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3. Säkularisation, Zentralisierung und Umzug der Landesuniversität

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Der große Umbruch, der die noch mittelalterlichen Strukturen der Universitäten bis ins Mark erschütterte, kam mit den Folgen der Französischen Revolution. Durch den Wegfall des Reiches und die Säkularisation wurde auch die bisherige Privilegierung der Universität ihrer Basis beraubt. Die Hochschulen wurden nun allein auf die Landeshoheit zurückgeführt und Promotionen nur noch regia auctoritate, also aus abgeleitetem Mandat, erteilt.[37] Die territoriale Neuordnung des Reiches brachte Bayern erhebliche Gebietsgewinne und damit auch eine große Zahl an Universitäten, die nebeneinander in einem Staat kaum Bestand haben konnten.[38] Diese Umbrüche griff Graf Maximilian von Montgelas, seit 1799 Minister des Kurfürsten Max IV. Joseph und späteren Königs Maximilian I.,[39] auf und nutzte sie zu einer grundlegenden Umgestaltung des bayerischen Universitätswesens, noch bevor in Berlin 1810 mit Humboldt eine neue Epoche deutscher Universitätsgeschichte begann. Überhaupt beschritt Bayern in den folgenden Jahrzehnten einen Sonderweg,[40] der mit Berlin aber den „Elan und die Rivalität im Rückgriff auf das Göttinger Vorbild“[41] teilte.

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Die Reformen Montgelas‘ und des für die Schulreform zuständigen Georg Friedrich Freiherr von Zentner waren von den Gedanken der Zentralisierung und der stärkeren staatlichen Kontrolle über die Hochschulen geprägt. Dazu wurde die Abkehr von der Vergangenheit inszeniert, die alten Universitätssiegel gebrochen und mit den Organisationsedikten für Würzburg (1803) und Landshut (1804) auch die Auflösung der Fakultätsverfassung verfügt. Weitere Maßnahmen waren die Straffung des Lehrbetriebs, die Abschaffung der akademischen Gerichtsbarkeit und der „Schutzverwandten“, Personen die bis dato dem universitären Rechtsbereich zugeordnet worden waren, außerdem die Aufhebung des Kanzleramts. Die Rektoren wurden fortan von der Verwaltung bestimmt, die Professoren wurden Staatsdiener. An die Stelle der alten Fakultäten traten eine in Sektionen gegliederte Allgemeine und eine Spezielle Klasse.[42] Zudem ergab sich eine Professionalisierung des Universitätsstudiums aus der Tatsache, dass 1809 das Abitur zur einzigen Zugangsberechtigung für die Universitäten erklärt wurde. Als entscheidend für die universitäre Selbstverwaltung erwies sich die Reform der Vermögensverwaltung.[43] Sie wurde durch Montgelas den Universitäten zunächst entzogen und zentralisiert. Da sich dieser Weg jedoch als wenig vorteilhaft erwies, beschritt man ab 1815 einen Mittelweg zwischen staatlicher Zentralisierung und Hochschulautonomie: Die Vermögensverwaltung oblag fortan einem Verwaltungsausschuss aus vier Professoren. Gleichzeitig mit der organisatorischen Gängelung wurde eine Lockerung der Zensurbestimmungen angestrebt. Das Zensur-Edikt Zentners (1803) bildete dazu den entscheidenden Schritt, auf den § 7 (Erster Titel) der Bayerischen Verfassung von 1808 verwies. Diese Entwicklung beförderte auch die wissenschaftliche Publizistik an den Universitäten, die sich sogleich mit dem Umzug der Landesuniversität beschäftigte.

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Zugleich erkannte Montgelas, dass nur eine Konzentration auf wenige Universitäten dem Königreich erlauben würde, eine erfolgreiche Bildungspolitik zu betreiben. Erklärtes Ziel war es, nur zwei Landesuniversitäten zu erhalten, darunter die traditionsreiche Alma Mater in Landshut. Würzburg ging 1806 verloren, so dass Erlangen 1810 die Rolle der zweiten Universität für sich gewann. Im Gegensatz zu Preußen wurde in Bayern ausführlich der Gedanke einer Spezialschulen-Organisation diskutiert, der eine Auflösung des klassischen Modells der universitas litterarum bedeutet hätte und im Rheinbund-Staat Bayern direkt vom französischen Vorbild übernommen worden war.[44] Die heftig umstrittenen Spezialschulpläne wurden jedoch letztlich ebenso wenig Wirklichkeit wie die Vorstellungen von einer Zentraluniversität des Königreiches. Ein Schritt wurde allerdings mit der Reform der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gemacht, welche 1807 in eine „Centralanstalt“, also eine staatliche Forschungsinstitution, des bayerischen Königreiches umgewandelt wurde.

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In einer besonderen Lage befand sich die Landesuniversität in Ingolstadt. Aus Kriegsgründen wurde diese 1799 nach Landshut verlagert,[45] ein Umzug, der allerdings erst 1804 wirklich abgeschlossen war. Die Universität hieß nun Ludovico Maximilanea und war durch Statuten von 1799 noch einmal reformiert worden.[46] Mit der Gründung eines Kameralinstitutes wurde der Grundstein für die spätere Staatswirtschaftliche Fakultät gelegt. Die altbayerische Landesuniversität hatte stets die Rolle des gesamtbayerischen Modells inne. Hier musste sich nach dem Verlust Würzburgs die Organisationsreform von 1804 bewähren und hier entschied sich die Richtung der bayerischen Hochschulpolitik.[47]

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Die Würzburger Universität[48] stand zwar zunächst nur 1802 bis 1806 unter bayerischer Herrschaft, wurde aber unter dem Kurator Friedrich Karl Graf von Thürheim durch die Organisationsakte von 1803 im Sinne Montgelas‘ zentralstaatlich umgeformt. Dies schloss die Aufhebung der Fakultäten und der akademischen Gerichtsbarkeit sowie die Einführung einer paritätischen Theologie ein. Gleichzeitig wurde der umfangreiche Austausch des Ordinarienkollegiums in Angriff genommen, um der Universität eine hervorgehobene Reputation zu sichern. Die organisatorischen Reformen wurden allerdings durch die Organisationsakte von 1809 zu weiten Teilen wieder zurückgenommen.

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Die Universität Erlangen[49] war zwischen 1791 und 1806 durch die Abdankung des Markgrafen Alexander vorübergehend Teil Preußens geworden und hatte unter der Ägide Karl August von Hardenbergs, der auch Kurator der Universität wurde, ihr Ansehen nicht zuletzt durch die neue Berufungspolitik[50] steigern können. Bereits geschwächt durch das französische Intermezzo von 1806 bis 1810 wurde die Alma Mater allerdings nach der territorialen Eingliederung nach Bayern 1810 zunächst von ernsten Existenzsorgen geplagt. Die Bedeutung Erlangens als einziger protestantischer Landesuniversität verhalf ihr letztlich zur Fortexistenz. König Ludwig I. nahm schließlich 1842 den Titel des Rector magnificentissimus an und bekannte sich damit ausdrücklich zu Erlangen.

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Ein kurzes Zwischenspiel im bayerischen Raum hatte die 1808 gegründete Karls-Universität Aschaffenburg.[51] Diese war ursprünglich aus der provisorischen Ausgliederung der Universität Mainz nach dem Reichsdeputationshauptschluss entstanden, wurde jedoch bereits 1814 erneut zum Lyceum zurückgestuft.

1. Kapitel GrundlagenI. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen › 4. Die Universität zwischen Revolution und Vormärz

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