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2Unterstützung im Autismus-Spektrum

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In den letzten Jahren häufte sich die Anzahl von Autismus-Diagnosen. Es wurde nach ADHS als die nächste Modediagnose gesehen. Steve Silberman schreibt in seinem Buch Die geniale Störung jedoch dazu:

»Diese zunehmende Zahl von Autismus-Diagnosen wurde zunächst als Zusammenspiel von genetischer Veranlagung und Risikofaktoren, die sich irgendwo in unserer toxischen modernen Welt verbergen: Luftverschmutzung, maßlosen Videospielen, denaturierte Lebensmittel.

Unsere DNA erzählt eine andere Geschichte. In der letzten Zeit gelangten Forscher zu der Feststellung, dass die meisten Fälle von Autismus keineswegs auf seltene De-novo-Mutationen, also spontane genetische Veränderungen, die erstmalig bei einem Familienglied auftreten und nicht ererbt sind, sondern im Gegenteil auf uralte Gene zurückgehen, die in der Bevölkerung weit verbreitet sind und in manchen Familien lediglich konzentrierter auftreten als in anderen. Was immer Autismus ist – er ist kein singuläres Produkt der modernen Zivilisation, sondern ein eigenartiges Erbe aus ferner Vergangenheit, das durch Millionen Jahre der Evolution weitergegeben wurde.«

Es gab Autismus also schon immer, nur der Umgang mit den betroffenen Menschen hat sich mit der Zeit gewandelt. Je nach Beeinträchtigung wurden sie vielleicht in Heime abgeschoben, waren in ihren Familien als »Eigenbrötler« akzeptiert oder konnten sich bestenfalls auf Berufe spezialisieren, die ihren Fähigkeiten entsprachen. Schon immer gab es eine Bandbreite von Erscheinungsformen des Autismus und davon, wie das Umfeld damit umgegangen ist.

Heute gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten für Menschen aus dem Autismus-Spektrum, um kognitive und sprachliche Fertigkeiten zu entwickeln, die soziale Interaktion und Kommunikation zu trainieren und den Betroffenen somit ein Leben im sozialen Umfeld zu erleichtern. Die bisher etablierten und von der Wissenschaft als effektiv angesehenen Therapieverfahren basieren alle auf verhaltenstherapeutischen und übenden Ansätzen. Zusätzlich kann eine Vermittlung von wissenschaftlich fundiertem Wissen über Autismus den Betroffenen sowie deren Umfeld wie Eltern, Verwandte, Erzieher und Lehrer helfen, das Verständnis von Autismus und den Umgang damit zu verbessern.

In der Regel liegt in der Unterstützung der Betroffenen der Schwerpunkt bislang auf dem Erlernen von Fähigkeiten, die sie noch nicht beherrschen. Die dabei angewendeten Lehrkonzepte können den Menschen mit Autismus unter Umständen schwerfallen und in der Folge Stress auslösen. Je gestresster autistische Menschen sind, desto mehr neigen sie zu unerwarteten Verhaltensweisen. Übrigens ist es bei Menschen ohne Autismus sehr ähnlich: Je gestresster diese Personen sind, desto »verhaltens-origineller« werden sie.

Ein weiteres Phänomen wurde durch eine Studie der Autismus-Forschungs-Kooperation (AFK) deutlich – diese zeigt, dass Personen aus dem Autismus-Spektrum trotz größeren Hilfebedarfs und häufigerer Gedanken an eine ambulante Psychotherapie signifikant weniger Therapien gemacht haben. Laut dieser Studie lehnen Psychotherapeuten sie häufig mit der Begründung ab, sich mit der Diagnose nicht auszukennen. Personen aus dem Autismus-Spektrum haben also oft das Gefühl, dass eine ambulante Psychotherapie für sie schwierig zu bekommen ist. Die meisten Teilnehmer der Studie (85 %) empfanden die Kontaktaufnahme zu einem Psychotherapeuten erschwert (AFK 2015).

Das spricht deutlich für die Notwendigkeit des Wandels zu einer neuen Form der Psychotherapie, die Menschen aus dem Spektrum darin unterstützt, Stress abzubauen und ihre Stärken auszubauen. An dieser Stelle ist PEP für mich als Therapeutin eine wichtige Erweiterung der bisherigen psychotherapeutischen Ansätze. Zusätzlich wäre eine bessere Wissensvermittlung von autismusbedingten Stärken und Schwächen in den psychotherapeutischen Ausbildungen wünschenswert.

Diese Notwendigkeit des Wandels wird zunehmend auch von Fachleuten formuliert. So fordert Georg Theunissen (2014) in seinem Vortrag »Das Autismus-Verständnis im Wandel – von der Tradition zur Innovation« folgende Konsequenzen für die Begleitung von Menschen aus dem Autismus-Spektrum:

•Prävention in Bezug auf Stress oder Situationen, die womöglich Stress erzeugen

•Methoden zur Bewältigung von Stress und Würdigung

•Nutzung von Stärken und Spezialinteressen

Ausführlich hat er seine Standpunkte in dem Buch Menschen im Autismus-Spektrum: Verstehen, Annehmen, Unterstützen beschrieben.

Georg Theunissen folgend ist Prävention in Bezug auf Stress oder Situationen, die Stress erzeugen, ein wichtiger Punkt, der in der Autismus-Therapie zu beachten ist.

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