Читать книгу Immer geradeheraus - Jörg Dahlmann - Страница 34
Konservativ, aber herzlich
ОглавлениеDas Team funktionierte, unter uns herrschte eine gute, harmonische Atmosphäre. Nun gut, die Artikel der SPD erschienen eher im unteren Teil auf Seite 2, Artikel über die Grünen landeten schon mal unveröffentlicht im Papierkorb, weil der Landfrauenausflug ins Warsteiner Werk wichtiger erschien. Aber sonst war alles gut.
Journalisten sind grundsätzlich – ich glaube, ich verrate da kein Geheimnis – „durstige“ Menschen. Ein Arzt hatte mir mal bei einem Körper-Check gesagt, dass ich für einen Journalisten eine erstaunlich gute Leber hätte. Warum erzähle ich das? Ja, auch einige aus der Führungscrew bei meinem neuen Arbeitgeber schauten gern mal ins Fläschchen. Und zum Frühstück fand sich auch schon mal warmer Korn statt Kaffee in der Tasse.
Vor allem der Montag war heftig. In Ostwestfalen lieben die Menschen Schützenfeste. Am Wochenende geht es schon rund, aber am Montag wird noch mal alles gegeben. Es gab unter uns ein Trio terrible, das alle Schützenfestdörfer im Umkreis abklapperte. Basisarbeit mal etwas anders. Aber nicht unklug. So erfuhren die drei oft Dinge, die sonst nie ans Tageslicht gekommen wären.
Allerdings, wenn sie dann am Montagnachmittag in die Redaktion torkelten, war Land unter. Dann hieß es „in Deckung gehen“.
Karl Friedrich war der Sportchef. Eine Hüne von Mensch. Seine Artikel und Kommentare waren einfach toll. Ich habe versucht, möglichst viel von ihm zu lernen, mir von ihm das Handwerkszeug abzuschauen. Ich werde ihm auf ewig dankbar sein, denn seine Formulierungsgabe und seine journalistische Ader waren umwerfend gut und sind für mich bis heute ein Vorbild.
Den Jungreportern, die gerne beim Fernsehen arbeiten wollen, empfehle ich auf jeden Fall, sich vorher die Grundlagen des Journalismus anzueignen. Wie formuliere ich eine Meldung? Wann ist eine Meldung eine Meldung? Ich glaube, diese Basis fehlt vielen, die nur das Rampenlicht und die Kameras suchen.
Einmal pro Woche, sonntags, machte ich beim feuchtfröhlichen Stelldichein mit. Sonntag ist echter Stresstag für Sportredakteure. Fußball, Handball, Ergebnisse, Tabellen, Spielberichte. Stress pur. Es muss zack, zack gehen. Wer lahm ist, ist für das Geschäft nicht geeignet. Und immer drückten die Setzer, die auf unser Material warteten. Die Seiten mussten bis zum Zeitpunkt X fertig werden.
Endlich war das Tageswerk geschafft. Dann klingelte es. In der Redaktion, die in einer wunderschönen alten Villa im Stadtzentrum untergebracht war, erschien Auge. Auge hatte auch einen normalen Namen, Ralf Stotz. Er war der Sohn des ehrenwerten Besitzers des Teutonia-Vereinslokals. Auge balancierte ein Tablett – und auf dem Tablett standen große Humpen, gefüllt mit herrlichem Warsteiner.
Vielleicht kennt ihr das noch aus der alten Cola-Werbung, wo ein hübscher Jüngling in ein heißes Büro eiskalte Cola liefert. Auge war für uns wie eine Fata Morgana. Er erschien in der Tür der Villa, eine Aura war um ihn. Dazu die süße Musik von Sirenen. Irgendwie kommt bis heute der Gedanke an die Seejungfrauen auf, die in „Fluch der Karibik“ die liebesgierigen Matrosen unter Wasser ziehen. Aber das Bild passt nicht. Schließlich ertranken die Matrosen. Und wir tranken lediglich. Ach herrjeh, kann Bier lecker sein.
Nach dieser Epiphanie wechselten wir in die Kneipe der Teutonen und feierten weiter. Die Arbeit war getan. Karl Friedrich brachte den Teutonia-Fans und -Spielern und -Funktionären die Ausgabe von morgen mit. Inklusive seines Spielberichts, der Spielerbewertung und des Kommentars. Man bedenke, damals gab es noch kein Internet. Jeden Sonntag torkelte ich heim. In meine kleine, aber schnuckelige Fachwerkhausbude, in deren Mitte ein Holzbalken war.