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Umgebung und Thematik abgleichen

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Natürlich ist es ein großer Unterschied, ob man über eine Villa mit 18 Zimmern und einem riesigen Balkon verfügt oder sich eine Einzimmerwohnung mit zwei Mitbewohnern teilt. Aber selbst wenn man sich zur Aufnahme in die (aufgeräumte) Küche verziehen muss, ist das immer noch besser, als sich mit einem Greenscreen vor einen virtuellen Südseestrand zu beamen. Wer die Möglichkeit hat, wird einen Raum wählen, der nicht zu viele Ablenkungen bietet und dessen Einrichtung zur Thematik des Vortrags passt. In anderen Fällen hilft es, die Örtlichkeit kurz anzusprechen und damit allfälligen Irritationen vorzubeugen.

Eine verbale Bezugnahme auf den Raum lässt ihn oft präsenter werden als viele visuelle Bemühungen. „Ich bin der Held der Steine in Frankfurt am Main im Herzen von Europa in meinem wunderbaren kleinen Lädchen an einem phantastischen Tag,“ sagt zum Beispiel Thomas Panke auf seinem YouTube-Kanal.54 Das ist zwar ein wiederkehrender Gag, aber es tut’s schon (und lässt keinen Zweifel darüber, dass der Held seine Steine auch verkaufen will).

Der Raum kann auch dynamisch genutzt werden (vgl. auch Kapitel 16). Rachel Stewart, die ihrem englischsprachigen Publikum die exotischsten Dinge aus Deutschland vorstellt, wählt für jedes neue Thema einen neuen Ort. Sie präsentiert etwa ein Gemüse, das es nur Deutschland und Kaschmir gibt: den Kohlrabi. Dafür geht sie zum Wochenmarkt. Da stellt sie sich unter ihren Regenschirm, greift nach einer der hellgrünen Knollen und wendet sich dann mit einer Frage an einen Passanten.55 Der Stil ist typisch für Videos aus der Blogger- und Influencer-Szene: Man präsentiert nicht nur seine Themen, sondern entdeckt zusammen mit dem Publikum auch laufend Neues im Raum. Und weil der sich ständig verändern kann, ist es verlockend, mitzugehen und die gesamte Präsentation zu erleben.

Instruktiv ist auch der YouTube-Kanal der neuseeländischen Physikerin Tibees, die aus Australien in einfacher Form wissenschaftliche Grundlagen vermittelt. Sie stellt sich oft ins Freie, die Kamera auf einem Stativ, das weit genug entfernt ist, um ihren Körper zu zwei Dritteln („amerikanisch“) zu erfassen und dabei viel Raum für die Umgebung zu lassen. Man sieht die Hügel und Gewässer rund um Canberra, ohne davon abgelenkt zu werden. Speziell ist ihr Kanal, weil man Innen- und Außenaufnahmen vergleichen kann. Bei den Innenaufnahmen sind die Kulissen aufs Wesentlichste reduziert, die Beleuchtung ist sorgfältig überprüft. Es gibt kein störendes Element, alles ist auf die Präsentation ausgerichtet. Die Außenaufnahmen dagegen erfassen eine Landschaft, einen Wald, einen Garten usw., ohne dass man dadurch abgelenkt würde. Denn die Perspektive ist so gewählt, dass keine auffälligen Einzelheiten Fragen aufwerfen.56

Konstruktive Rhetorik in Seminar, Hörsaal und online

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