Читать книгу Stiefmütterchen Ost und Königskerze West - Jott H. Wangerin - Страница 16

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Gedanken vor dem Bäckerladen

1978

Spätestens Freitagabend richteten sich meine Gedanken nur noch auf das bevorstehende Wochenende. Und was ist ein Frühstück ohne frische Bäckerbrötchen?

Also stehe ich frühzeitig auf, lange wach im Bett herumliegen ist nicht meine Sache.

Bis zum Bäcker sind es nur wenige Minuten. Die Straße ist noch ziemlich leer. Einige kommen mir bereits mit frischen Brötchen entgegen. Die haben sich schon vor der Öffnungszeit angestellt, aber das mache ich nicht. Vielleicht brauche ich ja heute nicht so lange anzustehen. Aber lieber eine halbe Stunde anstehen, als eine Stunde später ohne frische Brötchen nach Hause kommen. Bei der gegenüber liegenden Bäckereigenossenschaft bräuchte ich nicht so lange anzustehen, aber ich mag deren Brötchen nicht. Sie sind längst nicht so frisch und knusprig wie die vom Privatbäcker! Woran mag das nur liegen? Leider denken so wie ich die meisten Brötchenholer, und ich reihe mich geduldig in die lange Schlange ein. Während des Anstehens beginnt um uns das Leben zu pulsieren. Die Bahnschranken schließen und öffnen sich einige Male. Auch ich rücke Fuß um Fuß vor. Jetzt stehe ich schon im Schaufensterbereich. Man kann das frische Brot sogar mit den Augen riechen!

Leider ist inzwischen so viel Zeit vergangen, dass die Kinder nicht mit am Frühstückstisch sitzen werden. Aber zu zweit ist es viel gemütlicher, keine Hektik, heißer Kaffee, ein oder zwei weichgekochte Eier und dazu die selbst gemachte Holundermarmelade auf den Brötchen. Kann es auf dieser Welt etwas Schöneres geben? Doch, es kann! Warum muss ausgerechnet ich anstehen, während laufend andere sich „hintenrum“ in der Backstube bedienen lassen. Was mögen diese Stammkunden für Beziehungen haben, denn ohne müssten sie sich auch hinten anstellen? Aber ich ertrage diese Demütigung geduldig. Von diesem und jenem weiß ich, weshalb er sich nicht anzustellen braucht. Z.B. ist er Heizer in der Gärtnerei, und Blumen braucht auch der arbeitsamste Bäcker hin und wieder. Seine Frau ist ja noch jung! Sein Auto kann auch nicht ewig ohne Werkstatt auskommen, denn der jetzt gerade mit einem Wäschekorb voller Brötchen aus dem Hintereingang heraus kommt, fährt mit Kleinbus von der Werkstatt vom Platz des Friedens vor. Wozu bemühen wir uns bloß, etwas aus unseren Kindern zu machen? Machte man nichts aus ihnen, brauchten sie sich nicht ein Leben lang hinten anzustellen. Beim Bäcker kriegt man ja zum Glück noch immer seine Brötchen, während man in anderen Geschäften immer öfter den stereotypen Satz, „Sie müssen immer mal wieder nachfragen“, zu hören kriegt. Wie glücklich könnten unsere Kinder sein, wenn wir sie gewähren ließen und nicht immer wieder zum Lernen zwingen würden?

Während erneut die Schranke geschlossen wird, kommt ein großer Pulk Westberliner Transitreisender vor dem Bäckerladen zum Stehen. Es ist unglaublich, welch Luxus sich auf vier Rädern präsentieren lässt! Und zur Sicherheit haben einige noch ein halbes Dutzend Fahrräder auf dem Dach. In Schweden muss es herrliche Radwege geben! Man muss den Blick gewaltsam losreißen. Verständnislos, nicht einmal mitleidig mustern die wohlgenährten Bundis unsere lange Schlange.

Brötchen und Milch wurden einem früher vor die Haustür gehängt, sicherlich ist es bei denen heute noch so. Trotzdem reden gerade sie vom vielen Stress. Was ist das eigentlich? Verrückte Welt! Das Unterste wurde nach oben gekehrt, der Besen wird aber immer noch am Stiel angefasst. Ein Glück, dass ich inzwischen den Laden betreten habe und mich an den knusprigen Brötchen ablenken kann!

Probleme gab es ständig. Wir lernten damit umzugehen und nahmen kaum noch Notiz von ihnen. Mit unseren Möglichkeiten machten wir unser Leben so schön, wie es eben ging, und wenn manches auch etwas länger dauerte, so war die Vorfreude auch etwas länger.

Sommerwind

Der Wind bläst warme Sommerluft,

Zu dir ins Zimmer ‘rein,

Vermischt den süßen Blütenduft,

Zu Sommerträumerei’n.

Altweibersommer

An einem warmen, stillen Ort,

Riss plötzlich uns die Liebe fort.

Am Ziel der Sehnsucht angekommen,

Wurd’ ein erfrischend Bad genommen.

Sturmtief

Wenn ich so stark wär’ wie der Wind,

Dann stürmte ich zu dir,

Zerzauste dir das Haar geschwind

Und schlummerte mit dir!

Doch wenn ich lange warten muss

Auf zärtlich’ Kuss von dir,

Dann fasst die Sonne wieder Fuß,

Und aus ist es mit dir!

Stiefmütterchen Ost und Königskerze West

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