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Anliegen der Eltern

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Die Eltern kommen in der Regel zu mir, weil das Kind in Kindergarten oder Schule solche Probleme hat, dass Eltern und das pädagogische Fachpersonal an ihre Grenzen stoßen. Sie sind besorgt, weil sie spüren, dass ihr Kind überfordert ist und unter der Situation leidet. Sie kommen aber auch, weil sie selbst mit diesen Problemen überlastet sind und nicht mehr wissen, wie sie mit dem Kind umgehen sollen. Sie verstehen das Verhalten des Kindes oftmals nicht und erhoffen sich Unterstützung. Ihre Vorstellung, wie sich das Problem auflösen könnte, ist häufig: Das Kind muss lernen, sich anders zu verhalten.

Von den Institutionen wie Kindergarten oder Schule erwarten sie, dass diese mit den Besonderheiten ihres Kindes besser umgehen können. Dagegen gehen die Institutionen oft davon aus, dass das Kind »nur« falsch erzogen ist, und erwarten, dass Eltern konsequentere Erziehungsarbeit leisten. Dort vertritt man die Ansicht, dass sich das Kind/der Jugendliche in die »Norm« einzufügen hat und sich mit Spaß und Freude an den Gruppenaktivitäten beteiligt oder sich zumindest ruhig und angepasst verhält. Bei Kindern aus dem Autismus-Spektrum wird schnell klar, dass das Kind diese Erwartung nicht erfüllt. Das Kind sondert sich ab, spielt im besten Fall für sich alleine oder zeigt vielleicht aggressives Verhalten gegenüber Gleichaltrigen oder sogar gegenüber den Erwachsenen. Das Kind »stört« also den gewünschten Tagesablauf, und dieser »Fehler« müsse behoben werden. In der Folge erleben die Eltern häufig ein Gefühl von Ohnmacht gegenüber den Institutionen.

Diese Vorstellungen und Erwartungen helfen nur leider in der Regel nicht weiter, um Probleme, mit denen ein autistisches Kind konfrontiert ist, zu lösen. Also gilt es, schon bei der Auftragsklärung mit den Eltern zu besprechen, welche Anliegen sie an die Unterstützung haben.

Anliegen der Familie können sein:

•Informationen über die Diagnose Autismus

•Analyse des individuellen Unterstützungsbedarfs

•autismusspezifisches, alltagsorientiertes Elterncoaching

•Unterstützung in Erziehungsfragen

•Stärkung von Handlungskompetenzen in Konflikt- und Krisensituationen

•Begleitung bei der Auswahl und Installation geeigneter Hilfen

•Teilhabemöglichkeiten für die ganze Familie

Manche Eltern sind über meine Fragen nach Ressourcen und Fähigkeiten ihres Sohns/ihrer Tochter verwundert, aber meistens können alle Eltern auch von Dingen berichten, die richtig gut gelaufen sind. Eine hilfreiche Orientierung bei der Suche nach weiteren Fragen und Lösungen sind für mich die drei Leitsätze, die Insoo Kim Berg und Steve de Shazer in ihrem Konzept der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie entwickelt haben:

1) Repariere nicht, was nicht kaputt ist!

2) Wenn etwas funktioniert, mache mehr davon!

3) Wenn etwas nicht funktioniert, wiederhole es nicht. Mach etwas anderes!

Besonders die Fragen nach dem, was schon funktioniert, oder besser, wann etwas funktioniert hat, sind hilfreich, um zu erforschen, mit welchen Problemen das Kind und seine Eltern zu kämpfen haben. Immer wieder suche ich daher in Beratungen mit Eltern nach Ansätzen, wo etwas schon gut geklappt hat. Das gleicht manchmal einer Detektivarbeit. Geeignet sind Fragen wie:

•Was läuft vielleicht trotz aller Probleme gut?

•Wann war es gut?

•Was war davor?

•Wie sah es dort aus?

•Wie war die Geräuschkulisse?

•Wer war dort?

Die Fragen scheinen manchmal banal, können jedoch Aufschluss darüber geben, wo das eigentliche Problem liegt. So rief mich eine Lehrerin nach den Herbstferien verzweifelt an und berichtete, dass mein Therapiemädchen plötzlich ständig den Unterricht stören würde. Gemeinsam fanden wir im Gespräch heraus, dass das Mädchen wohl durch den Ton der Neonbeleuchtung, die nach den Herbstferien morgens eingeschaltet werden musste, deutlich abgelenkt war. Da das Mädchen eine Schulbegleitung hatte, wurde verabredet, dass die beiden bei Bedarf das Klassenzimmer verlassen können.

Anders ist eine Variation von richtig

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