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2 Die agile Welt im Kurzcheck

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Die Fachwelt benötigt Definitionen und etablierte Methoden. Etwas widerstrebend folge ich diesem Mainstream und ordne Teamboarding in das breite Feld agiler Methoden ein. Schließlich soll heute alles und jeder agil sein. Warum nicht auch Krankenhäuser?

Leider wird der Agilitätsbegriff derart inflationär benutzt und die dazu vorliegende Literatur ist so vielfältig und umfangreich, dass mir ein kurzer Blick zurück auf die Ursprünge des Begriffes an dieser Stelle angebracht erscheint. Was also bedeutet eigentlich agil sein?

Agilität bedeutet, dass eine Organisation über die Fähigkeit verfügt, flexibel, initiativ und schnell Veränderungen herbeizuführen.

Flexibilität bedeutet im Ursprung des Wortes, biegsam oder beweglich zu sein. Im Organisationskontext könnte man darunter verstehen, anstehenden Veränderungen nicht nach den immer gleichen Mustern zu begegnen, Unterschiedlichkeit in der Art der Anpassung zuzulassen, unterschiedliche Lösungen zu akzeptieren, etwas auszuprobieren, zu experimentieren.

Initiativ sein heißt den Anstoß zu einer Handlung geben oder auch den ersten Schritt tun. Initiativ sein meint auch, selbstständig zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Gemeinhin verstehen wir darunter auch unsere Bereitschaft, zu handeln, bevor wir zu etwas gezwungen werden und nicht mehr anders können.

Schnell sein meint die Fähigkeit, eine Entfernung in kurzer Zeit zurückzulegen. Der Begriff erklärt sich weitgehend selbst, doch wirft er die Frage nach dem Maßstab für Schnelligkeit auf. Was ist schnell? Schneller als zuvor? So schnell wie nötig? Schneller als die Konkurrenten? Solche Fragen sind schwer zu beantworten, weil sie jede Organisation aus ihrer spezifischen Perspektive und Situation unterschiedlich betrachten muss.

Meine Antwort lautet vergleichsweise schlicht: Probleme müssen schneller gelöst werden als neue dazukommen. Mindestens das!



Schnecke © Abtunartuba / fotalia.com

Wer gerne Bilder im Kopf wälzt, der könnte agile Methoden auch mit einer ununterbrochen funktionierenden Veränderungs- oder Verbesserungsmaschine vergleichen. Einer solchen Maschine käme die Aufgabe zu, permanent Veränderung im Sinne von Fortschritt und Verbesserung zu produzieren. Sie würde ununterbrochen bessere Lösungen erfinden und Neues in die Organisation transferieren. Das Neue, das Bessere wäre ihr sichtbares Produkt.

Agile Führungsmethoden haben sich in den vergangenen zwanzig Jahren aus einer Welt heraus entwickelt, die zunehmend von Komplexität und einer immer schnelleren Veränderungsdynamik geprägt wird. Sie unterstellen, dass sich eine komplexe Organisation nicht auf einfache, leicht verdauliche Sachverhalte reduzieren lässt. Komplexität zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sich Themen oder Probleme, Entwicklungen, Organisationseinheiten und Personen in schier unübersichtlichen, sehr dynamischen, in jedem Fall aber vielfältigen und wechselseitig abhängigen Beziehungen abspielen. Lineare Ursache-Wirkungs-Formeln existieren nicht.

Was das bedeutet? Nehmen wir einmal an, dass nur zwei Menschen miteinander arbeiten und sie über ein starkes gemeinsames Interesse verfügen. Dann mag dabei etwas wirklich Gutes herauskommen. Das Geschehen ist extrem überschaubar. Sind aber fünfzig Menschen beteiligt, dann wird es rasch unübersichtlich. Bei fünfhundert Beteiligten sind die Verhältnisse dann endgültig unübersehbar. Wenn dazu das Richtig oder Falsch unklar ist oder sich gar täglich ändert, wird es wirklich schwer. In einer solchen Welt leben und arbeiten wir heute, und im Krankenhaus ganz besonders. Auf diese neue agile Welt müssen wir eine agile Antwort finden.

Agile Methoden stellen deshalb die Frage, was passieren muss, damit Organisationen dem herrschenden Veränderungsdruck trotz dieser enormen Komplexität und Beschleunigung gerecht werden. Wie werden sie in diesem Umfeld schneller, besser und erfolgreicher?


