Читать книгу Wikinger der Liebe / Wikinger meiner Träume - Josie Litton - Страница 10

Kapitel 4

Оглавление

Mühsam erhob sie sich auf die Knie und rieb ihre brennenden Augen. Hatte er sie tatsächlich in die Wanne gezerrt? Unfassbar. Was hatte er vor? Wie sollte sie...? Plötzlich unterbrach sie ihre Gedanken und starrte ihr Kleid an, über das schwarze Farbe ins Badewasser floss.

Nun wusste sie, warum ihre Augen brannten. Ein Handtuch landete in ihrem Gesicht, von einer starken Hand geschleudert. »Wisch dich ab und komm heraus. Und mach bloß nichts schmutzig!«

Dass Hawk sie allem Anschein nach durchschaut hatte, nahm ihr den Atem. Natürlich, er wusste Bescheid. Und er wird wütend sein, dachte sie. Ein kurzer Blick über den Rand des Handtuchs genügte, um diese Vermutung zu bestätigen und auf etwas anderes hinzuweisen – seine spärliche Bekleidung, die kaum ausreichte, um die Schicklichkeit zu wahren. Die Beine gespreizt, die kraftvollen Arme verschränkt, stand er da und musterte sie, als wäre sie ein unerfreuliches Strandgut, das die Meereswellen vor seine Füße geschwemmt hatten.

Kein guter Anfang.

Obwohl das nasse Kleid bleischwer an ihr hing, gelang es ihr irgendwie, aus der Wanne zu klettern. Sie versuchte die schwarzen Flecken aus ihrem Gesicht zu wischen. Dann zuckte sie plötzlich zusammen, denn Hawk ging mit langen Schritten zu ihr, so schnell, dass sie keine Zeit fand, um sich zu wappnen. Dicht vor ihr blieb er stehen, bot ihr einen imposanten Ausblick auf seine nackte Brust und ergriff eine ihrer feuchten Haarsträhnen, die er so angewidert betrachtete wie einen Klumpen Seetang. »Wie sieht die echte Farbe aus?«

Krysta hüstelte, weil etwas Wasser in ihre Kehle gedrungen war. »B-b-blond...«

Offenbar missfiel ihm diese Farbe, denn er schüttelte verächtlich den Kopf. »Dachtest du, ich würde dich nicht erkennen, wenn du endlich ankommen würdest, nur weil du eine andere Haarfarbe hast?«

Die Erkenntnis ihrer eigenen Dummheit traf sie so qualvoll, dass sie nicht antworten konnte.

Seufzend ließ er die nasse Strähne los und kehrte ihr den Rücken, als würde er ihren Anblick nicht mehr ertragen. »Zieh dich aus.«

»W-Was?«, fragte sie mit schwacher Stimme.

»Zieh das nasse Zeug aus!«, befahl er und spähte sekundenlang über seine Schulter. »War das deutlich genug?«

Von Krysta abgewandt, nahm er eine Tunika vom Stuhl und ließ das Handtuch von seinen Hüften gleiten. Während er sich ankleidete, schluckte sie – der breite Rücken, die schmale Taille, die prallen Hinterbacken. Nie zuvor hatte sie auch nur einen Gedanken an diesen Körperteil eines Mannes verschwendet. Und nun wurde ihre Aufmerksamkeit von zwei perfekten Rundungen gefesselt.

Hawk drehte sich um, bemerkte ihre Faszination und runzelte verblüfft die Stirn. Doch er hatte sich sofort wieder in der Gewalt. Seine Augen verengten sich. »Neulich fragte ich dich – in Unkenntnis deiner wahren Identität –, ob du dumm bist. Warum hast du gelogen?«

Mit diesen kränkenden Worten riss er sie aus ihrer Verwirrung. »Mein Verstand lässt nichts zu wünschen übrig. Das werdet Ihr merken, wenn Ihr mir erlaubt zu erklären...«

»O ja, du wirst mir eine ganze Menge erklären, Lady.« Hawk lachte heiser. »In allen Einzelheiten. Aber zieh dich zuerst aus. Wenn ich dich noch einmal dazu auffordern muss, reiße ich dir die nassen Sachen selber vom Leib.«

Ehe sie ihm mitzuteilen vermochte, was sie von seiner Drohung hielt, eilte er zur Tür, öffnete sie und rief nach der Dienerschaft. Hastig stolperten ein paar Leute herein und erstarrten angesichts der klatschnassen, mit schwarzer Farbe beschmierten jungen Frau.

»Leert die Wanne aus und bringt frisches Wasser«, wies Seine Lordschaft die Dienstboten an. »Das müsst ihr nicht erhitzen.«

Sie beeilten sich zu gehorchen – zweifellos, um dem Zorn ihres Herrn möglichst schnell zu entrinnen und die anderen Diener mit einer aufregenden Klatschgeschichte zu erfreuen. Inständig wünschte Krysta, sie würden hier bleiben oder bald wiederkommen – oder sie brächte den Mut auf, aus dem Fenster zu springen und der Rachsucht ihres Bräutigams zu entfliehen.

