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Kapitel 14
ОглавлениеGolfclub, Arbeitercontainer
13.Oktober 2014, 19:30 Uhr
Angespannt beobachteten sie das Arrangement für den Gottesdienst. Männer trugen die Bänke in die Kapelle. Frauen und Kinder brachten Strohblumen in das Gotteshaus. Der Richter stolzierte vor der Tür herum und begrüßte freundlich die hereinströmenden Mitglieder der Bruderschaft.
»Sie gehen in die Kapelle. Wie sieht's mit uns aus?«, fragte Klaas nervös. Er rieb sich seine Hände erneut mit der Salbe ein, die ihm Nigel aus der Krankenstation geholt hatte. Sie linderte seine Schmerzen und versorgte die aufgeplatzten Stellen.
Ivy legte die anderen Klingen, die sie auf dem Acker gefunden hatte, auf den Tisch und nickte ihm zu.
»Wow, und die hast du alle im Dreck gefunden?«, hakte Jerome unglaubwürdig nach.
Ivy schüttelte den Kopf. »Im Dickicht gab es auch noch welche. Scheinbar sind wir nicht die Ersten, die ausbrechen wollten.«
»Ich habʼ auch was zu bieten«, verkündete Elmar. Erwartungsfroh legte er einen Dietrich hinzu.
»Wo hast du den denn her?«, wunderte sich Klaas.
»Jamie hat ihn mir zugesteckt. Er ist an den Schlüssel nicht rangekommen, aber den Dietrich hatte er im Schuppen gefunden.« Zufrieden zeigte der sanfte Riese auf das kleine Werkzeug. »Damit können wir uns raus schleichen.«
»Und wie sieht es mit dem Fahrzeug aus?«, hakte Ivy nach.
»Hinter der Sonnenblende eines grauen Trucks ist der Schlüssel versteckt«, erwiderte Klaas.
»Dann mach dich dran, die Tür zu öffnen«, forderte der Franzose aufgeregt.
Unbeirrt kniete sich Elmar nieder und führte das Werkzeug in das Türschloss ein.
Ivy beobachtete die Wachleute vor der Kapelle.
Nach kurzer Zeit klickte das Schloss und Elmar sah mit staunenden Augen auf. »Sie ist offen!« Er schaltete den mechanischen Türschnapper nach oben und Ivy lugte durch den Spalt nach draußen. Niemand war zu sehen.
Mit Bestimmtheit griff sie nach einer großen rostigen Klinge und wandte sich an Elmar, Klaas und Jerome. »Wir dürfen nicht zögern. Denkt an die anderen.«
Innerlich hin- und hergerissen nickten sie ihr schließlich zu.
Klaas löschte das Licht und als sie die Tür langsam öffneten, schaute die Gruppe in die verblüfften Visagen zweier Wachmänner.
»Was ist denn hier los?!«, stutzte einer von ihnen.
Ivy stürzte sich auf den ersten Aufseher und stieß ihm, ohne zu zögern, die Klinge in den Hals. Warmes Blut spritzte ihr entgegen und besudelte ihr Gesicht. Röchelnd lag der Wachmann auf dem Boden, während Ivy ihm immer tiefer das rostige Metall in den Hals rammte.
Als er regungslos auf dem Dreck lag, stach Ivy ihm die Klinge in den Schädel. Angewidert wischte sie mit dem Ärmel über ihr blutverschmiertes Gesicht.
Gleichzeitig überwältigte Elmar auf den anderen Aufseher, der geschockt auf seinen Kollegen sah. Beherzt riss er ihn zu Boden. Elmar drückte dem Mann die Hand auf dem Mund und hatte wahrlich zu tun, dessen fuchtelnden Armen auszuweichen. Mit einem Schlag rammte Ivy dem Wachmann die rostige Klinge in den Schädel und seine abwehrenden Bewegungen erschlafften. Erschüttert blickte Elmar auf sie, die ihm couragiert zu nickte.
»Versteckt die Leichen im Gebüsch!«, befahl Ivy flüsternd.
»Hast du den anderen erlöst, bevor er sich verwandeln konnte?«, fragte Klaas unter Schock stehend nach.
Ivy nickte ihm zu.
Jerome und Elmar nahmen den Leichen die Waffen ab und versteckten die Toten im Gebüsch.
Ivy hielt das Jagdmesser in der Hand und sah angespannt zur Kapelle. Elmar und Jerome griffen die Kalaschnikows, während Klaas eine Pistole an sich nahm.
»Die Magazine sind voll«, sagte Elmar.
