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Kapitel 8
ОглавлениеLyon, Frankreich
Forschungszentrum für Infektionskrankheiten
21.Juli 2012, 16:10 Uhr
38 Tage bis zum internationalen Flugverbot
Grinsend betrachtete Yves sein Telefon und legte es in seinen Spind, nachdem Marvin das Gespräch beendet hatte. Gewissenhaft zog er seinen Vollschutzanzug an und klebte die Übergänge der Handschuhe am Anzug mit Klebeband ab. Er betrat die erste Schleuse und legte das Beatmungsgerät an. Dann ging er den zweiten Vorraum und hörte seinen lauten Atem im Anzug.
Als er den Forschungsraum hineinging, schritt er zum Kühlschrank, in dem die Großproben parat standen. Mit dem Kasten in der Hand begab er sich zu einem kleinen Schacht und stellte die Kiste hinein.
Der Anzug machte bei jedem Schritt gummiartige knirschende Geräusche, aber das störte ihn schon lange nicht mehr. Im gegenüberliegenden Raum setzte er sich auf einen Stuhl und steckte die Hände durch die runden Aussparungen des Panzerglases.
Vorsichtig öffnete er die Kiste und holte die Großproben heraus, um sie mit einer Pipette in die vorgesehenen Behälter umzufüllen.
Während er dies tat, summte er ein Lied vor sich her, welches er heute Morgen und während des Mittagessens im Radio gehört hatte. Als er die Proben abgefüllt hatte, schloss er die Großprobe, stellte sie in die Kiste zurück und verstaute sie im Fach.
Nach und nach verschloss er die kleinen Proben und steckte sie in die Halterungen der speziellen Transportbox, die in einem zweiten Fach parat stand.
Plötzlich fühlte er ein unangenehmes Kribbeln in seiner rechten Hand. Ein unkontrollierbares Zucken erfasste diese und er stieß die letzte Probe um, die sogleich an der Wand des Forschungsbereichs zerschellte.
Ein kleiner Glassplitter, getränkt in der Probe, stach durch seinen Handschuh und blieb für einen kurzen Moment in seiner Haut stecken. Das Kribbeln seiner Hand übertünchte den kurzen Einstich.
»Merde!«, fluchte er. Instinktiv drückte er einen seitlichen Knopf im Forschungsbereich, der die Schleuse herunterfuhr und die Oberfläche der abgefüllten Proben automatisch dekontaminierte.
Er zog die Hände durch die Aussparung heraus, verschloss diese und drückte direkt den Dekontaminationsknopf. Fauchend schlugen die Flammen im Inneren um sich. Bedächtig sah er dem Feuer zu, das jegliche Viren innerhalb von Millisekunden vollkommen unschädlich machte. Das einzige, was übrig blieb, war geschmolzenes Glas und ein verkohlter Forschungsbereich.
Während er um die Kammer herum ging, um die Großprobe und die Transportbox in die Kühlung zu bringen, versuchte er durch pumpende Bewegungen seiner rechten Hand, den stechenden Schmerz wegzubekommen. Ächzend stellte er die Großprobe in die Kühlung. Auf den Lieferschein trug er neun statt zehn Proben ein und steckte ihn in die Transportbox. Über einen Pin verschloss er den Behälter, der in eine mit Stickstoff gefüllte zweite Vorrichtung verpackt wurde. Diese wurde ebenso mit einem Pin versiegelt. Zum Schluss stellte Yves das fertige Paket in eine Durchreiche, die dort mit ultraviolettem Licht bestrahlt und vorsorglich dekontaminiert wurde.
Seufzend sah er auf seine rechte Hand, deren Schmerz langsam nachließ. Er sah auf die Uhr. Dass das Ganze eine Stunde dauerte, kam ihm gar nicht so vor.
Mit dem Ellenbogen öffnete er die Tür zur Dekontaminationskammer. Er drehte sich in der desinfizierenden Seifenlauge, die über Düsen aus den Wänden auf ihn herabregneten, hin und her und verrieb sie. Als Zweites wurde eine klare Flüssigkeit versprüht, die die Lauge vollkommen vom Anzug spülte. Im letzten Gang wurde ein Gebläse angestellt, welches den Schutzanzug trocknete und sämtlichen Wasserdampf absaugte.
Dann wurde es still in der Kammer. Ein Scanner prüfte ein letztes Mal, ob Viren auf seinem Körper klebten. Öffnete sich die Tür nicht, musste die Dekontamination wiederholt werden. Angespannt fixierte Yves die Tür.
Als die grüne Lampe aufleuchtete, atmete er erleichtert auf und konnte die Kammer verlassen. Er streifte die Handschuhe ab und warf sie in den Eimer. Seine Kleidung hängte er an einen Haken und die Stiefel stellte er in ein flaches Becken mit einer speziellen Lösung. Die Garderobe darunter schmiss er in der Männerduschkabine in einen speziellen Schacht, wo diese chemisch gereinigt wurden.
Er wischte sich unter der juckenden Nase entlang und trat in die Dusche ein.
Der Virus, der durch den Glassplitter übertragen wurde, breitete sich in seinem Körper rasant schnell aus. Er suchte sich seinen Weg zum Gehirn.
Das Desinfektionsgel, welches er auf seiner Haut verrieb, sollte die letzten Bakterien und Viren vernichten, die auf ihn klebten. Das ultraviolette Licht, das die ganze Zeit auf ihn herab schien, machte ihn jedes Mal wahnsinnig.
Nachdem er sich abgetrocknet hatte, schmiss er das Handtuch ebenso in einen speziellen Wäscheschacht und zog seine normale Kleidung wieder an. Als Letztes loggte er sich aus dem Labor aus und ging in sein Büro, welches er sich mit einem Kollegen teilte. Dieser schrieb gerade einen Bericht und schob seine langen Haare hinter das abstehende Ohr.
»Wir haben einen Alarm bekommen, dass der Dekontaminationsknopf betätigt wurde«, eröffnete er Yves und sah ihn fragend an.
Yves nickte seufzend. »Mir ist eine Probe umgefallen. Ich habe alles nach Vorschrift dekontaminiert«, versicherte er. »Im violetten Schacht steht die Box für Marvin. Könntest du sie nachher noch zum Tresorkühlraum bringen?«
»Mein Freund, du solltest deinen Arzt aufsuchen. Wenn die Krämpfe der MS schlimmer werden, solltest du nicht mehr im Labor arbeiten«, warnte ihn Jacques eindringlich.
Yves nickte ihm zu und zog seine Jacke an.
»Wo willst du hin?«
»Ich mache Feierabend. Wir haben heute ein Date, Géraldine und ich«, zwinkerte er.
»Alter Haudegen«, lachte Jacques. »Ich schreibe meinen Bericht fertig und stelle die Box dann weg.«
Dankend nickte Yves ihm zu und verließ das Büro.
Während er sich ins Auto setzte, bahnte sich der Virus seinen Weg zu seinen Schleimhäuten. Wie ein Bohrer drängelte er sich bis zu seinem Rückenmark hindurch und heftete sich daran. Langsam kroch es an ihn empor, bis es sein Hirn erreichte. Es verkapselte sich an seiner Großhirnrinde, ruhte, als würde es auf ein Zeichen warten und begann ein feines Netzwerk zu spinnen.
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