»An mir werden die nassen Kleider besser trocknen«, gab sie zu bedenken. »Die Diener brauchen sich nicht um das Wasser zu bemühen, ich hole mir selber ein paar Eimer. Oder ich gehe zum Fluss hinunter.« Sie versuchte an ihm vorbeizuhuschen und blieb abrupt stehen, als er lachte. Fand er das alles amüsant?

»Du schmeichelst dir.«

»Was?«

»Du schmeichelst dir, wenn du glaubst, du müsstest dich entkleiden, weil du mein Verlangen erregst. Dafür bist du viel zu schmutzig. Keine Katze, die auf sich hält, würde so etwas wie dich ins Haus schleppen. Nur zu deinem eigenen solltest du halbwegs menschlich aussehen, bevor wir die Hintergründe deines unentschuldbaren Benehmens erörtern. Zieh dich endlich aus!«

Obwohl er sein Temperament zügelte, erkannte Krysta, dass sie am Rand eines gefährlichen Abgrunds stand. Wäre sie vernünftig, würde sie gehorchen. Aber allmählich zweifelte sie an ihrem Verstand, der sie stets mit Stolz erfüllt hatte. »Das werde ich tun, wenn Ihr hinausgeht.«

Unter anderen Umständen wäre seine Miene vielleicht komisch gewesen. Jetzt wirkte sie beängstigend. »Du verlangst, ich soll mein Zimmer verlassen? In meiner eigenen Festung?«

»Ich verlange es nicht, ich ersuche Euch darum. Wenn ich mich auskleiden und baden soll, dann geht, bitte! Außerdem brauche ich saubere Kleidung. Wenn Ihr so freundlich wärt, jemanden in die Halle der Dienerinnen zu schicken. Dort stehen meine Truhen.«

»Besitzt du denn gar keinen Überlebenswillen?«, fragte er freundlich, als hätte er soeben eine interessante Entdeckung gemacht.

Es war seine Belustigung, die Krysta aus der Fassung brachte. Unter den schwarzen Flecken färbten sich ihre Wangen flammend rot. Zitternd krallte sie die Finger in ihr ruiniertes Kleid und schien sich vorzustellen, es wäre der Hals ihres künftigen Herrn und Meisters. Das entging ihm nicht. Während er seine Braut erwartungsvoll beobachtete, empfand er ein gewisses Unbehagen. Etwas verspätet meldeten sich seine eigenen Überlebensinstinkte.

»Glaubt Ihr, damit gebe ich mich zufrieden?«, fauchte sie. »Einfach nur weiterleben kann man auch in einem Erdloch. Doch das wäre kein Leben! Ich wünsche mir Frieden für Euer Volk und meines, eine gesicherte, hoffnungsvolle Zukunft, ohne Angst vor dem nächsten Angriff, ohne die bange Frage, wann wieder einmal tote Männer heimgebracht werden oder Bauernhöfe niederbrennen. Eigentlich dachte ich, auch Ihr würdet den Frieden herbeisehnen. Aber ich habe mich wohl geirrt. Falls ich Euch darauf hinweisen dürfte, Lord Hawk, der Weg zum Frieden führt nicht durch die Betten anderer Frauen.« Entgeistert starrte er Krysta an, und sie stemmte ihre Hände in die Hüften. »Wagt es bloß nicht zu leugnen! Als ihr mich für eine Dienerin halten musstet, habt Ihr mich begehrt. Und Ihr hättet mit mir geschlafen, wäre das hier...« Erbost zeigte sie auf ihr Haar. »...nicht geschehen!«

»Damit es nicht dazu kommt, wollte ich dich nach Vestfold zurückschicken.«

»Also gebt Ihr es zu. Ihr wart nahe daran, mich mit mir selbst zu betrügen.« Das klang gar nicht so übel, und so fügte sie rasch hinzu: »Und wer weiß, mit wie vielen anderen Frauen! O ja, so etwas ist allgemein üblich. Aber die Ehe schon vor der Hochzeit zu brechen...«

In seinem Kopf drehte sich alles. Lord Hawk, der sich mit erhobenem Schwert einen Weg durch zahllose schreiende Dänenhorden gebahnt hatte, so kühl und gelassen wie bei einer Waffenübung auf dem Turnierplatz, bangte plötzlich um sein inneres Gleichgewicht. Noch nie hatte sich jemand erdreistet, so mit ihm zu reden wie seine Frau, dieser Feuer speiende kleine Drachen. Bei jeder Gelegenheit forderte sie ihn heraus. Offensichtlich glaubte sie, das wäre ihr gutes Recht. Erst jetzt fiel ihm wieder ein, was er über die Norwegerinnen gehört hatte. Eigenwillige, unabhängige Frauen, stets bereit, einem Mann Fesseln anzulegen, statt ihn zu küssen, schrecklich besitzergreifend, sobald es um etwas ging, das ihnen nach ihrer Meinung zustand. Davor hatte ihn Dragon, Wolfs Bruder, gewarnt. Aber Hawk hatte angenommen, das wäre maßlos übertrieben.

