Читать книгу Wikinger der Liebe / Wikinger meiner Träume - Josie Litton - Страница 11

Kapitel 5

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Mit einem Schreckensschrei fuhr Krysta aus dem Schlaf empor und bekämpfte das bleischwere Gewicht auf ihrer Brust. Verzweifelt schlug sie um sich und trat nach dem Ungeheuer, das sie zu erdrücken drohte.

»Hatschiiii!«

Aus der Matratze, auf die ihre Fäuste trommelten, hatten sich Federn gelöst, kitzelten ihre Nase, und sie musste niesen. Das verscheuchte die Nebel aus ihrem Gehirn. Als sie wieder halbwegs klar denken konnte, fiel ihr ein, wo sie war. Verärgert über ihre Dummheit, richtete sie sich auf und schob die dicke Pelzdecke beiseite. Nur gut, dass niemand ihr albernes Verhalten beobachtet hatte.

Sie saß in einem komfortablen breiten Bett. Wie man ihr erklärt hatte, wurde es von König Alfred benutzt, wenn er Hawkforte besuchte. Nun bewohnte Krysta das Gemach in einem der niedrigeren Türme, das stets für den Herrscher bereitgehalten wurde. Immer noch leicht benommen, schaute sie sich um. Am vergangenen Abend hatten nur die Fackeln in den Händen der Dienstboten, denen sie hierher gefolgt war, und kupferne Kohlenbecken den Raum erhellt. Wie eine Schar gespenstischer Tänzer war der Widerschein der Flammen über die Wände gehuscht.

Jetzt betrachtete Krysta die verschwenderische Einrichtung im gleißenden Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinströmte. Nun bewunderte sie die reich geschnitzten Möbel, die kostbaren Wandbehänge, die dicken Teppiche. Auf dem Bett mit den üppig bestickten Vorhängen häuften sich die Pelze, die ihr in einem Albtraum den Atem genommen hatten.

Noch nie in ihrem Leben hatte sie ein so luxuriöses Schlafzimmer gesehen – und sie war noch nie so allein gewesen. Raven oder Thorgold hatten sich stets in ihrer Nähe aufgehalten. Und nun wusste sie nicht einmal, wo sich die beiden befanden. Seit sie am letzten Abend in die Halle gegangen war, hatte sie ihre Freunde nicht mehr gesehen. Sie hatten kein einziges Wort wechseln können. Seufzend streifte sie das Nachthemd nach oben, das über ihre Schulter hinabgerutscht war. Sie erinnerte sich an den Augenblick, als sie am Arm des Festungsherrn die Halle betreten hatte. Die Neugier der Leute war nahezu greifbar gewesen, und sie hatte beinahe geglaubt, Hawk müsste sein Schwert benutzen, um seiner Begleiterin und sich selbst einen Weg hindurch zu bahnen. Aber er ging einfach weiter, ohne die Gaffer zu beachten, die Krysta zweifellos verdammen würden, hätten sie im Blick Seiner Lordschaft eine Aufforderung dazu gelesen. Vor seiner Tafel blieb er stehen und verkündete: »Lady Krysta von Vestfold.«

Mit keinem Wort erwähnte er ihre Verwandlung und gab auch keine Erklärung für ihre Maskerade ab. Stattdessen ließ er einen zweiten Thron, fast so groß wie sein eigener, an seiner Seite aufstellen. Als die Ritter erkannten, welche Ehre er seiner Braut erwies, nickten sie ihr zu, sprachen sie aber nicht an. Hin und wieder schauten sie verstohlen zu ihr herüber und schienen sich zu fragen, was für eine Frau das sein mochte, die den Herrn von Hawkforte heimtückisch getäuscht hatte und – so sah es zumindest aus – ungestraft davonkam.

Während der Mahlzeit brachte sie kaum einen Bissen hinunter. Zu mühelos erriet sie die Gedanken der Leute, die überlegten, ob sie eine strenge, anspruchsvolle Herrin wäre. Was sie dachten, wollten sie sich nicht anmerken lassen. Nur Daria machte keinen Hehl aus ihrer Meinung. Obwohl Vater Elbert beruhigend auf sie einsprach, warf die verbitterte Frau der Verlobten ihres Bruders immer wieder zornige Blicke zu, unfähig, die Wellen ihres Hasses einzudämmen.

Endlich war das Abendessen beendet. Vor Erleichterung fühlte sich Krysta ganz schwach. Hawk blieb mit den Kriegern an der Tafel sitzen und bedeutete einigen Dienstboten, seine Braut in ihr Zimmer zu geleiten. Als sie sich erhob, stand er ebenfalls auf. Über ihre Hand gebeugt, wünschte er ihr höflich eine gute Nacht vor den Augen eines faszinierten Publikums, das sofort zu tuscheln begann. An Schlaf ist nicht zu denken, fürchtete sie. Aber sobald ihr Kopf das Kissen berührt hatte, war sie eingeschlummert.

Und jetzt musste, nach dem hellen Sonnenschein zu schließen, später Morgen sein. So lange hatte sie noch nie geschlafen. Sie sprang aus dem Bett und sah sich nach ihren Sachen um.

