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Kapitel 1

Berlin Schönefeld

20.November 2014, 7:30 Uhr

Ivy sah ein letztes Mal auf das in Rauch stehende Flugzeug, mit dem sie vor wenigen Minuten eine Bruchlandung hingelegt hatten. Ein ungutes Gefühl schlich sich in ihre Gedanken. Wenn es so beginnt, wie wird es enden?

Die anderen liefen mit schnellen Schritten auf das Terminal vor ihnen zu. Die schwarzen Rauchschwaden wurden immer mehr.

Machʼ, dass du verschwindest!, drängte sie eine innere Stimme und trieb sie voran.

Die ersten zaghaften Sonnenstrahlen tauchten das rauchende Wrack in ein bedrohliches Orange.

»Ivy!«, rief Klaas energisch und riss sie aus ihrer kurzen Phase der Lethargie heraus.

Der eiskalte Wind peitschte in ihr Gesicht und sie schnellte mit dem schweren Gepäck voran.

Elmar stieß die Tür auf und trat in eine leere Wartehalle ein. Die Sitzgelegenheiten waren mit zahlreichen Gepäckstücken bedeckt.

Die Schalter waren unbesetzt.

Ruben schaute ängstlich von den wackelnden Gepäckwagen zu Elmar und Mac auf. Der Hund wollte endlich wieder festen Boden unter seinen Tatzen haben. Mac hob ihn behutsam vom Wagen und stellte den Hund auf seine zitternden Beine.

Ivy schloss hinter sich die Tür. Das Geräusch hallte in der Wartehalle. Niemand war zu sehen. Der kleine Kiosk war verschlossen, der Kühlschrank mit den Getränken leer.

Elmar und Klaas zückten aus den Taschen die Lampen heraus und reichten sie an die anderen weiter. Nichts und niemand war zu sehen. Suchend leuchteten sie herum.

»Wir müssen den Gang nach oben«, drängte Ivy und schritt auf Ruben zu, der auf wackeligen Beinen und schwanzwedelnd sein Frauchen begrüßte. Behutsam strich sie auf dem Kopf der Fellnase entlang und lockte ihn, ihr zu folgen.

»Wo gehen wir denn hin?«, fragte Rupert nach und folgte ihr.

»Wenn wir dem Gang folgen, geht es nach oben zum Gate. Von dort aus kommen wir auf die andere Seite zu den Parkplätzen«, erklärte sie und ging voran.

Ermüdet hielt Mac einen Moment inne, bevor er sein Gepäck auf den Rücken schwang und den anderen folgte. Er hatte Kopfschmerzen. Eine Nachwirkung des Alkohols, während des Fluges.

Durch die Glasfronten des Ganges hatten sie einen Überblick über den verlassenen Flughafen. Neben dem qualmenden Flugzeug standen ein paar Airlines auf dem Rollfeld. Nur würde dort niemand mehr einsteigen.

Gemeinsam mit Elmar und Klaas zog Ivy die sperrige Tür des Gates auf und lauschte einen Moment. Die unbequemen harten Bänke, auf denen die Passagiere auf ihren Flug warteten, standen in reih und Glied. Achtsam trat die Gruppe hinein. Ivy warf einen Blick auf die schwarze Anzeigentafel. Schon lange zeigte diese keine Ankünfte oder Abflüge an.

Na, realisierst du gerade, dass dich niemand abholen wird? Hast du etwa gedacht, dass hier alles beim Alten sei?, zischte ihre innere Stimme zynisch.

Mac drückte die Tür ins Schloss und sah sich schnaufend um. »Könnten wir uns erst einmal einen Plan machen, bevor wir sinnlos durch die Gegend laufen?«, brummte er mürrisch vor sich hin und schmiss den Seesack auf die Sitzreihe.

Rupert und Alice sahen Ivy fragend an, die ebenso rat- und planlos im zweiten Wartebereich stand.

»Ich stimme Mac zu«, meinte der Arzt und legte die schwere Tasche nieder. »Draußen ist es schweinekalt und ohne Plan werden wir wohl erfrieren.«

Zustimmend nickte Ivy und ließ die Tasche von ihren Schultern rutschen. Ein unzufriedenes Schnaufen war zu hören, als sie sich setzte.

Klaas begutachtete die Gepäckstücke, die herum lagen, und kicherte leise vor sich her. »Irgendwie ist das witzig. Wir sind genau da angekommen, wo es angefangen hat. Auf einem Flughafen«, sagte er mit einem aufgesetzten Lächeln.