Und jetzt musste er mit dieser Xanthippe fertig werden. Wenn er nicht aufpasste, würde sie sein ganzes wohl geordnetes Leben durcheinander bringen. »Jetzt reicht’s!« Seine Donnerstimme erschütterte die Deckenbalken und erschreckte die Diener, die in diesem Augenblick mehrere Eimer und die entleerte Wanne über die Schwelle trugen. Vor lauter Entsetzen verschütteten sie einen Teil des Wassers, und während sie die Wanne füllten, floss noch mehr zu Boden. Ungläubig beobachtete Hawk die nervöse Schar und sah in ihrem Verhalten ein beunruhigendes Omen für die Zukunft.

Auf Händen und Knien wischten einige Diener das vergossene Wasser weg, andere rannten davon, um frisches zu holen. Plötzlich erschienen Menschen, die im Turm des Festungsherrn gar nichts zu suchen hatten, und spähten verdutzt ins Zimmer. Sogar die Vögel schien das Spektakel anzulocken, denn ein Rabe landete auf dem Fensterbrett und krächzte lauthals.

»Still!«, befahl Krysta.

Wen sie meinte, wusste Hawk nicht, und es kümmerte ihn auch gar nicht. Die Arme emporgeworfen, stürmte er zur Tür hinaus. Erst auf halber Höhe der Turmtreppe merkte er, dass er genau das tat, was die Lady wollte.

Nun musste Krysta erst einmal die Leute beschwichtigen. Das hielt sie für ihre wichtigste Aufgabe. Immerhin würden sie ihr dienen, und sie waren sichtlich verängstigt. Kein Wunder, nachdem sie diesen heftigen Wutausbruch ihres Herrn miterlebt hatten. Den durfte sie ihm nicht verübeln. Thorgold hatte sie gewarnt und mehrmals betont, ein Mann würde sich nicht gern zum Narren halten lassen.

»Vielen Dank für das frische Wasser«, sagte sie lächelnd.

Die Dienstboten starrten sie verwirrt an und wechselten sorgenvolle Blicke. Aber keiner brachte auch nur ein Wort hervor. Hastig erledigten sie ihre Pflichten – in Hawks Abwesenheit nicht mehr allzu gewissenhaft – und verschwanden so schnell wie möglich. Außer ein paar vergessenen Tropfen rings um die Wanne hinterließen sie keine Spuren.

Mutterseelenallein stand Krysta in der Mitte des Raums, verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, ihr Zittern zu bekämpfen. Hatte sie ihrem Bräutigam tatsächlich erklärt, der Weg zum Frieden würde nicht durch die Betten anderer Frauen führen? Wie konnte sie ihn so dreist herausfordern? War sie verrückt geworden?

Nach einem kurzen Blick zur Tür, die seine Dienstboten hinter sich geschlossen hatten, und einem inständigen Gebet, der Herr von Hawkforte möge nicht plötzlich zurückkehren, schlüpfte sie aus ihrem nassen, mit schwarzer Farbe befleckten Kleid. Die Leute hatten Hawks Anordnung befolgt und kaltes Wasser aus der Küche heraufgebracht. Doch das störte Krysta nicht, da sie es gewohnt war, in Flüssen und Teichen zu baden, in die geschmolzene Gletscher flossen. Zufrieden setzte sie sich in die Wanne, ergriff die Seife, die daneben auf dem Stuhl lag, und wusch ihr Haar.

Dann stieg sie aus ihrem Bad und goss das schwarz gefärbte Wasser in das fachkundig angelegte Abflussrohr, das an der äußeren Turmmauer nach unten verlief. Dankbar für die zusätzlichen Eimer, die Hawks Diener bereitgestellt hatten, füllte sie die Wanne noch einmal. Bei diesem zweiten Mal blieb das Wasser sauber, und sie lag darin, solange sie keine unliebsame Störung befürchten musste. Schließlich verließ sie die Wanne, wickelte sich in ein Laken, und wenig später klopfte es an der Tür.

»Herein!«, rief sie.

Auf seinen krummen Beinen humpelte Thorgold ins Zimmer und schleifte eine Truhe hinter sich her. »Raven meint, das würdet Ihr brauchen.«

»Danke! Gerade habe ich überlegt, wie ich mir saubere Kleidung beschaffen soll.«

»Immerhin habt Ihr Eure Blößen bedeckt«, bemerkte er grinsend. »Vorhin stürmte Seine Lordschaft aus diesem Turm, als wären alle Furien hinter ihm her. Hättet Ihr bloß gesehen, wie die verschreckten Leute das Weite suchten!«

»O nein«, stöhnte Krysta. »Natürlich habe ich mit seinem Ärger gerechnet. Aber dass es so schlimm ist...«

»Ärgerlich ist er nicht, sondern furchtbar wütend, ganz zu schweigen von seiner Verwirrung!« Thorgolds Gelächter schien von seinen Zehenspitzen nach oben zu quellen und erschütterte den ganzen Körper. Aber dann sah er Krystas gesenkten Blick und wurde sofort ernst. »Regt Euch nicht auf, Mädchen. Was geschehen ist, lässt sich nicht ändern. Jetzt kommt’s darauf an, was Ihr tun wollt.«

»Keine Ahnung...« Unglücklich sank sie auf den Stuhl und wünschte, sie könnte einfach verschwinden. Nur allzu gut erinnerte sie sich an Hawks Behauptung, keine Katze, die etwas auf sich hielt, würde so etwas wie sie ins Haus schleppen. Wie durfte sie hoffen, die Liebe eines Mannes zu erringen, der sie verachtete?