Sorgsam zusammengefaltet, lag das Kleid ihrer Mutter auf einer Truhe am Fußende des Betts, die ihre restliche Garderobe enthielt. Ihr übriges Eigentum – wertvolle Bücher, glatt geschliffene Steine aus der Bucht vor ihrem Haus auf den nordischen Klippen und eine Kassette mit gepressten Blumen – war im Zimmer verteilt. Erstaunt fragte sie sich, welche gütige Seele ihr geholfen hatte, sich ein bisschen heimisch zu fühlen. Sie nahm ein Hemd, Strümpfe und ein schlichtes Tageskleid aus der Truhe. Auf einem Fenstertisch fand sie einen Krug mit warmem Wasser. Offenbar war ein Dienstbote hereingekommen, während sie geschlafen hatte. Weil man sie nicht für eine Faulenzerin halten sollte, wusch sie hastig ihr Gesicht und die Hände. Dann zog sie sich an. Noch bevor sie den Mut aufbrachte, die Tür zu öffnen, klopfte es.

»Herein!«, rief sie.

Eine junge Frau trug ein Tablett ins Zimmer und lächelte schüchtern. »Guten Tag, Mylady. Hoffentlich habt Ihr gut geschlafen. Ich bin Aelfgyth, Eure Zofe.«

»Meine – meine Zofe?«, stammelte Krysta. Vor lauter Verblüffung wäre ihr beinahe herausgerutscht, sie sei noch nie von einer Zofe bedient worden. Wenn Raven und Thorgold auch Dienstboten waren, hatte sie die beiden stets als ihre Freunde betrachtet, deren unabhängige Denkweise sie nicht störte. Die Befehle ihrer Herrin befolgten sie nur, wenn es ihnen gefiel, und sie gehorchten ihr niemals blindlings – genauso wenig, wie sie zum Mond fliegen würden. Was sogar wahrscheinlicher wäre. Aber sie fand, es wäre unklug, ihre mangelnde Erfahrung mit dienstbaren Geistern zu gestehen. »Wir werden sicher gut miteinander auskommen, Aelfgyth.« Erfreut musterte sie das Tablett, das die junge Frau auf den Tisch gestellt hatte – frisch gebackenes Brot, Beeren, ein Stück Käse. Dieses Frühstück hätte sie selbst auch gewählt.

»Wie mir Eure Dienerin erklärt hat, esst Ihr kein Fleisch, Mylady«, berichtete die Zofe etwas unbehaglich. Allem Anschein nach war das Gespräch mit Raven kein reines Vergnügen gewesen. »Sonst würde ich Euch etwas von der Wurst holen, die unsere Köchin in dieser Woche gebrüht hat, sie schmeckt köstlich.«

»Daran zweifle ich nicht. Aber mit dieser Mahlzeit bin ich sehr zufrieden. Übrigens bin ich’s nicht gewöhnt, dass man mir das Essen ins Zimmer bringt, normalerweise schlafe ich auch nicht so lange.«

»Nun, der gestrige Tag war ziemlich ereignisreich und ermüdend«, bemerkte Aelfgyth diplomatisch. Nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: »Wenn es Euch beliebt, Mylady – der Verwalter erwartet Euch.«

Der Respekt einflößende Edvard?

Krystas Verblüffung musste offensichtlich gewesen sein, denn die Zofe fuhr fort: »Bevor Lord Hawk auf den Turnierplatz ging, wo er Waffenübungen mit seinen Männern abhält, beauftragte er Edvard, Euch durch die Burg zu führen und alle Eure Fragen bezüglich des Haushalts zu beantworten.«

Also sollte nicht Daria, sondern der Verwalter die neue Herrin über die Gepflogenheiten von Hawkforte informieren. Krysta glaubte nicht, dass ihn diese Aufgabe beglückte, war aber froh, weil ihr die Gesellschaft der künftigen Schwägerin vorerst erspart blieb.

Um ihn nicht noch länger warten zu lassen, frühstückte sie in aller Eile und verließ das königliche Gemach. Sie sah ihn auf den Stufen zur Haupthalle sitzen, wo er gerade ein Geschäftspapier studierte. Bei ihrer Ankunft sprang er auf, schob die Pergamentrolle in seine Tunika und verneigte sich. Der Blick, den er mit Aelfgyth wechselte, wäre Krysta entgangen, hätte eine wachsende Nervosität ihre Sinne nicht geschärft.

