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Kapitel 13
ОглавлениеGolfclub, Arbeitercontainer
11. Oktober 2014, 7:00 Uhr
Ohne ein Frühstück wurden die Gefangenen am Morgen zurück zu den Baustellen gebracht. In ihren verschwitzten Blaumännern widmeten sie sich ihrer Arbeit. Die kalte Morgenluft wirkte erfrischend auf die Bauarbeiter. Nach kurzer Zeit kamen sie tüchtig ins Schwitzen.
Ivys Gedanken kreisten um ihren verletzten Ehemann. Immer wieder warf sie Jerome verzweifelte Blicke zu, doch der Franzose wandte sich stur seiner Beschäftigung zu.
Entschlossen legte sie nach einer Stunde die Spitzhacke auf dem Boden und stapfte auf die Wachleute zu, die sie erwartungsvoll ansahen.
»Ich will meinen Mann sehen. Er ist auf der Krankenstation«, forderte sie mit verbissener Miene.
Die beiden Wachen, darunter Miller, warfen sich belächelnde Blicke zu.
»Hör zu, Mädchen. Deine Arbeitskraft wird hier auf dem Feld gebraucht. Und der Richter hat die Anweisung gegeben, dass die Gefangenen ihre Arbeit nicht verlassen dürfen«, erwiderte Miller und zündete sich eine Zigarette an.
Ivy grübelte einen Moment und erinnerte sich an Railey. »Dann sagt mir wenigstens, was gestern passiert ist.«
Seufzend erhob sich der Hauptmann, zog seinen Glimmstängel heiß und schnipste ihn vor Jeromes Füße, der verdutzt aufblickte. »Dein Mann hat sich den Rücken aufgeschlitzt. Hat geblutet wie Sau. Vielleicht wird er es überleben … vielleicht auch nicht …«
Besorgt schaute sie zu Jerome, der misstrauisch den Wachmann ansah.
»Ran an die Arbeit. Die Maurer brauchen Steine«, raunte Miller mit bedrohlichem Unterton und Ivy wandte sich zögernd dem Feld zu.
Grübelnd schmiss sie einen Stein nach den nächsten in den Eimer. Ich muss etwas tun. Uns bleibt gar nichts anderes übrig. Wir müssen hier raus und Railey und Sebastian und Melanie holen. Es ist unabdingbar, sie zurück nach Poughkeepsie zu bringen, zu Rupert. Er wird ihnen helfen.
Sie schwang die Spitzhacke, rammte sie in den Boden und hörte ein metallisches Klirren. Argwöhnisch grub sie mit der bloßen Hand im Dreck und fand zu ihrem Erstaunen eine alte verrostete Klinge. Aufmerksam sah sie sich nach den Wachen um, die faul auf ihren Campingstühlen am Rand saßen. Doch sie bemerkten nichts. Ivy buddelte die Schneide aus und steckte sie seitlich in ihren Schuh hinein. Sie ließ sich in keiner Weise etwas anmerken und verfolgte ihre Arbeit weiter. Als der Eimer gefüllt war, brachte sie ihn zum Hänger und leerte ihn.
»Hey! Ich müsste mal pinkeln!«, rief sie den Wachen zu.
Genervt schaute Miller den anderen Aufseher an. »Geh ins Gebüsch und beeile dich!«
Mit holprigen Schritten verschwand sie im Dickicht und hockte sich nieder. Vorsichtig nahm sie die Klinge aus dem Strumpf. Ihre Haut war durch das Material aufgekratzt. Sie vergrub das Messer unter den Blättern eines Busches und blickte sich aufmerksam um.
*
Als sie ihren Container am Abend betraten, stand schon ein kleiner Topf und Schüsseln auf dem Tisch. Ihre Körper ächzten bei jeder kleinsten Bewegung. Ihre geschundenen Hände waren kaum in der Lage, die Schalen zu fassen. Selbst das Halten der Löffel war nur in geringem Maße möglich.
Innehaltend betrachtete Klaas seine aufgeplatzten Finger und Innenflächen, die schmerzhaft brannten. Das rohe Fleisch glühte ihm entgegen. Vorsichtig säuberte er seine Wunden.
»Jamie war heute auf der Baustelle. Er hat erzählt, dass Übermorgen ein Gottesdienst ist. Alle Bewohner und Arbeiter müssen dort hin, um ihre Sünden zu gestehen. Das könnte unsere Chance sein«, erzählte Elmar erschöpft. Angewidert füllte er die Schüssel mit dem bräunlichen Schleim. Essen. Trotz des scheußlichen Geschmacks hörte er seinen ausgehungerten Magen aufjubeln, als die Pampe sein Ziel erreichte.