Und doch – bevor er die Wahrheit herausgefunden hatte, war sein Verlangen nach ihr erwacht. Mochte sie auch unberührt und unschuldig sein, sie wusste, welche Gefühle sie von Anfang an erfasst hatten.

Trotz des Unbehagens, das Thorgold angesichts solcher weiblichen Probleme empfand, wollte er seiner Herrin helfen und zeigte auf die Truhe. »Raven hat gesagt, Ihr sollt das Kleid anziehen, das obenauf liegt.«

Nachdem er den Raum verlassen hatte, kniete Krysta neben der Truhe nieder und öffnete sie. Vor ihr lag ein Kleid, das sie nie zuvor gesehen hatte. Der Stoff glich dem Schaum auf Wellenkronen, er war so hauchzart, dass sie glaubte, die sanfteste Brise könnte ihn davonwehen. Trotzdem fühlte sich das Kleid seltsam schwer an, als sie es vorsichtig hochhob. Verblüfft runzelte sie die Stirn, als sie die zahllosen, winzigen aufgestickten Kristalle entdeckte. Einerseits fragil, andererseits substanziell, machte ihr das Gewand Mut. Sie stand auf und zog es über den Kopf, und es schmiegte sich an ihren Körper, wie für sie geschneidert. Aber es war für eine andere Frau bestimmt gewesen. Das wusste sie. Für die Mutter, die sie nie gekannt hatte...

In Hawks Gemach gab es nur einen einzigen Spiegel neben dem Waschtisch, auf dem ein scharf geschliffenes Rasiermesser lag. Ihr Bild in der polierten Bronze zeigte tränennasse Augen und zerzaustes Haar. Von der Farbe befreit, begann es sich zu dichten, widerspenstigen Locken zu kräuseln. Einen Teil konnte Krysta mit einem passenden Band aus der Stirn halten, den Rest ließ sie auf die Schultern fallen.

Gewissenhaft brachte sie das Zimmer in Ordnung. Um den gefürchteten Moment hinauszuzögern, in dem sie die verhältnismäßige Sicherheit dieses Raumes verlassen musste, sah sie sich um. Ihr Blick glitt zum Fenstertisch hinüber. Was darauf lag, fesselte sofort ihre Aufmerksamkeit.

Ein Buch.

In ihrem Leben hatte sie vielleicht ein halbes Dutzend Bücher gesehen und drei besessen, die sie der Großzügigkeit ihres verstorbenen Vaters verdankte. Wie sie sich entsann, hatte Raven erzählt, Hawk könnte lesen. Aber es überraschte Krysta, ein so kostbares Buch zu entdecken, sie ging darauf zu. Eine Zeit lang betrachtete sie einfach nur den reich verzierten Ledereinband – dann war die Versuchung unwiderstehlich. Behutsam öffnete sie das Buch. Ohne dass es ihr richtig bewusst wurde, setzte sie sich auf den Stuhl neben dem Tisch und begann zu lesen.

Hawks Zorn verflog erstaunlich schnell. Eine knappe Stunde, nachdem er das Turmzimmer verlassen hatte, war seine Wut nur mehr eine Erinnerung. Der Wind wehte die düstere Stimmung so erfolgreich davon, wie er das Segel des Kutters blähte, der jenseits des Hafens über die Wellen tanzte. In einer Kurve aus goldenem Strand und weißen Klippen sah er Hawkforte liegen – ein Anblick, der ihn stets erfreute, wenn er von kürzeren oder längeren Seereisen zurückkehrte. Dies war sein Heim, seine Zuflucht, sein Sieg über eine grausame, lieblose Welt. Und jetzt gewann die geliebte Festung eine neue Bedeutung. In ihren Mauern befand sich die Frau, die zwei Völkern den ersehnten Frieden bringen sollte, die seine Hoffnung auf ein Glück geweckt hatte, wie es seine Schwester mit ihrem Ehemann teilte, und die so dreist gewesen war, ihn zu hintergehen.

Das war ihr nur kurzfristig gelungen. Das tröstete seinen Stolz. Aber er fragte sich, wie lange sie die Maskerade fortgesetzt hätte, wäre sie nicht entlarvt worden. Und was hatte sie damit bezweckt? Warum riskierte sie seinen Zorn?

Dafür musste es einen Grund geben, den er bald erfahren würde. Er hatte seine Braut endlich kennen gelernt, was ihm allerdings wenig nützte, denn sie erschien ihm noch mysteriöser als das Fantasiebild seiner abwesenden Verlobten.