Als er die Zofe lächeln sah, hob er die Brauen, senkte sie wieder und schenkte der Braut des Festungsherrn seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Guten Morgen, Mylady. Habt Ihr gut geschlafen?«

»Ganz ausgezeichnet und viel zu lange. Wie ich von Aelfgyth erfahren habe, werdet Ihr mir das Haus zeigen.«

»Ja, auf die Anordnung Seiner Lordschaft.« Edvard runzelte die Stirn und unterbrach sich. Diese bemerkenswerte Frau hatte straflos seinen Herrn hintergangen, obwohl Lord Hawk in ganz England für seine gnadenlose Rache an allen Leuten bekannt war, die seinen Unmut erregten. Also schien Lady Krysta seine besondere Wertschätzung zu genießen, deshalb hielt der Verwalter eine Erklärung für angemessen. »Das würde er selbst übernehmen, müsste er sich nicht an den Waffenübungen beteiligen. In unseren unruhigen Zeiten hat diese Pflicht absoluten Vorrang. Hawkforte mag den Eindruck einer friedlichen Festung erwecken. Doch der Friede wird nur durch unablässige Wachsamkeit und Disziplin gewährleistet. Glücklicherweise ist Lord Hawk seinen Kriegern in beiden Tugenden ein leuchtendes Beispiel.«

Nachdem Krysta diesen umständlichen Ausführungen etwas mühsam gefolgt war und daraus schloss, der Verwalter wollte ihr zu verstehen geben, die Abwesenheit ihres Bräutigams dürfe sie nicht kränken, versicherte sie, seine Begleitung sei ihr willkommen. Insgeheim fühlte sie sich sogar erleichtert, weil sie ihrem formidablen Verlobten vorläufig nicht begegnen musste.

Edvard erwähnte Daria nicht, und sie ließ sich auch nirgends blicken, während sie durch Hawkforte wanderten. Zunächst besuchten sie die kühle Molkerei mit den dicken Steinmauern, die halb unter der Erde lag, dann die Werkstätten, wo Wolle gesponnen, gewebt und gefärbt wurde; die Räucherkammer und die Vorratslager, die Schmiede und den Schuppen, wo man Holz sägte und verarbeitete; die Gerberei und die Getreidemühle und schließlich die Taubengehege an der Spitze eines der Türme. Neugierig, aber zurückhaltend begrüßten die Festungsbewohner ihre künftige Herrin. Edvard musterte die Leute mit strengem Blick, der ihnen klar machen sollte, wer und was sie war. Als müssten sie trotz der Klatschgeschichten, die sie heraufbeschworen hatte, daran erinnert werden... Gelegentlich spähte sie über die Schulter, um sich zu wappnen, falls Hawk auftauchte. Aber er blieb verschwunden.

Im Lauf der stundenlangen Besichtigung ihres neuen Heims wurde die Sorge allmählich von Ungeduld verdrängt. Ging er ihr absichtlich aus dem Weg? »Dauern Lord Hawks Waffenübungen immer so lange?«, fragte sie und beobachtete die Tauben, die in ihren Käfigen umherflogen.

Die Frage verwirrte Edvard. Nur widerstrebend beendete er seinen Bericht über die Vorzüge der Essex-Trauben, die immer noch in den alten Weingärten der Römer wuchsen, gegenüber den Reben im milderen mediterranen Klima. »Nun, diese Übungen sind sehr wichtig. Immerhin kommandiert Lord Hawk eine sehr große Garnison, und es wäre nicht ratsam, die Männer sich selbst zu überlassen.«

»Wohl kaum.« Krysta wandte sich ab und blickte über die Mauer des Turms hinweg. Zwischen diesem Teil der Burg und dem Meer lagen goldgelbe Felder, gepflegte Obst- und Weingärten und Wälder. Ihren Augen, an raue nordische Landschaften gewöhnt, erschien diese Fülle wie ein Märchen.

»Hier sah es nicht immer so aus«, bemerkte Edvard. »Früher lagen die Felder brach, zertrampelt und leblos. Die Stadt bestand nur mehr aus verkohlten Ruinen. Und die Menschen, die in unserer Festung Zuflucht gesucht hatten, klammerten sich an die schwache Hoffnung, die Dänen könnten vertrieben werden.«

»Bevor König Alfred die Feinde besiegt hat?«

»Ja, bevor Männer wie Lord Hawk mit ihm ritten und an seiner Seite in zahllosen Schlachten kämpften. Tagelang kamen sie nicht aus den Sätteln heraus, fanden keinen Schlaf und mussten hungern, bis sie glaubten, auf dieser Welt würde es nichts mehr geben außer Blut und Tod.« Eine Brise wisperte während eines kurzen Schweigens und erstarb, als Edvard hinzufügte: »Davon spricht Lord Hawk niemals. Andere prahlen mit ihren Heldentaten, er erwähnt seine Erfolge mit keinem Wort. Obwohl er noch ein halbes Kind war, kämpfte er mit der Kraft eines Mannes und sah Dinge, die ein so junger Mensch nicht sehen dürfte. Alfred nannte ihn den größten Krieger unseres Zeitalters und bot ihm den höchsten erdenklichen Lohn an. Wisst Ihr, was sich Lord Hawk wünschte?«

»Nein.«

»Er wollte heimkehren, dieses Land heilen, in der Hoffnung, darin würde auch er gesunden.«

»Habt Ihr mit ihm gekämpft?«, fragte Krysta zutiefst bewegt.