»Ihr kümmert euch um die Wachen, ich hole Melanie«, entschied Ivy, holte den Dietrich aus dem Container und ließ ihn in ihre Hosentasche gleiten. »Mit dem Laster durchbrechen wir das Tor und fahren zurück nach Poughkeepsie.«
Verblüfft schauten die Drei sie an.
»Poughkeepsie? Wieso willst du zurückfahren?«, hakte Elmar skeptisch nach.
»Rupert ist der Einzige, der Sebastian helfen kann, wenn er wirklich so schwer verletzt ist, wie sie sagen. Los geht’s!«
Schwer seufzend drückten sich die vier ein letztes Mal, bevor sie sich aufteilten.
*
Ivy schlich im Dunkeln zum Zellentrakt. Das unebene Gelände und die Finsternis erschwerten ihren Weg. Sie stolperte mehrmals, fiel ins hohe Gras hinein.
Als sie endlich den Trakt erreichte, öffnete sie mit dem Dietrich die erste Zellentür. Ein Schuss ließ sie zusammenzucken. Aufmerksam spähte sie zu den Lichtern rund um die Kapelle. Wie aufgescheuchte Hühner rannten die Wachen umher. Der Richter brüllte unverständlich herum.
Verlier keine Zeit! Du musst sie da raus holen!, drängte sie eine Stimme. Leise schloss sie die zweite Zellentür auf. In der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen. Sie konnte nur erahnen, was am Ende des Ganges vor ihr lag. Ihre Hände berührten die hölzerne Wand und tippten sich zum Federschloss vor.
Mit dem Werkzeug öffnete sie die Tür und trat in den finsteren Raum ein. Vorsichtig tastete sie sich in den muffigen Kasten vor und berührte ein Bein. Aufgebracht hockte sie sich nieder und fühlte einen kalten Körper.
Melanie lag auf der feuchten Matratze und regte sich nicht.
»Melanie! Wach auf!«, flüsterte sie energisch an ihrer Schulter rüttelnd.
Ächzend öffnete die Rothaarige die Augen und blickte in die Nacht.
»Ivy?«, hauchte sie geschwächt und erhob die Hand ins Dunkle. Zaghaft tätschelte sie Ivys Gesicht und stieß ein erleichtertes Seufzen aus ihren Lungen.
»Wir müssen verschwinden!«, drängte Ivy und zerrte sie auf die Beine. Sie legte ihren dreckigen Arm um ihre Schulter, umfasste ihre steife Hüfte und brachte sie raus.
Melanie verspürte stechende Schmerzen in ihrem Unterleib. Ihre Knochen knackten. Ihr ausgehungerter Körper schrie nach Nahrung und Wasser.
»Wo … sind die … anderen?«, hakte sie geschwächt nach, während Ivy sie aus dem Gefängnistrakt schleppte.
»Die holen die anderen«, ächzte Ivy unter ihrem Gewicht und trat vorsichtig mit ihr die Treppe hinunter.
Im seichten Licht bemerkte Melanie ihre blutigen Hände und ihr Gesicht. »Was ist mit dir passiert?«
»Erklär ich dir später. Jetzt müssen wir los!«
Der Weg über das unwegsame Gelände bis zum Parkplatz war beschwerlicher denn je. Das hohe Gras bremste ständig ihren Aufschwung.
Lautes Gebrüll ließ beide innehalten. »Wir haben einen!«, rief jemand.
Verdammt! Sie haben einen von uns erwischt!
»Wir schaffen das nicht, Ivy«, jammerte Melanie. »Lass mich hier, rette dich!«
»Vergiss es!«, erwiderte sie und schleifte sie weiter zum Laster.
Als sie das Fahrzeug erreichten, legte Ivy die Rothaarige am hinteren Rad nieder und schlich um das Gefährt herum. Die Luft war rein. Ein letztes Mal hievte sie Melanie auf die Beine und brachte sie zur Ladeklappe.
»Du musst jetzt mit machen, auch wenn es weh tut«, bat Ivy unter großer Anstrengung und drückte Melanie die kleine Leiter des Lasters empor. Die Schmerzen in ihren Knochen waren kaum auszuhalten, aber sie biss die Zähne zusammen und kämpfte sich mit Ivys Hilfe auf die Ladefläche.
Keuchend blieb sie liegen. Sorgenvoll schenkte Ivy ihr einen letzten Blick, bevor sie zurück zur Kapelle huschte.
*
Vorsichtig lugte sie auf ihrem Weg hinter einem Fahrzeug nach vorn. Sie erkannte Klaas, der im Dreck vor dem Richter niederkniete. Nervös lief der Bär vor ihm auf und nieder, immer den Blick in die Dunkelheit gerichtet. Einige Wachen hielten Ausschau nach den Flüchtigen.