Seine Behauptung, er würde sie nicht begehren, war eine Lüge gewesen. Aber jeder halbwegs vernünftige Mann behielt gewisse Dinge für sich. Welche Macht sie auf ihn ausübte, durfte sie nicht merken. Nie zuvor hatte eine Frau so heiße Gefühle in ihm entfacht. Bei diesem Gedanken dachte er an ihre Anklage, beinahe hätte er sie mit ihr selbst betrogen. Und dann entsann er sich, wie sie klatschnass aus der Wanne gestiegen war, mit schwarzer Farbe beschmutzt, ein wildes Feuer in den Augen. Sekundenlang musste er lachen. Doch die Belustigung erstarb sofort, wurde von der Erinnerung an ihren Blick verdrängt, während er sich angekleidet hatte. Nicht nur er schien süße Gefühle zu empfinden.

Lächelnd kniff er die Augen zusammen, um sie vor den grellen Sonnenstrahlen zu schützen, die das Wasser widerspiegelte. Dann steuerte er das Boot in den Wind und segelte die Küste entlang. Seit seiner frühen Kindheit liebte er das Meer. Nur hier draußen, mit Wasser und Luft vereint, fühlte er sich wirklich frei. Diese Flucht vor der Mühsal des Alltags erlaubte er sich nur selten, deshalb erschien sie ihm umso kostbarer.

Bis in den Nachmittag hinein kreuzte er vor den Buchten von Hawkforte. Die Fischer in ihren wendigen kleinen Kähnen aus gegerbten Tierhäuten winkten ihm zu. Ebenso wie der Kapitän eines Handelsschiffs, das sich dem Hafen näherte. Sobald er das Habichtswappen am Segel des Kutters entdeckte, ließ er sein Banner einholen, um Seine Lordschaft zu begrüßen. Eine Herde fröhlicher Seehunde tollte vorbei. Kurz nachdem sie aus Hawks Blickfeld verschwunden waren, entdeckte er etwas anderes in den Wellen – eine dunkle, schlanke Gestalt, die den Kopf zu heben und ihn zu mustern schien. Sogar mehrere Schemen – aber vielleicht waren es nur Schatten, denn sie verflüchtigten sich blitzschnell.

Über seinem Boot kreisten Möwen und beobachteten glänzende Heringe, die wie Silberpfeile unter der Wasseroberfläche umherwirbelten. Auch die Seelöwen und die Fischer folgten ihnen. Schimmernde Netze wurden ausgeworfen und mit reicher Beute wieder in die Fischerboote gezogen.

Während die Sonne nach Westen wanderte, segelte Hawk zur Küste zurück. Diesen freien Tag hatte er sich gestohlen, und er empfand keine Reue, denn die Mußestunden hatten eine bedeutsame Veränderung in ihm bewirkt. Jetzt fühlte er sich besser für die Auseinandersetzung mit seiner tückischen Braut gewappnet als an diesem Morgen. Er freute sich sogar darauf, und die heitere Stimmung hielt an, bis er den Hafen etwas deutlicher sah.

Daria erwartete ihn auf dem Kai. Beim Anblick ihrer hageren Gestalt musste er an ein Unheil verkündendes Gespenst denken. Beinahe hätte er sein Boot wieder aufs Meer hinausgesteuert. Nur seine eiserne Disziplin befähigte ihn, seinen Kutter zu vertäuen und die steinerne Treppe hinaufzusteigen.

Kaum hatte er die oberste Stufe erreicht, als Daria auch schon tief Atem holte. Wie einen Giftpfeil schleuderte sie ihm ihre Klage entgegen. »Weißt du’s schon? Natürlich, du musst es wissen! Wie kann sie es wagen? Welches Spiel treibt dieses alberne Mädchen? Wenn ich mir vorstelle, was für eine schreckliche Beleidigung sie dir zugefügt hat...« Stöhnend presste sie eine Hand auf ihre Brust, als hätte sie eine Hauptrolle in einem schlechten Theaterstück übernommen. »Warum lässt du sie nicht auspeitschen, mitsamt ihrer grauenvollen Dienerschaft? Wie soll sie jemals lernen, die Pflichten der Herrin von Hawkforte zu erfüllen, wenn du diese Respektlosigkeit duldest?«

Schon seit langer Zeit kannte Hawk die Lebenselixiere seiner Halbschwester – bitteren Zorn und Missgunst. Davon ließ er sich nicht beeindrucken. »Beruhige dich, Daria. Vor lauter Zorn überschreitest du deine Grenzen. Was geschehen soll, entscheide einzig und allein ich.«

»Ja, natürlich.« Durch gesenkte Wimpern schaute sie ihn in heuchlerischer Demut an. »Wie dumm von mir... Aber was hat sie sich nur dabei gedacht? Vielleicht ist sie nicht ganz richtig im Kopf. Du musst herausfinden, was sie zu diesem Täuschungsmanöver veranlasst hat...«