»Das war unmöglich, denn ich war damals noch ein Baby, und meine Eltern versteckten sich mit mir im Wald. Damit ich die schweren Zeiten überlebte und die Milch meiner Mutter nicht versiegte, kochte sie täglich einen Sud aus Wurzeln und Rinde, der sie mehr schlecht als recht ernährte. Seiner Lordschaft verdanken wir den Frieden in unserem Land. Aber er gönnt sich keine Ruhe. Nur der Ruhm seiner gewaltigen Kampfkraft hält die Dänen fern. Das weiß er. Und deshalb spornt er sich selbst und seine Männer unentwegt an, auf dem Turnierplatz, auf der Jagd, überall, wo dänische Spione umherschleichen.«

»Spione?«

»Glaubt Ihr, die Dänen würden sich so leicht geschlagen geben und den Verlust dieser Gebiete widerstandslos hinnehmen? Wie festgebundene Stiere scharren sie auf dem Boden und warten auf das erste Zeichen unserer Schwäche, um uns wieder anzugreifen.«

»Daran habe ich nicht gedacht«, gab Krysta zerknirscht zu. Nicht nur ihre Augen sahen, wie prächtig dieses Land blühte und gedieh. Das erkannten auch andere, und sie würden begierig danach trachten.

»Dann denkt jetzt darüber nach, Mylady«, empfahl ihr der Verwalter. »Nur der Ruf des gefürchteten Lord Hawk schützt uns. Jede noch so kleine Schwäche könnte eine Katastrophe auslösen.«

Den Kopf stolz erhoben, wandte sie sich zu ihm. »Ich entdecke keine Schwäche an Lord Hawk.«

»Und Ihr würdet auch keine heraufbeschwören.« In seiner Stimme schwang ein bedeutsamer Unterton mit.

»Natürlich will ich ihm eine gute, treue Ehefrau sein«, erwiderte sie sanft, denn sie spürte, dass seine Kühnheit nur der Loyalität gegenüber seinem Herrn entsprang.

Da nahm die strenge Miene des jungen Mannes etwas weichere Züge an. »Hoffen wir auf Euren Erfolg, Mylady. Hier leben weder Männer noch Frauen oder Kinder, die ihm nicht das Beste wünschen.«

Was die Leute von ihr erwarteten, belastete Krystas Seele. Sie atmete erleichtert auf, als der Rundgang wenig später beendet wurde. Bis zum Abendessen wollte sie die erholsame Einsamkeit in ihrem Zimmer genießen und überdenken, was sie gesehen und erfahren hatte. Aber in der Haupthalle lauerte ihr Daria auf.

Plötzlich tauchte sie aus den Schatten auf und erschreckte Krysta, die einen leisen Schrei ausstieß. »Oh – Daria, ich habe Euch nicht gesehen.«

Auf den schmalen Wangen der älteren Frau zeigten sich zwei rote Flecken und hoben den unheimlichen Glanz in ihren Augen hervor. »Zweifellos seid Ihr mit frivolen Gedanken beschäftigt und nehmt Eure Umgebung gar nicht wahr«, fauchte sie und verzog spöttisch die Lippen. »Was für eine Närrin Ihr seid! Wenn Ihr vernünftig wärt, würdet Ihr sofort abreisen.«

Hätte jemand anderer diese unhöflichen Worte ausgesprochen, wäre Krysta überrascht gewesen. Aus Darias Mund wirkten sie so natürlich wie der Rauch eines Holzfeuers. »Das finde ich nicht.«

»Offenbar versteht Ihr die Situation nicht. Ihr habt Hawk erzürnt. Vor lauter Wut traut er seiner Selbstbeherrschung nicht, sobald er in Eure Nähe gerät. Eine törichte, selbstsüchtige kleine Gemahlin hatte er bereits, die nicht lange am Leben blieb. Mit dummen Frauen weiß er nichts anzufangen. Er liebt eine echte, vornehme Lady, die er geheiratet hätte, wäre es nicht zu diesem idiotischen Bündnis gekommen.«

So viele bestürzende Neuigkeiten auf einmal. Eine verstorbene Ehefrau, eine andere Lady, die er liebte? Sekundenlang glaubte Krysta, sie wäre in ein stürmisches, eiskaltes Meer geworfen worden. Doch sie fand einen Rettungsanker. Wenigstens in einem Punkt konnte sie Daria widersprechen. »Hawk grollt mir nicht. Sonst hätte er sich gestern Abend anders verhalten.«

»Vor seinen Leuten zeigt er keine Gefühle«, schnaufte Daria mit einer wegwerfenden Geste. »Aber er verbrachte den ganzen Tag auf dem Turnierplatz und hätte seine Männer beinahe in Stücke gehackt. Begreift Ihr wirklich nicht, was Ihr angerichtet habt?«

»Sicher nicht genug, um Eure Feindschaft zu verdienen, Daria.«

»Mein Gott, Ihr seid noch dümmer als Adda!«

Das Gift, das Daria verspritzte, schien die Luft ringsum zu verpesten. Aber das hinderte Krysta nicht daran zu fragen: »Wer ist Adda?«

»Wer war sie?«, wurde sie triumphierend verbessert. »Hawks erste Gemahlin, dieses weinerliche Kind. Für uns alle war ihr Tod eine Erlösung.«

»Wie ist sie gestorben?«

»Sie stürzte von einer Klippe. Da draußen.« Daria zeigte zum Meer. »Ein Glück, dass wir sie loswurden! Was Besseres hat sie nicht verdient. Nicht einmal ihre Leiche konnten wir bergen. Da ihr ein anständiges Begräbnis verwehrt blieb, wird ihre verdammte Seele bis in alle Ewigkeit rastlos umherwandern. Das bekümmert Euch wohl kaum, weil Ihr keine Christin seid.«

»Doch, ich bin eine Christin. Nach dem Wunsch meines Vaters wurde ich im christlichen Glauben erzogen.« Was Krysta vermutete, behielt sie für sich. Nach ihrer Ansicht hatte er jene Entscheidung getroffen, um sie vor dem vermeintlich schlechten Einfluss ihrer entschwundenen Mutter zu schützen.

