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2. Literarische Denkmäler
ОглавлениеDoch nicht nur in Form von Napoleonsteinen wurde dem ambivalenten Korsen gehuldigt, schon zu seinen Lebzeiten schuf Heinrich Heine mit der Ballade „Die Grenadiere“ ein literarisches Denkmal für den französischen Kaiser. 1816 entstanden und 1822 erstmals in Buchform in dem Band „Gedichte“ veröffentlicht, wurde es u.a. von Robert Schumann („Die beiden Grenadiere“, op. 49, Nr. 1) vertont. Im Schlussteil dieses 1840 komponierten Werkes erklingt die Marseillaise. Dieses musikalische Zitat dokumentiert die Sympathie Schumanns gegenüber der französischen Revolution und damit ist dieses Werk Ausdruck einer politischen Botschaft – komponiert in einer Zeit, in der die Veteranenvereine entstanden!
Heinrich Heine: „Die Grenadiere“
1. Nach Frankreich zogen zwei Grenadier’,
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.
2. Da hörten sie beide die traurige Mär:
Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das tapfere Heer, –
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.
3. Da weinten zusammen die Grenadier’
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!
4. Der Andre sprach: das Lied ist aus,
Auch ich möcht mit dir sterben,
Doch hab’ ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.
5. Was scheert mich Weib, was scheert mich Kind,
Ich trage weit bess’res Verlangen;
Laß sie betteln gehn wenn sie hungrig sind, –
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!
6. Gewähr’ mir Bruder eine Bitt’:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab’ mich in Frankreichs Erde.
7. Das Ehrenkreuz am rothen Band
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gieb mir in die Hand,
Und gürt’ mir um den Degen.
8. So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach’, im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll,
Und wiehernder Rosse Getrabe.
9. Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig’ ich gewaffnet hervor aus dem Grab –
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.16
Die Mehrheit der in den Befreiungskriegen entstandenen Dichtungen war jedoch nationalistisch und damit betont antifranzösisch. Gerade die Gedichte von Ernst Moritz Arndt („Vaterlandslied“, „Des deutschen Vaterland“), Max von Schenkendorf („Freiheit“), Friedrich Rückert („Gott und die Fürsten“), Theodor Körner („Lützows wilde Jagd“), aber auch von Ludwig Uhland („Lied eines deutschen Sängers“), Clemens von Brentano („Blücher“) oder Friedrich de la Motte Fouqué („Kriegslied für die freiwilligen Jäger“) waren im 19. Jahrhundert sehr populär, wurden über Schulbücher massenhaft publiziert und erlebten im Vorfeld der 100-Jahrfeier der Völkerschlacht von Leipzig eine letzte große Renaissance:
„Die Dichter der Befreiungskriege sind die literarischen Förderer und Vertreter der gewaltigen Erhebung, durch die sich Deutschland im Jahre 1813 von dem Joche der französischen Fremdherrschaft befreit hat. Die lange Geschichte des Kampfes gegen das Franzosentum in der deutschen Literatur … findet in der Dichtung der Befreiungskriege ihren ersten Höhepunkt, dem die Ereignisse von 1840 und 1870 zwei weitere Lebensäußerungen folgen ließen. Was groß und herrlich ist an der Erhebung des deutschen Volkes nach den schmachvollen Jahren von 1805 bis 1813, das spiegelt sich alles in der Dichtung der Befreiungskriege in einzigartiger Weise wider, und das deutsche Volk hat an dieser Dichtung zugleich einen Schatz, der noch heute lebenskräftiger Wirkung fähig ist, da noch heute der Gegensatz zwischen Deutschtum und Franzosentum unter zum Teil ähnlichen Bedingungen fortbesteht.“17
Die letzten Zeilen des Gedichts „Aufruf“ von Theodor Körner etwa wurden häufig bei Beisetzungen und Gedenkfeiern, sogar noch bei den Ansprachen zum Volkstrauertag zitiert:
Theodor Körner: „Aufruf“
Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht,
Du sollst den Stahl in Feindesherzen tauchen,
Frisch auf, mein Volk, die Flammenzeichen rauchen,
Die Saat ist reif, ihr Schnitter, zaudert nicht!
Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerte;
Drück dir den Speer ins treue Herz hinein.
„Der Freiheit eine Gasse!“ Wasch die Erde
Das deutsche Land mit deinem Blute rein
…
Der Himmel hilft, die Hölle muss uns weichen
Drauf, wackres Volk, drauf, ruft die Freiheit, drauf
Hoch schlägt dein Herz, hoch wachsen seine Eichen
Was kümmern dich die Hügel deiner Leichen
Hoch pflanze da die Freiheitsfahne auf.
Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke
In deiner Vorzeit heilgem Siegerglanz,
Vergiss die treuen Toten nicht und schmücke
Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz18.
Bewertet man die Lyrik Ernst Moritz Arndts (1769–1860) aus heutiger Sicht, sind die Diskussionen um den Namensgeber von Schulen, Kasernen und der Universität Greifswald nachvollziehbar, von seinem Standpunkt aus betrachtet sind die uns fremd anmutenden Zeilen dagegen verständlich. Sein insgesamt aus 16 Strophen bestehendes Gedicht „An den Deutschen“ von 1812 wurde damals häufig zitiert:
Ernst Moritz Arndt: „An den Deutschen“
Und hörst du nicht? Und siehst du nicht?
Und willst den Schimpf nicht fühlen?
Und lässest den Franzosenwicht,
Den Affen, mit dir spielen?
Den Ehrendieb? Den Freiheitsdieb?
Hast du so sehr die Schande lieb?
Der helle Klang der Schwerter
War deinen Vätern werter.
Denn wollen wir Franzosen sein
Und dennoch Deutsche heißen?
Und unsrer Väter Ehrenschein
Beflecken und zerreißen?
Herz gegen Herz, Schwert gegen Schwert,
So hat uns Gott der Herr verkehrt,
So mußten wir in Sünden
Für unsern Feind erblinden.
Nicht mehr! Gekommen ist die Zeit,
Es fällt der bunte Drache,
Aus allen Landen weit und breit
Erklingt der Ruf der Rache,
Zusammenbraust das deutsche Wort
Und weht die fremden Buben fort
Im Schlachtendonnerwetter,
Wie Herbstwind dürre Blätter.19