Mit schnellen Schritten ging er den Kai entlang. Um an seiner Seite zu bleiben, musste Daria laufen. »Außer mir braucht sich niemand für ihre Beweggründe zu interessieren. Für dich und alle anderen genügt die Erkenntnis, wer sie ist. An meinem Entschluss, Lady Krysta zu heiraten, wird sich nichts ändern. Erstens wird diese Ehe den Frieden sichern, zweitens bringt sie mir eine beträchtliche Mitgift ein. Damit kann ich die Verteidigungsbastionen von Hawkforte vor dem nächsten Kampf gegen die Dänen verstärken. Das ist am allerwichtigsten. Hast du mich verstanden?«

Sekundenlang flackerte ein seltsames Licht in ihren Augen, erlosch aber so schnell, dass er glaubte, er hätte sich geirrt. »Gewiss, das verstehe ich«, antwortete sie. »Du hast nie einen Hehl daraus gemacht, was du wichtig findest und was nicht. Nur aus Sorge um dich möchte ich die Schwierigkeiten erwähnen, die vielleicht auf dich zukommen. Nach dieser verrückten Maskerade werden die Leute deiner Braut voller Argwohn begegnen. Darauf solltest du dich vorbereiten.«

Obwohl er versucht war, die Warnung zu missachten, musste er seiner Schwester Recht geben. Zumindest würden seine Untertanen überrascht und verwirrt sein. Da sie ihm treu ergeben waren, könnten sie Krysta wegen ihrer Hinterlist sogar verdammen. Bei diesem Gedanken runzelte er die Stirn. Wenn sie auch eine Strafe verdiente – die Bewohner von Hawkforte mussten ihre künftige Herrin respektieren. Was das betraf, würden sie seiner Weisung folgen. Also blieben ihm nicht allzu viele Möglichkeiten, was seine Vergeltungsmaßnahmen betraf. Noch ein Problem, das die Lady heraufbeschworen hatte. Und sie waren noch nicht einmal verheiratet. Kein gutes Omen für die Zukunft...

Als er seine Schritte beschleunigte, konnte Daria ihm nicht mehr folgen. Kurz danach betrat er den Hof der Festung, wo wie üblich reges Leben und Treiben herrschte. Aber Hawk ließ sich nicht täuschen, er sah die verstohlenen Blicke, die ihm von allen Seiten zugeworfen wurden. Offenbar hatte sich die Neuigkeit bereits herumgesprochen. Vor lauter Neugier würden die Leute fast platzen, waren aber klug genug, in seiner Gegenwart den Mund zu halten.

Nur kurzfristig erwog er, mit seiner schuldbeladenen Braut zu reden. Nein, dieses zweifelhafte Vergnügen wollte er sich für später aufheben. An diesem Morgen hatte er sein Bad nicht beendet, und seither war er mit reichlich salziger Gischt bespritzt worden. Seine Tunika fühlte sich steif und kratzig an. Und so suchte er Zuflucht in seiner Sauna, nachdem er einem Diener befohlen hatte, ihm frische Kleidung zu bringen.

Halb unter der Erde, mit einem steinernen Dach, wäre die Kammer kühl und feucht gewesen, hätte kein Feuer in einem Eisenkasten gebrannt. Darüber lagen glatt polierte Steine. Hawk warf noch etwas Holz in die Flammen. Mit einem Schöpflöffel goss er Wasser auf die Steine, bevor er sich auszog. Er wusch seinen ganzen Körper, dann streckte er sich auf der Bank aus, und die wohltuende Hitze beschwor Erinnerungen herauf. In dieser Sauna hatte sein Schwager mit dem passenden Namen Wolf erklärt, auch Hawk sollte das Bündnis zwischen Norwegern und Sachsen mit einer Heirat festigen. Ein starkes Wikingerheer im Rücken, war Wolf nach Hawkforte gekommen, um seine Gemahlin Cymbra, die Schwester des Festungsherrn, zurückzuerobern. Hawk wurde immer noch von Gewissensbissen geplagt, weil er sie aus Wolfs Burg Sciringesheal entführt hatte. Dorthin war sie als Gefangene des Jarls gebracht und später seine innig geliebte Ehefrau geworden. Das hatte Hawk nicht verstanden und sie an Bord seines Schiffs gelockt – mit List und Tücke, könnte man behaupten. Bei diesem Gedanken seufzte er unbehaglich. Damit ließ sich die jetzige Situation nicht vergleichen. Immerhin hatte er damals geglaubt, es wäre richtig, Cymbra nach Hause zu holen. Aber was mochte Krysta zu ihrem Täuschungsmanöver bewogen haben?

Zweifellos hatte sie sich inzwischen eine Rechtfertigung ausgedacht, vielleicht sogar mehrere. Doch er wollte ihre wahren Motive erfahren, wenn er auch nicht erwarten durfte, das würde ihm gelingen. Darüber grübelte er, bis sein Magen knurrte. Seit dem Morgen hatte er nichts gegessen, inzwischen neigte sich der Tag dem Abend zu, und er konnte nicht für immer in der Sauna bleiben. Er griff nach den sauberen Kleidern, die der Diener bereitgelegt hatte, ging zu einem nahen Teich und nahm ein erfrischendes Bad. Als er aus dem kalten Wasser auftauchte, fühlte er sich gestärkt und bereit für alles, was auf ihn einstürmen würde. Das hoffte er zumindest.