Verwirrt zuckte Daria zusammen. Aber sie erholte sich sofort von ihrer Verblüffung. »Nun, das spielt keine Rolle. Wenn Ihr auch auf Euer Christentum pocht, in Eurem Herzen seid Ihr eine Heidin. Was anderes werden die Wikinger niemals sein. Deshalb leben sie im nordischen Frost, weit entfernt von der Gnade unseres Herrn.«

»Auch unser Land wurde von Gott erschaffen. Und ich bezweifle, dass Ihm Eure albernen Vorurteile gefallen. Würde Er irgendeines Seiner Völker verachten, hätte Er Seinen Sohn nicht auf die Erde geschickt, um alle Menschen zu erlösen.«

Ein paar Sekunden lang stand Daria völlig unter dem Bann ihrer Wut. Wortlos und unbewegt starrte sie Krysta an, von unverhohlenem Hass beherrscht. Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich. Dann öffnete die ältere Frau den Mund, aber es dauerte noch eine ganze Weile, bis ihr die Stimme wieder gehorchte. »Nehmt Euch in Acht, wenn Ihr von unserem Herrn sprecht! Sonst werden feuchte Frösche über Eure Lippen springen und allen Leuten verraten, was für eine elende, verfluchte Hexe Ihr seid.«

Nicht einmal dieser Xanthippe hatte Krysta eine solche Niedertracht zugetraut. Jetzt war die Grenze ihrer Geduld überschritten. Ihr ganzes bisheriges Leben hatte sie mit Menschen verbracht, die sie liebten. Doch die behütete Kindheit und frühe Jugend hatten sie nicht geschwächt. Ganz im Gegenteil, darin lag ihre innere Kraft.

»Genug, Daria«, entgegnete sie ruhig und würdevoll. »Wegen der Dämonen, die in Eurer Seele nisten, bedaure ich Euch. Aber ich werde Euch nicht gestatten, so mit mir zu reden. Damit beleidigt Ihr auch Hawk, meinen künftigen Gemahl. Wenn Ihr meine Warnung beherzigt, werden wir uns vielleicht vertragen.«

»Niemals!«, zischte Daria. Abrupt kehrte sie Hawks Verlobter den Rücken zu und stolzierte davon. Hinter ihr vibrierten Zorn und Hass in der Luft.

Krysta trat an ein Fenster und atmete die erfrischende, beschwichtigende Salzluft ein. Dann setzte sie sich auf das Sims und betrachtete das Meer. Wenn es auch eine hoffnungslose Fantasie war, wünschte sie doch, sie könnte über die zahllosen Meilen hinweg in ihre geliebte Heimat schauen. Aber was würde ihr das einbringen außer einer unstillbaren Sehnsucht?

»Was bedrückt Euch?«, fragte Raven, nahm neben ihr Platz und musterte sie mit ihren durchdringenden schwarzen Augen, denen nichts entging. »Wäre Euer Gesicht noch länger, würde es bis zu den Knien herabhängen. Sah ich Euch nicht erst gestern in all Eurem Glanz an der Seite Eures stolzen Herrn, der nicht den geringsten Groll zeigte?«

Krysta hob die Schultern, konnte ihr Selbstmitleid aber nicht abschütteln. Wie eine Klette schien es an ihr zu kleben. »Und was bedeutet das nach deiner Meinung? Dass alles gut wird?«

Ungeduldig schnalzte Raven mit der Zunge. »Ich finde, Ihr seid viel besser dran, als zu erwarten war. Aber ich habe die Männer nie verstanden. Also, was bekümmert Euch? Nein, sagt nichts, ich hab’s erraten. Die grässliche Daria war hier und hat ihr Gift versprüht.«

»Ist das so offensichtlich?«

»O ja, für mich und alle anderen in dieser Festung. Die Leute reden nur noch davon, wie schön Ihr gestern Abend wart, wie Lord Hawk Euch ansah, wie Ihr ihn angesehen habt und so weiter.« So viel Dummheit bewog Raven, seufzend den Kopf zu schütteln. Dann warf sie Krysta einen prüfenden Blick zu. »Natürlich wagen sie nur zu flüstern. Die Macht liegt immer noch in den Händen dieser Frau. Und die will sie auch behalten.«