Kurzzeitig dachten Rupert, Elmar und Ivy über seine Worte nach und nickten ihm zu.

»Ich bezweifle, dass uns die Bundeswehr abholen und in ein Camp bringen wird«, wandte Ivy sarkastisch ein und blickte zur Einkaufspassage. Entschlossen griff sie zu dem Seesack, in dem die Waffen verstaut waren und kramte ihre Machete heraus.

»Wo willst du denn hin?«, hakte Klaas neugierig nach.

»Shoppen. Vielleicht finden wir noch irgendwas essbares«, erwiderte sie und lief ohne ein weiteres Wort los.

Seufzend blickte Alice Rupert an, der diesen Augenaufschlag genau kannte. Bewegʼ deinen Hintern und folge ihr!

Der Doktor schnaufte. »Ja, du hast recht.« Mit schnellen Füßen folgte er Ivy zur Einkaufsmeile.

Ihre Schritte hallten in den leeren Gängen. Die Aufmerksamkeit galt den verlassenen Läden, an denen sie vorbei schlenderte. Es war schon eine Weile her, als sie das letzte Mal in Berlin Schönefeld in ein Flugzeug gestiegen war. Einige kleine Geschäfte waren nicht passierbar. Die Gitter waren runtergelassen.

Die Regale im ›Pocketshop‹ waren reich gefüllt. Tageszeitschriften gab es nicht mehr. Dafür aber Romane, Rätsel und Frauenmagazine. Nichts, was Ivy interessieren würde.

Im ›Heinemann Duty-Free‹ sah es da schon etwas anders aus. Angespannt blieb sie auf dem Flur stehen und starrte in den Laden hinein. Im Augenwinkel sah sie Rupert auf sich zu eilen. Die kleine Wohlstandsplauze wiegte auf und nieder.

»Was haben wir zum Alleingang gesagt?«, wollte er japsend wissen und stützte sich auf seine Oberschenkel.

Genervt dreinschauend sah sie ihn an.

»Alles okay?«, fragte der Halbgott in Weiß besorgt nach und runzelte die Stirn.

»Ich … weiß nicht, was ich tun soll«, raunte sie leise vor sich hin und fühlte sich schuldig. »Ich habe alles riskiert … drei Menschen sind tot und … ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.« Schwer seufzend presste sie die Luft aus ihren Lungen und rieb sich zweifelnd die Stirn.

»Dass die Crew gestorben ist, ist doch nicht deine Schuld«, versuchte er sie zu beruhigen und legte mitleidend die Hand auf ihre Schulter.

»Vielleicht hatte Jerome recht und es ist wirklich so, dass wir eine Nadel im Heuhaufen suchen.«

»Nein, nein, nein! Er hat überhaupt nicht recht! Du hast irgendwo in deinem Kopf einen Plan … Du bist nur geschafft von der Reise. Schon vergessen, dass wir vor wenigen Minuten einen Flugzeugabsturz überlebt haben?! Uns wird schon etwas einfallen«, versicherte er. Gemeinsam traten sie in den Laden ein.

Vorbei an Kuscheltieren, verdorbenen Snacks, vergammeltem Obst und Spirituosen aus allen Herren Länder, blieben sie vor einer Stiege Gebäck stehen.

Rupert musterte Ivy mit strengem Blick. »Wenn du jetzt aufgibst, werde ich dir mit voller Wucht in den Hintern treten!«, drohte er ihr mit erhobenem Finger.

Ivy begann herzlich zu kichern. Du kriegst dein Bein gar nicht so hoch.

»Schön, dass du mich auslachst«, grinste er und Ivy schüttelte lächelnd den Kopf. »Also, atme tief durch und erzähl mir, wie dein Plan aussieht.«

Sie schloss die Augen, atmete tief ein und aus und stemmte die Arme in die Hüfte.

»Hailey und Konrad waren bei meinen Eltern und ich bat sie, sich mit meinen Schwiegereltern zusammenzuschließen. Ich wäre zu ihnen gefahren«, erklärte sie zögerlich.

»Na siehst du! Du hast einen Plan. Und so werden wir es auch machen. Fertig.«

Mutmachend strich er ihr über den Rücken, doch ihre Begeisterung hielt sich in Grenzen.