In seiner Halle angekommen, schaute er sich um. Die Dienstboten bereiteten die Mahlzeit vor und musterten ihn nur kurz, bevor sie wieder ihre Pflichten erfüllten. Zu seiner Erleichterung war Daria noch nicht erschienen. Zögernd blieb er stehen und wünschte, Edvard würde herbeieilen und irgendeine Angelegenheit erwähnen, die Hawks sofortige Aufmerksamkeit erforderte.

Da sich der Verwalter nirgends zeigte, stieg Hawk die Treppe zu seinem Turm hinauf, nicht so schnell wie normalerweise, die Blicke der Dienerschaft im Rücken, keineswegs eifrig bestrebt zu entdecken, was ihn da oben erwartete.

Seine Tür war angelehnt, und er öffnete sie so vorsichtig, als würde er sich Zugang zu einer dänischen Festung verschaffen. Lautlos schwang sie an gut geölten Angeln auf. Der Raum sah aus wie am Morgen, nur ordentlicher. Inzwischen hatte man die Wanne entfernt und alle Spuren des spektakulären Bads beseitigt. Auf dem schlichten Holztisch, an dem er sich niederzulassen pflegte, um Geschäftspapiere und die Korrespondenz aus Winchester zu studieren und gelegentlich ein paar Stunden für seine geliebten Bücher zu erübrigen, lag auch jetzt ein Buch. Aber nicht er selbst beugte sich darüber. Seine trief nasse, mit schwarzer Farbe beschmutzte Verlobte war verschwunden. Da saß an ihrer Stelle ein Geschöpf aus Sonnenlicht und Meeresschaum, sicher nicht menschlich, oder doch, falls das heftige Erröten bei seinem Anblick darauf hinwies.

Langsam schloss sie das Buch – sehr sorgfältig, wie er feststellte – und erhob sich, als würde sie ihm lieber stehend begegnen. Sie versuchte zu lächeln, was kläglich misslang. »Mylord...«

Die Stimme klang unverändert, sanft und kehlig. Während er die junge Frau etwas genauer betrachtete, merkte er, dass auch die äußere Erscheinung fast gleich geblieben war. Die Augen schimmerten immer noch in jenem einzigartigen Grün, das er nie zuvor gesehen hatte. Auf der Nase sah er die gewohnten Sommersprossen. Das beruhigte ihn. Sonst hätte er seine Braut wohl kaum wiedererkannt.

Schön fand er sie noch immer nicht, gemessen an seiner Schwester, die man für die schönste Frau in der christlichen Welt hielt. Aber die mangelnde klassische Schönheit ersetzte diese Lady durch ein gewisses Etwas, eine ganz besondere Ausstrahlung. Hawk starrte sie an, ertappte sich dabei und bemühte sich erfolglos wegzuschauen. Warum sollte er auch? Schließlich war sie seine Braut und seine Neugier verständlich.

»Was machst du hier?«

Sein schroffer Ton verwirrte Krysta. Und wie bedrohlich er aussah, hoch aufgerichtet, die Stirn gerunzelt. Irgendwie schien er die Außenwelt hereinzubringen, den Raum mit der Macht des Windes, des Meeres und der Erde zu füllen. Obwohl sie sich nicht fürchtete – kein bisschen –, wich sie einen Schritt zurück. Natürlich war das absurd, weil es keinen Fluchtweg gab. Sie wies auf das Buch. »Damit bin ich ganz behutsam umgegangen.«

Als er der Richtung ihres Blicks folgte, vertieften sich seine Stirnfalten. »Hast du gelesen?« Das war keine unsinnige Frage, denn viele Menschen begnügten sich damit, die kunstvollen Bilder und Schriftzeichen auf dem edlen Pergament solcher Werke zu bewundern, ohne die Worte zu verstehen.

Krysta nickte. Beklommen suchte sie in seinen Augen nach einer Missbilligung, entdeckte aber nichts dergleichen und atmete auf. Er wirkte nur überrascht.

»Welch eine erstaunliche Fähigkeit...« Mit der Erkenntnis, dass seine künftige Gemahlin lesen konnte und seine Freude an Büchern offenbar teilte, würde er sich später befassen. Jetzt wollte er feststellen, welche verborgenen Talente sie sonst noch besaß. »Was hältst du von dem Buch?«

»Nun, ich finde es sehr schön, aber bedrückend. Wer ist dieser – Boethius?«

»Ein Römer, der vor vielen Jahrhunderten lebte. Er liebte die Musik und die Mathematik. Seinen größten Trost fand er jedoch, wie dieses Buch besagt, in der Philosophie.« Gedankenverloren starrte Hawk den Ledereinband an. »Das schrieb er im Gefängnis, kurz vor seiner unverdienten Hinrichtung. Wenn ihn die Arbeit getröstet hat – umso besser.«

