Corona-Infektion und eine Woche später gab es weltweit 80000 Infizierte.
Im März, wurden Schulen, Kindergärten und Ländergrenzen geschlossen oder streng überwacht, Aus- und Einreiseverbote verhängt, Veranstaltungen und Messen abgesagt und schließlich sogar Ausgeh- und Versammlungsverbote verordnet. Unternehmen ordneten Kurzarbeit an oder schickten ihre Mitarbeiter in häusliche Quarantäne. Die Touristikbranche stand kurz vor dem Zusammenbruch, die Aktienmärkte stürzten ins Bodenlose. Italien mit mehr als 4000 Corona-Todesfällen setzte Militär ein, um die infizierten Toten zu Krematorien zu transportieren. „Social-Distance“ wurde zum Schlagwort im Zusammenleben der Menschen, Städte wurden zu Geisterstädten, Homeoffice und Videokonferenzen zu unverzichtbaren Instrumenten der Arbeitswelt.
Am 18. März wandte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer TV-Ansprache an die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Seppl fand ihre Rede gut und verantwortungsvoll.
Der Appell an die Nation, Verantwortung nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Mitmenschen zu tragen, gefiel ihm besonders an ihrer Rede. Solidarität ist ein wesentliches Merkmal in einer Demokratie. Das hatte nichts damit zu tun, dass Seppl selbst schon 72 Jahre alt war und zur Corona-Risikogruppe gehörte. Konnte er deshalb Solidarität von der jüngeren Generation erwarteten? Natürlich konnte er verstehen und auch nachvollziehen, dass die demographische Entwicklung zur Überalterung der deutschen Bevölkerung für die nachfolgende Generation eine finanzielle und volkswirtschaftliche Belastung darstellt. Durch den Lockdown der Corona-Pandemie wird die Touristikbranche zusammenbrechen, heißt es in den Medien. Warum nutzt man die Kreuzfahrtschiffe, die nun in der Pandemie in den Häfen dahindümpeln, nicht für sinnvollere Zwecke, dachte er sich. Man könnte sie zu Quarantäne-Stationen für ältere Risikopatienten machen, statt diese in Pflege- und Altersheimen wegzusperren. Da wären alte Menschen besser vor Infektionen von außen geschützt, und das Leben auf dem Meer wäre bestimmt entspannter als hinter den Heimmauern. Was aber, wenn ökonomische Interessen im Vordergrund stehen und überalterte Schiffe dazu dienen könnten, die demografische Alterspyramide abzubauen? Bei diesem Gedanken wurde ihm mulmig, und er geriet ins Grübeln.
Auch die Tatsache, dass die Sensationslust der TV-Abhängigen damit befriedigt wurde, dass täglich neue Hiobsbotschaften über Virusverbreitung, Corona-Tote und immer schärfer verhängte Maßnahmen verbreitet wurden, während die Menschen in schier unerträglicher sozialer Quarantäne ihren langweiligen Alltag bewältigen mussten, machte ihn ein wenig wütend. In Zeiten verordneter häuslicher Quarantäne wurden die Medien wie Radio, Fernsehen und Internet zum einzigen Kontakt nach draußen. Das entsprach nicht seinem Weltbild. Aber der gesellschaftliche Notstand konnte nur gemeinsam bewältigt werden. Seppl vertraute den deutschen Virologen, Spezialisten und Medizinern, die das Prinzip der Quarantäne zur Vermeidung der Verbreitung des Erregers und Zeitgewinn zur Entwicklung von medizinischen Gegenmaßnahmen unterstützten.
Homeoffice und Videokonferenz hieß ja auch weniger fliegen oder Auto fahren und somit Umweltschutz und Entschleunigung. Einige Zukunftsforscher bezeichneten die Corona-Krise sogar als Chance für die Zukunft, die Kohlendioxid-Belastung unserer Erdatmosphäre zu senken.