»Auf keinen Fall möchte ich Zwietracht unter dem Dach meines Bräutigams säen.«

»Oh, die steht längst in voller Blüte. Die Zwietracht ist alles, was dieses Knochengerüst kennt. An dieser Frau klebt keine Unze Fleisch, und sie verfolgt nur ein einziges Ziel, die Menschen zu quälen. Außerdem ist’s das gute Recht Seiner Lordschaft zu entscheiden, was in seinem Haus geschehen soll und was nicht. Nach allem, was ich gestern Abend beobachtet habe, begehrt er Euch.«

»Was keineswegs heißt, er würde mich lieben.«

»Angeblich, fängt die Liebe bei den meisten Männern mit der Leidenschaft an.« Als Raven merkte, dass ihre Worte die Herrin nicht trösteten, ächzte sie: »Seid Ihr nicht aus härterem Holz geschnitzt? Hat Euch diese Frau so entmutigt? Das glaube ich nicht.«

»Was sie mir erzählt hat, bereitet mir Sorgen. Lord Hawk war schon einmal verheiratet. Wusstest du das?«

Unbehaglich wich Raven dem Blick ihres Schützlings aus. »Da oder dort habe ich was gehört. Sie starb vor langer Zeit. Und die Leute sagen, er würde sie nie erwähnen.«

»Ebenso wenig seine Kämpfe gegen die Dänen. Damals war er noch blutjung. Trotzdem muss ihm jener Krieg viel bedeutet haben.«

»Seine Frau nicht, behaupten die Bewohner von Hawkforte. Nun hoffen sie, Ihr würdet Eure Sache besser machen, mein Mädchen.«

»Das würde mir sicher gelingen, wäre er nicht in eine andere verliebt.«

Ruckartig hob Raven das Kinn. »Was? Welche Frau liebt er denn?«

»Ihren Namen hat Daria nicht genannt. Sie teilte mir nur mit, Lord Hawk hätte beabsichtigt, eine echte, vornehme Lady zu heiraten.«

»Und Ihr nehmt diesen Unsinn für bare Münze? Was hat Euer Gehirn benebelt, Mädchen? Wenn er vorhatte, eine andere zu heiraten, heißt das keineswegs, er würde sie lieben. Liebe und Ehe haben nichts miteinander zu tun.« Hastig unterbrach sich Raven. »Nicht immer. Und wenn Daria von einer echten, vornehmen Lady spricht, bedeutet das wahrscheinlich, dass sie genauso verknöchert ist wie sie selber. Kein Wunder, dass sie Seine Lordschaft nicht vor den Altar gelockt hat! Eigentlich müsste er den Dänen auf den Knien danken, weil sie ihm so viel Ärger gemacht und dieses Bündnis verursacht haben.«

Endlich lächelte Krysta. »Du meinst, er wäre den Dänen dankbar? Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen.«

Aber dieser Gedanke gefiel ihr und amüsierte sie immer noch, nachdem Raven davongeeilt war. Tiefe Stille erfüllte die Halle. Noch hatten die Vorbereitungen für das Abendessen nicht begonnen. In den Sonnenstrahlen, die durch einige Fenster hereinströmten, tanzten Staubkörnchen. Krysta zog die Knie an, stützte ihre Arme darauf und blickte über Hawkforte hinweg. Seit der Besichtigungstour mit Edvard kannte sie die Festung etwas besser. Trotzdem blieb noch einiges zu entdecken. Von der Stadt unterhalb der Festung wusste sie fast nichts. Nach den zahlreichen neuen Häusern zu schließen, lebten die Bewohner im Wohlstand. Eine so große Gemeinde war ihr fremd und rätselhaft, und sie hatte nie erwartet, sie würde eines Tages von so vielen Menschen umgeben sein. Auch daran musste sie sich erst noch gewöhnen. Während sie überlegte, welchen Platz sie zwischen all den Fremden einnehmen sollte, kam Hawk in die Halle.

In ihre Gedanken versunken, sah sie ihn nicht. Aber er entdeckte sie sofort und blieb wie festgewurzelt stehen. Die Dienerin mit den glanzlosen schwarzen Haaren war verschwunden, ebenso die ätherische Göttin vom vergangenen Abend, jenes zauberhafte Geschöpf aus Meeresschaum und Sonnenlicht. An die Stelle dieser beiden trat eine ernsthafte, schlicht gekleidete junge Frau, die Wangen und die Stirn leicht gebräunt. Nachdenklich blickte sie vor sich hin. Sie wirkte traurig. Plötzlich empfand er das Bedürfnis, sie aufzuheitern. Ohne sich zu fragen, ob er diesem Impuls auch wirklich folgen sollte, durchquerte er den Raum und kniete neben ihr nieder. »Hat Edvard dich ermüdet?«

Verblüfft über seine unverhoffte Anwesenheit, hielt sie den Atem an. Obwohl er auf den Knien lag, erschien er ihr so groß, so stark. Sein Haar klebte am Kopf, die Bartstoppeln des vergangenen Tages verdunkelten sein Gesicht. Wie verschwitzt und schmutzig er aussah und einfach wundervoll... »O nein. Warst du die ganze Zeit auf dem Turnierplatz, Hawk?« Ohne lange zu überlegen, hatte sie sich zu der vertraulichen Anrede entschlossen.