»Ohne Sebastian, Railey und Melanie gehe ich nicht weg«, erwiderte Ivy bestimmend und sah die Jungs mit entschlossenen Augen an.
»Wir doch auch nicht«, wandte Klaas ein. »Dennoch brauchen wir einen Plan, wie wir hier wegkommen.«
»Wir könnten die Kapelle verschließen, wenn sie alle drin sind. Dann holen wir die drei und verpissen uns. Jamie würde uns unterstützen. Der kennt sich aus«, schlug Jerome vor, während er den Haferschleim in sich hinein schlang.
»Das klingt nicht schlecht, aber wie kommen wir hier raus?«, fragte Klaas wissbegierig. Vorsichtig tupfte er konzentriert die Salbe auf die offenen Stellen seiner Hände.
»Jamie besorgt uns ein Auto. Wir müssen ihn nur vorher Bescheid sagen, dass wir etwas planen«, erklärte Elmar.
»Wo haben sie Melanie hingebracht? In den Holzkasten?«, hakte Jerome nach und setzte sich auf sein Bett. Elmar nickte ihm zu. »Die anderen Arbeiter könnten uns den Schlüssel besorgen, oder?«
»Wir müssen den Leuten beweisen, dass die Infizierten keine Sünder sind, sondern dass alles durch eine Seuche entstanden ist«, grübelte Ivy vor sich her.
Argwöhnisch sahen Jerome, Elmar und Klaas sie an.
»Und wie? Das sind manipulierte Menschen. Die glauben dem Richter alles, nur nicht uns«, meinte Jerome missmutig.
Schwunghaft warf Ivy ihnen die rostige Klinge auf den Tisch und wandte sich kritisch blickend dem Fenster zu. »Wir bringen sie um.« Sie spürte die verwunderten Blicke. »Ich habe sie in der Erde gefunden und unterm Busch versteckt. Bei meiner letzten Pinkelpause habe ich sie eingesteckt.«
Unglaubwürdig runzelten die Jungs die Stirn.
»Du verarschst uns doch!«, stutzte Elmar bedenklich und nahm begutachtend die Schneide in die Hand.
»Jeder trägt den Virus in sich. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als es ihnen zu beweisen. Sonst kommen wir hier nicht weg.« Ivys Blick war entschlossen.
Grübelnd sah Klaas sie an. »Also sollen wir sie umbringen und drauf warten, dass sie sich verwandeln?«, raunte er zusammenfassend. »Es werden dann auch andere sterben.«
Ivy schüttelte den Kopf. »Es wird nur einer sterben, um es zu beweisen.«
Jerome lachte auf. »Der Richter? Haha … Das will ich sehen, wie du den Riesen zur Strecke bringst!«
»Nein, einer der Wachen. Aber der Richter muss es sehen. Nur wenn er es sieht, werden uns auch die anderen glauben.«
Ihre entschlossenen Augen wirkte beängstigend auf sie.
»Ich kenne diesen Blick. Damals, als du Richard erschossen hast … So kenne ich dich gar nicht«, meinte Klaas merklich beunruhigt.
Ivy schaute jeden einzelnen an. »Ich würde für euch töten, nur damit ihr in Sicherheit seid. Ihr seid meine Familie. Hier geht es um Railey, Melanie und vor allem Sebastian. Erledigen wir einen der Wachen, haben wir dessen Waffe und könnten uns Zugang verschaffen. Wir müssen es nur durchziehen.«
»Also willst du sie alle abknallen?!«, fragte Klaas vorsichtig.
Ivy nickte entschlossen. »Wenn es sein muss.«
Tief beeindruckt sahen die Jungs sie an.
»Du meinst also, dass wir warten, bis alle beim Gottesdienst sind. Wir überwältigen die Wachen und nehmen den Richter gefangen. Dann bringen wir einen der Wachleute um und nachdem dieser sich verwandelt hat, verpissen wir uns … Richtig?«, vergewisserte sich Jerome mit verunsicherter Mimik.
Ivy nickte ihm zu und schaute zum Fenster raus. Die Wachen patrouillierten über den Platz, schwer bewaffnet und zu allem entschlossen. Sie beobachtete den Richter, der auf dem Weg zum Gefängnistrakt war. Sie spürte eine innere Wut in sich aufkeimen. »Legen wir uns schlafen. Übermorgen haben wir viel vor.« Zielbewusst sah sie jeden an, bevor sie sich auf die quietschende Matratze legte und gedanklich bei Sebastian war.
»Plan B wäre dann Jamie. Ich werde morgen mit ihm sprechen«, seufzte Elmar und streckte seinen geschundenen Körper auf der durchgelegenen Matte aus.
***