Wo sind denn Jerome und Elmar?, wunderte sie sich und sah angespannt um sich.
*
»Ihr solltet eure verräterischen Ärsche hier her bewegen, sonst stirbt euer Freund!«, brüllte der Richter mit tief grollender Stimme. Mit finsterem Blick sah er in die dunkle Nacht.
Drei Wachmänner zerrten Jerome an den Füßen über den staubigen Vorplatz. Sie stauchten ihn neben Klaas auf den Boden. Miller stieß ihm den Schaft seiner Waffe mehrmals in den Rücken, sodass er laut aufschrie.
»Es fehlen noch zwei. Sucht sie!«, befahl der Richter.
Miller und seine Leute nickten ihm zu und verschwanden in der Dunkelheit.
Mit knackenden Knien hockte sich der Bär vor den beiden Gefangenen nieder und beäugte sie kritisch. »Was hattet ihr denn vor? Wolltet ihr euch etwa verpissen? Euch eurer Strafe entziehen?« Verachtend schüttelte er mit der Zunge schnalzend den Kopf, stemmte sich wieder hoch und schaute in die Nacht. »Das war eine verdammt dumme Idee.«
*
Ivy schlich um die Fahrzeuge herum und stieß mit einer Wachfrau zusammen. Einen Moment starrten sie sich an. Als die Frau sich umdrehte, um nach Hilfe zu schreien, rammte Ivy ihr das Messer in den Rücken. Röchelnd brach diese zusammen. Jeder Atemzug war eine Qual für die Aufseherin. Ivy hockte sich vor ihr nieder, blickte in ihre Augen. Dem Tode nah schaute die Wächterin zitternd auf.
»Ich ... Du ... «, stammelte sie mit pfeifender Stimme.
Ivy atmete tief ein und wuchtete das Metall in ihren Schädel. Innehaltend umklammerte sie den Schaft der Klinge und zog die Waffe wieder heraus.
Der leblose Körper sackte in sich zusammen und blieb regungslos im Gras liegen.
Ist es das, was du wolltest? Menschen töten, um zu überleben?, raunte ihre innere Stimme.
Das mechanische Klicken des Gewehres riss sie aus ihrer Sinneskrise raus.
»Ganz langsam umdrehen«, forderte eine Männerstimme in der Dunkelheit.
Ivy ließ das Messer in ihrem Ärmel verschwinden und erhob sich langsam von der Frauenleiche. Sie hob die Hände nach oben und ihr Herz schlug ihr bis zur Kehle.
»Umdrehen habe ich gesagt«, wiederholte die Stimme etwas energischer.
Ivy atmete tief ein und aus. In Windeseile drehte sie sich um, stieß mit der rechten Hand die Waffe weg und ließ das Messer aus ihrem Hemdärmel in die Innenfläche gleiten. Mit Kraft rammte sie dem Wachmann die Schneide in die Kehle, der im Affekt auf den Abzug drückte und in die Luft schoss. Ivy zog die Klinge aus seinem Hals und durchtrennte dabei die Hauptschlagader. Ein Blutschwall ergoss sich über ihre Hände und ihrem Gesicht. Mit Wucht stach sie ihm in den Schädel.
Hastig entfernte sie die Waffe und verschwand zwischen den Fahrzeugen.
*
Wütend richtete der Richter seinen massigen Schädel in Schussrichtung. Die Menschen traten mit Zittern und Zagen aus der Kapelle.
Zwei Wachen schleppten Elmar zum Gotteshaus. Er blutete aus Mund und Nase und wurde in den staubigen Dreck gestoßen. Argwöhnisch begutachtete der Richter ihn.
»Ich hatte von dir eine Menge erwartet. Aber das nicht. Fehlt nur noch eine«, meinte er und sah erneut in die Nacht heraus. »Ich weiß, dass du da draußen bist. Ich habe deine Freunde und deinen Mann!« Er wartete einen Moment ab. »Ich könnte ihn retten, aber dafür müssten wir einen Deal aushandeln. Schließlich hast du zwei meiner Wachleute getötet.« Wieder horchte er in die Nacht, aber nichts geschah. Er drehte sich zu den drei Gefangenen um, die ihn furchtsam anblickten. »Ich zähle jetzt bis zehn. Solltest du dann nicht hier sein, werde ich sie nach und nach erschießen!«
Elmar schaute in die verzweifelten Gesichter von Jerome und Klaas. Hilfesuchend blickte er in die Nacht, aber er sah nichts in der Dunkelheit.
»Eins!«, begann der Richter laut zu zählen.
***