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1 Wie werden wir (endlich) besser?
ОглавлениеTeamboarding ist vor einigen Jahren aus der Motivation heraus entstanden, die kontinuierliche Verbesserung einer Krankenhausorganisation, ihrer Prozesse und Abläufe, zu einem festen Bestandteil von Führung und Unternehmensentwicklung werden zu lassen.
„Wie werden Krankenhäuser kontinuierlich und nachhaltig besser?“, lautete damals die Frage. „Wie werden sie qualitativ besser, ökonomischer, mitarbeiter- und patientenorientierter?“
Schon damals war meinen Mitstreitern und mir klar: So wie heute kann und wird es nicht bleiben. Die Methoden, mit denen wir Verbesserung bislang versucht haben, funktionieren nicht (mehr). Sie schaffen es nicht, die Komplexität, die Kleinteiligkeit und die Langsamkeit einer typischen Krankenhausorganisation zu überwinden. Wir wussten: Wer mit den immer gleichen Mitteln versucht, eine Lösung zu erreichen, der wird wohl auch stets die gleichen Lösungen produzieren. Also musste etwas Neues her. Und das Neue trägt den Namen Teamboarding. Es handelt sich um ein Instrument bzw. eine Methode, mit der wir kontinuierliche Verbesserung bis in den kleinsten Unternehmenswinkel hinein zu einem festen Bestandteil von Arbeit machen wollen.
Die Grundgedanken der Methode lassen sich leicht zusammenfassen: Jede Abteilung bzw. jedes Stationsteam verfügt in Zukunft über die Strukturen und die Kompetenzen, ihre bzw. seine Behandlungsprozesse kontinuierlich und über Berufsgruppen- und Hierarchiegrenzen hinweg zu verbessern und die Ziele des Unternehmens konsequent und nachhaltig umzusetzen.
Im Mittelpunkt stehen dezentrale Verbesserungsteams in jeder Organisationseinheit, die von ihren Unterstützern (z. B. dem Service, dem Einkauf, der IT, der Administration und anderen) sowie ihren Führungskräften aktiv und vor Ort Hilfe erhalten. Veränderung und Verbesserung finden wieder dort statt, wo die Musik spielt – nämlich am Ort des Geschehens. Dazu existiert in jedem Bereich ein Teamboard, ein Marktplatz der Information. Eine straff organisierte Regelkommunikation sorgt dafür, dass alle relevanten Berufsgruppen kontinuierlich gemeinsam an ihren Themen arbeiten und ihre Lösungen nachhaltig in ihren Prozessen umsetzen. Keine Woche ohne Verbesserung, so lautet die Devise.
Die Verbesserung von Prozessen, also die kontinuierliche Arbeit an der eigenen Organisation, wird auf diese Weise Stück für Stück zu einem festen Bestandteil von Arbeit und bleibt nicht – wie heute – die ärgerlichste Nebensache der Welt, die entweder die eigentliche Arbeit unterbricht oder nach Feierabend zu erledigen ist. Verbesserung wird zur Routine, zu richtiger Arbeit.
Mit der Methode schaffen wir den entscheidenden Hebel, um abstrakte Unternehmensziele in das Organisationsleben und in die Behandlungsprozesse zu transferieren und dort sicher zu verankern. In gewissem Sinne verbinden wir Wunsch mit Wirklichkeit: den Wunsch von Führung, Ziele zu erreichen, und die Realität, die sich so oft damit schwertut, das Notwendige im betrieblichen Alltag Wirklichkeit werden zu lassen. Im Grunde genommen füllen wir die alles entscheidende Lücke zwischen Führung und der operativen Prozessbasis. Außerdem schaffen wir einen mächtigen Treiber dafür, einige der über lange Jahre gewachsenen Strukturrelikte eines Krankenhauses noch einmal kräftig durchzurütteln.
Allerdings, das sei hier nicht verschwiegen, begeben sich die Beteiligten auf eine sehr lange und mitunter äußerst beschwerliche Reise, hin zu einer Organisation, die sich kontinuierlich selbst verbessert. Denn eine solche Reise löst unternehmensweite Lernprozesse aus. Sie kratzt an kulturellen Gewohnheiten und verändert die Art und Weise, wie Führung heute funktioniert. Sie deckt gnadenlos die Schwachstellen einer Organisation auf. Und im Gegensatz zu vielen anderen Methoden setzt Teamboarding einen festen und klaren Rahmen für Verbesserung, der im Alltag kaum einen (unbemerkten) Ausweg zulässt – außer das Scheitern, doch selbst dann ließe sich erkennen, wer und was dafür verantwortlich ist.
Dass wir Verbesserung dringend benötigen, steht außer Frage. Es existieren genügend gute Gründe dafür, künftig die eigene Organisation und ihre Verbesserung in den Mittelpunkt unseres Interesses zu rücken.
Wir möchten alle, dass unsere Patienten eine medizinische Behandlung auf dem jeweils höchsten Stand der Wissenschaften und einen hervorragenden Service erfahren. Qualität steht an vorderster Stelle. Patienten sollen sich jederzeit wohl und gut versorgt fühlen.
Wir möchten alle, dass sich die Arbeitsbedingungen für Mitarbeitende verbessern. Wir möchten, dass sie gerne in unseren Organisationen arbeiten.
Eine Krankenhausorganisation, ein Unternehmen, muss wirtschaftlich arbeiten. Zuverlässig und dauerhaft.
Es existiert viel Verschwendung an Zeit, Nerven und Geld. Und dieses Potenzial müssen wir heben.
Die Digitalisierung ist in vollem Gange. Schon deshalb sollten Krankenhausorganisationen innovativer und schneller werden.
Doch genau dieser letzte Punkt stellt ihre größte Schwäche dar. Eine Krankenhausorganisation ist nun einmal risikoscheu, vorsichtig, langsam und nur in Grenzen innovativ. Ihre Führungsstrukturen sind komplex bis unüberschaubar. Außerdem verfügt sie bis heute nicht über eine sichere Start- und Landebahn für schnelle und nachhaltige Veränderung. Es fehlen dafür klare und transparente Strukturen und festgelegte Kommunikationskreise. Veränderungsprozesse benötigen das Wissen von Mitarbeitenden und ihren Führungskräften. Und ihre Ideen, wie es besser gehen könnte. Und zwar dort, wo sie gebraucht werden: vor Ort. Nicht an den Schreibtischen oder in den wohltemperierten Besprechungszimmern. Es sind die Mitarbeitenden vor Ort, die Verbesserung in die praktische Arbeit an und für Patienten überführen, und niemand anderes. Wir brauchen also ein Verfahren, eine Methode, die Mitarbeitende nicht nur miteinbezieht, sondern sie sogar zu den Hauptakteuren macht. Wir wollen Mitarbeitende nicht mehr mitnehmen, sie sollen es nämlich selbst tun: verbessern.
Mit Teamboarding steht nun eine erprobte und transparente Methode zur Verfügung, wie agile Führung und agile Verbesserung – denn als solche bezeichne ich diese Methode – in die Realität überführt werden kann.
In diesem Buch möchte ich Ihnen die Methode und den Umgang mit ihr so praxisnah und so komprimiert wie möglich nahebringen: Teamboarding in 200 Minuten. Kurz und knapp, aber dennoch so, dass Sie im Grunde sofort starten können.
Viel Vergnügen beim Lesen und vielleicht beim Ausprobieren.
Berlin im Oktober 2020
Jörg Gottschalk