Viele Menschen © Jörg Gottschalk

Die zum Teil hochkarätige Literatur zum Thema Agilität sprengt allerdings jede vorstellbare Dimension. Auf die wenigen, aber gemeinsamen Sachverhalte reduziert, kristallisieren sich dennoch eine Reihe von Faktoren heraus, die allen agilen Methoden und Instrumenten zugrunde liegen und die heute als Indikatoren dafür gelten, ob Unternehmen und Organisationen schneller und anpassungsfähiger werden:

 Agile Organisationen fokussieren sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden. Die bekommen, was sie wollen oder benötigen. Diese sehr klare Orientierung zieht Konsequenzen für das nach sich, was eine Organisation besser machen kann, und auch für das, was sie eben nicht mehr tun sollte. Der starke Kundenbezug gibt uns eine eindeutige Orientierung, die wir im Dschungel der Verhältnisse auch dringend benötigen. Kunden- oder Patientenorientierung bilden in Zukunft unseren Kompass.

 Organisationen lassen sich nicht vorausdenken, denn sie sind zu komplex. Der Ausweg: Man denkt und verbessert in kleinen Schritten und probiert mit jedem Schritt aus, was tatsächlich funktioniert – oder eben nicht. Es wird experimentiert. Komplexität lässt sich nicht reduzieren, nur einbeziehen.

 Ausprobieren oder experimentieren bedeutet in diesem Zusammenhang, zu akzeptieren, dass es oft kein vorhersehbares Richtig oder Falsch gibt, sondern oft nur ein „Gut genug“. Agile Vorgehensweisen warten nicht auf das Perfekte, stattdessen wird dieses Gut genug sofort angegangen und in seinen Wirkungen getestet. Das bedeutet: kleine, dafür aber kontinuierliche Schritte mit schnell verwertbaren und sichtbaren Ergebnissen.

 Zu diesem Zweck werden nicht große, zentral gelenkte Einheiten, überdimensionierte Projekt- oder lähmende Arbeitsgruppen eingerichtet, sondern kleine, schnelle Teams mit hoher Eigenständigkeit und maximalem Engagement für die Sache. Solche Teams pflegen einen vertrauensvollen Austausch auf Augenhöhe, einen wertschätzenden Umgang miteinander und sie schaffen kurze Entscheidungswege.

 Dezentrale Teams besitzen auch deshalb eine ganz besondere Bedeutung, weil sich deren Mitglieder in ihren Prozessen wirklich auskennen. Ihr Wissen und ihre unterschiedlichen Sichtweisen führen zu signifikant besseren Entscheidungen für die Organisation als Ganzes. Jeder Mensch von außen oder oben weiß weniger über die laufende Arbeit und ihre Verbesserung als diejenigen, die es täglich tun und auch in Zukunft tun werden.

 In einem agilen Verbesserungsprozess tauschen sich die Mitglieder solcher Teams oft aus, dafür aber kurz und prägnant. Sie reflektieren in kurzen zeitlichen Abständen ihre Ergebnisse, ihre Verbesserungen und Prozesse. Meist im Wochenrhythmus oder, in manchen Settings, sogar im Tagesrhythmus. Dann lautet die immer gleiche Frage: Was haben wir in dieser Woche oder heute sichtbar geschafft? Was wollen wir nächste Woche, oder morgen, sichtbar schaffen?

 Diese dezentralen und hochgradig eigenverantwortlichen Teams werden von ihrer Führung maximal unterstützt. Führung informiert sich, hilft den Teams vor Ort und trifft schnelle Entscheidungen. Führung kehrt zurück an die Basis und übernimmt neue Rollen und Aufgaben.

In der agilen Gedankenwelt entsteht so ein Unternehmen, in dem an möglichst allen Stellen der Organisation selbstverantwortliche Teams in kleinen, schnellen, dafür aber kontinuierlichen Schritten ihre eigenen Prozesse verbessern. Es wird nicht lange geredet, spekuliert und konzeptioniert, sondern ausprobiert und in kurzen Abständen miteinander reflektiert. Es arbeiten diejenigen an Veränderung und Verbesserung, die sich in ihren Prozessen wirklich auskennen, nämlich die Mitarbeitenden. Sie werden dabei von ihren Schnittstellenpartnern und ihrer Führung maximal unterstützt.

Mit Teamboarding etabliert sich seit einigen Jahren eine Methode für Krankenhäuser, die all diese Kriterien erfüllt. Warum das so ist und wie und warum sie funktioniert, davon handelt dieses Buch.

Agile Krankenhausführung

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