»So alt kann das Buch nicht sein«, meinte Krysta verblüfft. »Das Pergament fühlt sich neu an. Und einige Kommentare stammen aus unserer Zeit. Wie ist das möglich?«

»Die Kommentare hat Alfred verfasst, übrigens auch die Übersetzung. Er schätzt Boethius sehr, wenn er auch nicht in allen Punkten mit ihm übereinstimmt. Unserem König verdanken wir aufschlussreiche Kopien von diesem Buch und anderen. Allen Menschen, die lesen gelernt haben, stehen sie zur Verfügung, oder denen, die sich daraus vorlesen lassen und klug genug sind, um den Inhalt zu würdigen.«

»Also ist Euer König nicht nur ein Krieger, sondern auch ein Gelehrter. Jetzt verstehe ich besser, warum Ihr ihm dient.«

»Das ist meine Pflicht.«

»Nur die Pflicht bewirkt Eure Loyalität?«, fragte sie leise. Sie wusste, dass sie in seine Privatsphäre eindrang. Doch sie musste es wagen, denn sie wollte sich ein Urteil über den Mann bilden, der ihr Schicksal entscheiden würde. »Inspiriert Euch nichts anderes?«

Es dauerte eine Weile, bis Hawk ihr eine wohl überlegte Antwort gab. »Vor der Treue steht das Vertrauen – das unabdingbar ist.«

Aus ihren Wangen wich alle Farbe. Diese Anspielung verstand sie nur zu gut. Wie sollte er ihr vertrauen? »Erlaubt mir zu erklären...«

»Kannst du das?« Hawk lehnte sich an die Wand neben dem Fenster, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, und erweckte den Eindruck, er wäre nur mäßig interessiert. Aber sie ließ sich nicht täuschen. Inzwischen kannte sie ihn gut genug und wusste, welch tiefe Gefühle sich hinter seiner gleichmütigen Fassade verbargen. »Darf ich raten? Du hast dich verkleidet, weil du fürchten musstest, die Dänen würden dich auf der Reise gefangen nehmen. Nach der Ankunft auf Hawkforte bewog dich mädchenhafte Scheu, deine Identität zu verheimlichen.«

Eine perfekte Begründung, der niemand widersprechen würde und die kein schlechtes Licht auf Krysta warf. Während sie überlegte, warum er ihr eine so leichte Lösung des Problems anbot, war sie fast versucht, nach dem rettenden Strohhalm zu greifen. Nur ihre Wahrheitsliebe hinderte sie daran. »Das klingt plausibel. Aber es stimmt nicht. Ich schlüpfte in die Rolle einer Magd, weil ich dachte, vor unserer Hochzeit sollte ich möglichst viel über Euch erfahren, die Dienstboten würden mir einiges erzählen, und dann könnte ich Euch eine bessere Gemahlin sein.«

Bevor er die gewohnte unergründliche Miene aufsetzte, bemerkte sie seine Verwunderung. »Gegen diese selbstlosen Absichten ist nichts einzuwenden«, erwiderte er ironisch. »Also hast du dich zu meinem Wohl maskiert?«

Wie dringend sie seiner Liebe bedurfte, mochte sie nicht gestehen. Verzweifelt suchte sie nach Worten. »Uns beiden käme eine erfolgreiche Ehe zugute – und unseren Völkern ebenso.«

Nun waren sie beim Thema Pflicht angelangt. Hawk trat näher zu ihr und freute sich, weil sie nicht zurückwich. Langsam hob er eine Hand und berührte ihr glänzendes Haar. Solche dichten Locken hatte er noch nie gesehen – so reizvoll zerzaust, als wäre der Wind darüber hinweggetanzt. Unter seinen Fingern fühlten sie sich wie Seide an. Unwillkürlich lächelte er, weil sie versucht hatte, ihre Haarpracht mit einem Band zu zügeln. Inzwischen war es verrutscht, in den Löckchen verfangen. Er atmete den Duft ihrer Haut ein und erinnerte sich an Rosen, die nur am Meer wuchsen und die frische Salzluft mit ihrem Aroma bereicherten. In ihrem schlanken Hals pochte der Puls. Eine Zeit lang starrte er darauf, dann seufzte er und rückte ihr Haarband zurecht.

»Wohin ist Euer Zorn entschwunden?«, flüsterte sie.

Danach fragte er sich auch, gab es aber nicht zu. »Der muss warten, bis ich entschieden habe, ob ich ihn brauche.«

Tiefe Gefühle, dachte sie wieder und nickte. Die schwache Hoffnung, am Morgen geschöpft und im Lauf des Tages fast begraben, kehrte zurück und schimmerte in ihrem Herzen wie eine winzige Perle.

»Komm«, befahl er und streckte eine Hand aus.

Am Strand war sie vor seiner Berührung zurückgeschreckt, als hätte sie sich verbrannt. Jetzt legte sie ihre Hand ohne Zögern in seine.

Wikinger der Liebe / Wikinger meiner Träume

Подняться наверх