Darüber freute er sich. Krystas leise Stimme durchströmte ihn wie eine Liebkosung. »Bis jetzt. Hast du alles gesehen?«

»Ja, ich denke schon«, erwiderte sie und lächelte schwach. »Edvard war sehr gründlich.«

»Das ist er immer.« Hawk erhob sich, und sie rückte beiseite, um ihm auf der Fensterbank Platz zu machen. »Was hältst du von Hawkforte?«

»Nun – die Festung ist sehr groß«, erwiderte sie hastig, bevor seine Nähe ihre klaren Gedanken verscheuchen konnte.

»Findest du?« Erstaunt runzelte er die Stirn. »Winchester ist wesentlich größer.«

»Kaum zu glauben. Mein Heim – mein früheres Heim – würde in eine Ecke dieser Burg passen. Und wenn mein Bruder auch eine riesige Festung bewohnt, leben dort langst nicht so viele Menschen wie hier.«

»Vor einiger Zeit war ich in Sciringesheal, eine ausgedehnte Stadt und ein geschäftiger Hafen.«

Krysta zögerte. Dann siegte ihre Neugier. Diese Gelegenheit musste sie nutzen, um etwas mehr über ihren zukünftigen Gemahl zu erfahren. »Stimmt es, dass du dorthin gesegelt bist, um deine Schwester zurückzuholen?«

Forschend schaute er sie an, aber er wirkte kein bisschen verärgert. »Wird das behauptet?«

»Allerdings, und an meinem ersten Abend auf Hawkforte sang der Barde ein Lied davon.«

»Ja, ich fuhr nach Sciringesheal, um Wolf zu töten. Nachdem er meine Schwester entführt hatte, fürchtete ich, sie wäre gestorben oder müsste schrecklich leiden. Deshalb wollte ich das Blut dieses Mannes an meinem Schwert sehen.«

»Und warum blieb er am Leben?«

»In einem Zweikampf hätten wir einander womöglich getötet. Aber Cymbra versicherte mir, sie sei glücklich und flehte mich an, ihr zu glauben. Stattdessen dachte ich, sie würde lügen, um mich zu schützen, lockte sie an Bord meines Schiffs und segelte heimlich mit ihr davon.« Hawk seufzte. »Ich rechne ihr hoch an, dass sie mir verzieh, ebenso wie Wolf, als er hierher reiste, um seine Frau zurückzuerobern. Damals kam er auf die Idee, die Norweger müssten ein Bündnis mit den Sachsen schließen, und er sicherte sich Alfreds Beistand. Den Rest der Geschichte kennst du.«

Zumindest konnte sie sich einiges zusammenreimen. Voller Begeisterung hatte Alfred das Bündnis und die Ehen begrüßt, die es festigen sollten. Was immer Hawk auch für die echte, vornehme Lady empfinden mochte, er würde sich niemals den Wünschen seines Königs widersetzen. »Ich freue mich über das Glück deiner Schwester und Lord Wolfs«, erklärte sie wahrheitsgemäß und verschwieg ihre Hoffnung auf ein ähnliches Schicksal.

»Ja, die beiden lieben sich sehr.« Nur stockend kamen die Worte über seine Lippen, als würde er solche Gefühle nicht verstehen, als wäre Liebe ein Begriff aus einer rätselhaften Fremdsprache.

Bleischwer sank neue Trauer in Krystas Seele. Doch sie ließ sich nichts anmerken. Wäre sie mutiger, würde sie ihn fragen, ob er an die Liebe glaubte. Doch sie fürchtete seine Antwort. Solange sie sich nicht Gewissheit verschaffte, durfte sie wenigstens träumen.

»Inzwischen habe ich über die Hintergründe deiner Maskerade nachgedacht«, verkündete Hawk.

Krampfhaft schluckte sie und wartete.

»Hast du’s tatsächlich nur getan, um mich besser kennen zu lernen?«

Sie nickte und holte tief Luft. »Damals fand ich meinen Plan vernünftig.«

Würde er sie verspotten? Oder durfte sie Hoffnung schöpfen?

»Vielleicht war dieser Gedanke gar nicht so unsinnig.«

Krysta hob die Lider. Erst jetzt merkte sie, dass sie die Augen geschlossen hatte, um stumm zu beten. »Meinst du das ernst?«

»Allzu viel darfst du nicht in meine Worte hineingeheimnissen. Ich will damit nur sagen, es wäre vorteilhaft, wenn wir uns schon vor der Hochzeit näher kennen würden.« Hastig fügte er hinzu: »Was keineswegs bedeutet, ich würde deine Handlungsweise billigen. Genau genommen war es eine verrückte Idee.«

Nach einer Weile begann sie zu lächeln. »In Vestfold gibt’s viele Hasen, große Tiere mit kräftigen Hinterbeinen, und sie können unglaublich weit springen. Die schlimmsten Wintermonate überleben sie in ihrem Bau unter der Erde, sie nehmen’s mit den gefährlichsten Raubtieren auf. Sogar mit den Habichten.«

Sein schallendes Gelächter überraschte sie genauso wie ihn selbst und erschreckte einen jungen Diener, der gerade ein schwer beladenes Tablett in die Halle trug. Beinahe hätte er seine Last fallen lassen, er stellte sie blitzschnell auf einen Tisch, bevor er sich in aller Eile entfernte.

