Читать книгу Bergbaukonflikte in Cajamarca, Peru, und gesellschaftlichpolitische Entwicklung - Josef Lustenberger - Страница 47
5.4.2 Stadt Cajamarca
ОглавлениеMinera Yanacocha und später auch andere internationale Bergbaukonzerne haben die Stadt Cajamarca stark verändert. Durch die Präsenz von Minera Yanacocha ist die Stadt Cajamarca bereits gewachsen.156 Das Wachstum dürfte sich in Zukunft fortsetzen, mindestens fünf zusätzliche Unternehmen beabsichtigen in der Nähe der Stadt ihre Operationen zu beginnen. Die Angestellten werden in der Stadt leben. Es wird nicht nur der Siedlungsraum zunehmen, sondern auch das Bedürfnis nach staatlichen Dienstleistungen.
Die Bevölkerung der Stadt Cajamarca ist stark gewachsen. Um 1950 lebten ca. 43’000 Einwohnerinnen und Einwohner in der Stadt, anfangs der 1990er Jahren 63′000 Einwohnerinnen und Einwohner.157 Die Stadt hat heute geschätzt über 200′000 Einwohnerinnen und Einwohner, im Vergleich mit anderen Städten der Region mit gleicher Ausgangslage vor der Ankunft von Minera Yanacocha hätte Cajamarca heute nur etwa 110 bis 120′000 Einwohnerinnen und Einwohner.158 Von den rund 200‘000 Einwohnerinnen und Einwohnern sind ca. 70′000 ökonomisch aktiv.159
Cajamarca ist in den letzten Jahren chaotisch und ungeplant gewachsen.160 Die Bevölkerung hat stark zugenommen. Wo im Tal von Cajamarca in den 1990er Jahren noch Landwirtschaft betrieben wurde, da stehen heute Siedlungen. Die Bevölkerungszunahme ist verbunden mit einem Wirtschaftswachstum, das ausschliesslich vom Bergbau angetrieben wird.
Das grosse Bevölkerungswachstum von Cajamarca ist weitgehend auf Migration vom Land in die Stadt zurückzuführen.161 Die ländliche Bevölkerung der Region Cajamarca zieht in die regionale Hauptstadt. „Ein grosser Anteil der Bevölkerung, der in der Peripherie der Stadt Cajamarca lebt, besteht aus Leuten, die vom Land kommen.“162
Ein kleiner Teil dieser Migration vom Land in die Stadt ist direkt auf Minera Yanacocha zurückzuführen. Wer als Campesino durch Anstellung bei Minera Yanacocha oder durch Aufträge als Contratista für das Bergbauunternehmen reich geworden ist, erwirbt häufig ein Haus in der Stadt Cajamarca und migriert in die Stadt.163 Wer aber diese Möglichkeit nicht hatte, betreibt weiter Subsistenzwirtschaft.
Die regionale Verwaltung hat es nicht geschafft, das starke Wachstum der Stadt Cajamarca geordnet zu gestalten oder einzuschränken. Es gab zu Beginn des Jahrhunderts die Politik, das Tal als ökologischen Gürtel (cinturón ecológico) nicht zu bebauen.164 Stattdessen sollte verdichteter, d.h. vor allem höhere Gebäude, gebaut werden. Ausdehnen sollte sich die Stadt ausschliesslich in die angrenzenden Berghänge. Dieses Konzept konnte nicht durchgesetzt werden, die Berghänge wurden nicht bebaut, die Häuser blieben in der Regel zweistöckig wie früher. Das Tal ist heute weitgehend eine ungeordnete Siedlung.
„Cajamarca ist gewachsen, aber sie [die Stadt] hat sich nicht entwickelt.“165 Es hat keine Stadtentwicklung stattgefunden, nur eben Wachstum. Es wurden einige öffentliche Gebäude erstellt, ein repräsentatives Regierungsgebäude zum Beispiel. Doch keiner der baufälligen Märkte wurde zweckmässig erneuert. Investitionen wurden nicht nachhaltig getätigt, weshalb sie das Wirtschaftsleben nicht stimulieren. Das bringt eine Reihe von negativen Auswirkungen mit sich: starker und teilweise chaotischer Strassenverkehr, Luftverschmutzung, hohe Lebenshaltungskosten, Probleme mit der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung, Prostitution, Kriminalität.166
Der Verkehr und damit der Lärm in Cajamarca nahmen mit der Präsenz von Minera Yanacocha und dem starken Bevölkerungswachstum extrem zu.167 Cajamarca ist heute eine chaotische Stadt. Eine sorgfältige Stadtplanung fehlt.168 Das ist offensichtlich beim Strassenverkehr. Drei Strassen im Zentrum sind permanent überlastet. Der Privatverkehr staut sich mehrmals täglich. Praktisch alle anderen Strassen der Stadt sind ruhig.
In Cajamarca sind die Kosten für Lebensmittel und Wohnen sehr stark gestiegen.169 Cajamarca war vor der Installation von Minera Yanacocha eine selbst für peruanische Verhältnisse billige Stadt. Heute ist alles sehr teuer.170 Die Grundstückspreise innerhalb der Stadt Cajamarca sind stark gestiegen. Für Land, das innerhalb der urbanen Zone verkauft wird, bezahlt man bis zu 200 USD pro Quadratmeter.171
Schliesslich stören sich viele Cajamarquinas und Cajamarquinos daran, dass die Stadt unsicherer geworden ist. Das grosse wirtschaftliche Wachstum ist einhergegangen mit einer Zunahme der Kriminalität.172 Vor der Installation von Minera Yanacocha gab es kaum Kriminalität in Cajamarca, heute ist die Stadt gefährlich: Autodiebstahl, Mord, Banküberfälle.
Das gesellschaftliche Leben im öffentlichen Raum hat sich verändert. Merkmale einer peruanischen Grossstadt zeigen sich: „In der Nacht sehen wir die Nachtclubs voll, die Leute betrunken, mehr Unfälle, mehr Verschmutzung der Stadt, mehr Verkehrsstau, Saufgelage im Zentrum etc.“173
Ältere Cajamarquinas und Cajamarquinos stören sich daran, dass die Stadt nicht mehr wie früher beschaulich, übersichtlich und sicher ist. Cajamarca war noch anfangs der 1990er Jahre eine ruhige Stadt.174 Es fuhren wenige Autos herum, es gab keine Drogenabhängige, kaum Kriminalität, keine Prostitution, keine Vergnügungszentren – fast alle kannten einander. Mit der Präsenz von Minera Yanacocha sind viele Elemente des traditionellen gesellschaftlichen Gefüges verschwunden. „Und das hat das normale Leben des Cajamarquinos komplett durcheinandergebracht.“175
Minera Yanacocha wird heute in der Stadt Cajamarca akzeptiert. Die urbane lokale Bevölkerung von Cajamarca und die Angestellten von Minera Yanacocha haben sich daran gewöhnt zusammen zu leben und begegnen sich mit gegenseitigem Respekt.176 Beide Seiten tolerieren die Lebensweise der anderen. „Sie haben erreicht, unter einem Dach zu leben.“177 Die Alternative zur Niederlassung der Angestellten von Minera Yanacocha in der bestehenden Stadt Cajamarca hätte darin bestanden, eine Satellitenstadt in der Nähe der Minen zu errichten.