»Das wird ein verdammt langer Weg ohne Auto. Keiner versteckt seinen Ersatzschlüssel in der Sonnenblende, wenn du verstehst, was ich meine, Rupert.«

Zustimmend nickte er und verzog den Mund zu einer kurzweiligen Fratze. »Aber auch das kriegen wir hin. Und jetzt nehmen wir uns einen edlen Tropfen und stoßen darauf an, dass wir lebend angekommen sind. So viel Zeit muss sein.«

Der Doktor schlängelte sich zwischen den Regalen entlang zur Sektabteilung und suchte mit strengem Blick nach einem edlen Tropfen. Er griff eine schwarze, edelverzierte Flasche und begutachtete sie kritisch. »Evi wollte den schon immer mal trinken«, verkündete er und hielt ihr das Gefäß hin. »Aber ich vermute eher, dass es um die Verzierung an sich ging. Der Name ist mit kleinen Brilliantsteinen verziert.«

Behutsam legte er die Flasche in die Armbeuge, als wäre es ein Säugling.

»Mac ist Alkoholiker«, platzte es aus Ivy heraus und sah in das wenig verblüffte Gesicht des Arztes.

Nickend schritt Rupert mit einer weiteren Flasche auf sie zu und blickte ihr in die Augen. »Es war ein paar Tage, nachdem er bei uns eingezogen war. Ich ging mit Alice spazieren und fand seinen … naja … Flaschencontainer … Er entsorgte seine Reste in einem Schacht unterhalb der Mauer.«

»Meinst du, dass das zum Problem werden könnte?«

Rupert zuckte mit den Schultern. »Er ist teils sehr labil. Ich könnte für ihn nicht die Hand ins Feuer legen. Solange er die Trinkerei unter Kontrolle hat, billige ich das. Was anderes bleibt uns eh nicht übrig.«

Ivy nickte und legte eine Packung Kekse, Kaugummis und Zigaretten in den Einkaufskorb, der an der Kasse stand.

Gemeinsam schlenderten sie zurück zu den anderen, die auf sie warteten.

*

Rupert präsentierte die Sektflaschen und stellte sie auf einen kleinen Tisch.

Argwöhnisch sahen Elmar, Klaas, Alice und Mac den Doktor an.

»Auch wenn es sich komisch anhört, sollten wir darauf anstoßen, dass wir heil gelandet sind und denen gedenken, die dabei leider Gottes drauf gegangen sind«, verkündete Rupert etwas schnippisch und fummelte das Papier vom Flaschenhals.

Verwundert beobachteten die anderen den Doktor.

»Wissen wir jetzt, wie es weiter geht?«, hakte Klaas nach.

»Wir werden zu mir nach Hause gehen«, antwortete Ivy und setzte sich auf die Sitzreihe.

»Fahren«, schnippte Mac dazwischen.

»Nein. Gehen«, erwiderte Ivy bestimmend. »Die Chancen stehen echt schlecht, einen fahrbaren Untersatz zu finden.«

»Mit viel Glück finden wir ein älteres Modell, das könnten wir kurzschließen«, überlegte Klaas.

»Ja, Vincent hat uns das gezeigt«, bestätigte Elmar nickend.

Mit einem lauten Knall schoss Rupert den Korken an die Decke, versetzte die anderen in Schrecken und schenkte zufrieden jedem einen Schluck in die Plastikbecher ein.

Zögernd sahen sie sich gegenseitig an und erhoben langsam die Becher. Rupert erhob sein Gefäß und trank einen Schluck. Das prickelnde Gesöff schmeckte nicht so verheißungsvoll, wie er erwartet hatte. Eher muffig und pelzig auf der Zunge. Er verzog sein Gesicht zu einer angewiderten Fratze. Die Mienen der restlichen Gruppen taten es ihm gleich.

Ivy stellte ihr Getränk auf den Boden. Was für ein ekelhaftes Gesöff. Wer gibt für so was Geld aus?

»Teilen wir uns auf und suchen Autos«, schlug Klaas vor und schüttete die Tasse im Mülleimer aus.

Schnaufend erhob sich Mac aus dem Sitz, griff gezielt in den Waffenseesack und zog seine Sniper heraus. Nach Überprüfung des Magazins nickte er Ivy bereitwillig zu. »Lasst uns loslegen. Ich möchte ungern hier schlafen. Es ist kalt und der Tag hat erst begonnen.«

Stumm nickte sie und verteilte die Waffen.

***

Lethal Vacation

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