»Wie ein Hase siehst du nicht aus«, bemerkte Hawk. Kein besonders nettes Kompliment, aber in solchen Dingen besaß er wenig Übung. Außerdem hatte Krysta ihn an Beine erinnert, er stellte sich lange, schlanke, seidige Beine vor, um seine Hüften geschlungen... »Jetzt muss ich ein Bad nehmen«, erklärte er und stand auf. Natürlich ergriff er nicht die Flucht, er brauchte nur ein bisschen Zeit für sich selbst, um die verblüffende Erkenntnis zu überdenken, dass seine Braut Humor hatte. Den schätzte er so hoch ein wie Intelligenz. Gegen die Schönheit einer Frau war er ebenso wenig immun wie jeder andere Mann. Aber Humor hielt er für eine der besten Gottesgaben.

Nur mühsam widerstand Krysta der Versuchung, ihn zu fragen, ob sie wieder seinen Rücken waschen sollte. Das wäre zu dreist. Entschlossen presste sie die Lippen zusammen, um sie gleich wieder zu öffnen, von einem Lächeln bezwungen. »Leider hat Edvard mir die Sauna nicht gezeigt.«

»Das werde ich tun – irgendwann. Beim Abendessen sehen wir uns wieder.« Er wartete, bis sie nickte, dann ließ er sie allein.

Später lag er im warmen Wasser, den Kopf an den Rand der Wanne gelehnt, und suchte an der Zimmerdecke nach Antworten. Wie lernte man eine Frau kennen? Und welche Vorteile würde man sich verschaffen, wenn man etwas mehr über sie wusste? Die Männer behaupteten, jede Frau zu kennen, die sie besessen hatten. Aber daran zweifelte er. Aus zahlreichen Betten war er gestiegen, ohne das Geheimnis der Frauen zu ergründen. Wenn man mit ihnen schlief, verstand man sie noch lange nicht. Und wenn Krysta fand, sie müssten ihre Bekanntschaft schon vor der Hochzeit vertiefen, wie sollte das geschehen?

Nur selten hatte er seine Zeit mit Frauen verschwendet. Die Einzige, die ihm etwas bedeutete, war Cymbra. Vor langer Zeit hatte er sie aus seiner Festung geschickt, um sie vor der sonderbaren Gabe zu schützen, die sie ihrer Heilkunde verdankte und die sie schmerzhaft befähigte, das Leid anderer zu empfinden. Nachdem sie sich dazu durchgerungen hatte, dieses Talent zu kontrollieren, hielt er sie immer noch von der Welt fern, denn er wusste, wie erbittert die Männer um sie kämpfen würden, sobald sie ihre Schönheit sahen. Inzwischen hatte Wolf dieses Problem gelöst. Dafür war er dankbar. Und nun war er mit einem neuen Problem konfrontiert. Wie sollte er Krystas Wesen erforschen?

Männer lernten einander auf dem Turnierplatz oder Schlachtfeld kennen. Im Heereslager entstanden Freundschaften, die ein Leben lang hielten, mochte es Stunden oder Jahrzehnte dauern. Er konnte Krysta wohl kaum auffordern, gegen ihn zu kämpfen, zumindest nicht mit einem Schwert. Die Gedanken an andere Kämpfe – oder Spiele – verdrängte er energisch. Wenn er sie verfrüht in sein Bett holte, würde er sie vor den Augen seiner Leute erniedrigen, und der kirchliche Segen wäre nur mehr eine belanglose Formalität.

Nicht, dass er der Versuchung widerstand... Das erkaltete Badewasser kühlte sein Verlangen nicht, es war unübersehbar. Allein schon die Erinnerung an Krysta erregte ihn. Aber eine Ehefrau durfte man nicht so behandeln wie eine Geliebte, mit der man sich kurzfristig vergnügte. Für eine dauerhafte Bindung brauchte man Geduld.

Sie konnte lesen. Ja, das wäre ein guter Anfang. Also würden sie über Bücher reden. Im Lauf seines Lebens hatte er über fünfzig Werke studiert. Davon würde er erzählen und Krysta beeindrucken, und dann würden sie...

Seufzend versuchte er, sich solche Gespräche auszumalen. Nun, vielleicht gab es bessere Methoden. Darüber dachte er nach, als ihn die rötlichen Sonnenstrahlen, die durchs Fenster hereinfielen, auf die späte Stunde hinwiesen. Er stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Dann ertappte er sich dabei, wie er eine Tunika in einer Farbe wählte, die Krysta vielleicht gefallen würde. Ärgerlich stöhnte er und warf sie in die Truhe zurück. Einige Sekunden später nahm er sie wieder heraus, zog sie an und redete sich ein, es wäre zu mühsam, etwas anderes hervorzusuchen.

Und so eilte der Herr von Hawkforte in die Halle hinab, um seine Braut zu erwarten.

Wikinger der Liebe / Wikinger meiner Träume

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