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2. Täter-Opfer-Differenz

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Die §§ 211, 212, 221 und 222 StGB bezeichnen als Opfer der Tötung einheitlich „einen Menschen“. Diese Textfassung ist ungenau, weil sie nicht zum Ausdruck bringt, dass das Tatopfer ein Mensch sein muss, der nicht der Täter selbst ist. Tötung bedeutet stets Tötung eines anderen Menschen. Täter und Opfer müssen also verschiedene Personen sein. Das gilt für alle Straftatbestände dieses Bereichs, auch für § 221 StGB und für § 222 StGB. Auch die Strafbarkeit wegen Teilnahme (Anstiftung, Beihilfe) an einem Tötungsdelikt setzt voraus, dass das Tatopfer mit dem Teilnehmer nicht identisch ist. Daraus folgt zunächst, dass die Selbsttötung nicht strafbar ist.[46] Ein Suizident, dessen Selbsttötungsversuch fehlgeschlagen ist, macht sich nicht wegen versuchten Totschlags (§§ 212, 22 StGB) strafbar. Heute ist es einhellige Auffassung, dass Selbsttötung bereits den objektiven Tatbestand des Tötungsdelikts nicht erfüllt.[47] Dies hat Konsequenzen für die strafrechtliche Beurteilung von Handlungen anderer Personen, die an der Selbsttötungstat aktiv mitwirken oder nicht gegen sie einschreiten. Wer dem Suizidenten hilft, indem er ihm z.B. das todbringende Medikament besorgt, macht sich nicht wegen Beihilfe zum Totschlag strafbar.[48] Denn es fehlt an der tatbestandsmäßigen Haupttat. Wer sich darauf beschränkt, den Selbsttötungsakt nicht zu verhindern, macht sich nicht wegen Beihilfe durch Unterlassen zum Totschlag strafbar.[49] Eine andere Frage ist, ob er sich als Garant wegen täterschaftlichen Totschlags durch Unterlassen strafbar macht. Dieselbe Frage kann sich auch bei aktiver Suizidunterstützung stellen: hat die vordergründig als Beihilfe erscheinende Handlung die strafrechtliche Qualität einer täterschaftlichen Fremdtötung? Die Mitwirkung an der Tat eines anderen Menschen, die dessen eigenes Leben gefährdet oder vernichtet, kann eine tatbestandsmäßige Fremdlebensgefährdung (§ 221 StGB) oder Fremdtötung (§§ 211, 212 StGB) sein. Es handelt sich um eine Erscheinungsform der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB), bei der der mittelbare Täter das Opfer als „Werkzeug gegen sich selbst“ benutzt.[50] Zur Begründung dieser Fremdverantwortung muss die rechtliche Beachtlichkeit der Selbstgefährdung bzw. Selbsttötung beseitigt werden. Das ist der Fall, wenn der Suizident für das, was er tut, nicht verantwortlich ist. Dafür hat sich die Bezeichnung „Eigenverantwortlichkeit“ eingebürgert.[51] Im gleichen Sinne wird das Wort „Freiheit“ benutzt („Freitod“)[52]. Ein eigenverantwortlicher oder freier Suizid schließt strafrechtliche Verantwortlichkeit anderer aus, die Mitwirkung an einem nicht eigenverantwortlichen oder unfreien Suizid ist hingegen Fremdtötung. Da dieses Thema nicht gesetzlich normiert ist, gibt es zu den Kriterien des Eigenverantwortlichkeitsmangels verschiedene Theorien. Anerkannt ist, dass psychische Defekte, die gemäß § 20 StGB die Unrechtseinsichtsfähigkeit ausschließen, Zwangslagen im Sinne des § 35 StGB, altersbedingte Reifemängel (§ 19 StGB, § 3 JGG), Irrtümer und Nötigungslagen die Eigenverantwortlichkeit ausschließen. Darüber hinaus wird wegen der Ähnlichkeit der Opfersituationen eine Anlehnung an § 216 StGB vorgeschlagen und „eigenverantwortlich“ mit „ernstlich“ gleichgesetzt.[53]

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