Читать книгу Von Helden und Opfern - Jörg Koch - Страница 12

Worms-Innenstadt

Оглавление

Das bekannteste Veteranendenkmal im Raum Worms steht in der Nähe des Hauptbahnhofs, im Albert-Schulte-Park, der von 1840 bis 1874 als Friedhof der Innenstadt diente. Für ihr beabsichtigtes Denkmal hatten die Wormser Vereinsmitglieder im Dezember 1846 bei der Bürgermeisterei ihren Antrag „um Einräumung eines Platzes auf hiesigem Friedhofe zur Aufstellung des Monuments“ gestellt. Der Antrag wurde angenommen und dem Verein ein genau bestimmtes Gelände unentgeltlich zur Verfügung gestellt, so dass die Bauarbeiten im Frühjahr/Sommer 1848 erfolgten.22 Die Denkmalsenthüllung fand, wie der Wormser Zeitung zu entnehmen ist, am 24. September 1848 statt. Zu diesem Anlass wurden „alle noch lebenden Veteranen jener Zeit, so wie die Freunde jeder guten Sache“ eingeladen.23 Die Einweihungsfeier, zu der auch Veteranenvereine des Umlands erschienen waren, verlief in einem festlichen Rahmen. Wie auch bei vergleichbaren Anlässen hatten sich die Träger der Wormser Gesellschaft zusammengefunden: der Stadtvorstand, Vertreter der Kirchen, der Kaufleute sowie der Militär- und Zivilbehörden. An dem Zeremoniell beteiligt waren auch Gesang- und Musikvereine. Abgesehen von den für die damalige Zeit obligatorischen Böllerschüssen bei der Einweihung hat sich, man denke nur an die Eröffnungsfeier der neuen Wormser Rheinbrücke im Jahre 2008, am Ablauf einer solchen Veranstaltung bis heute kaum etwas geändert.

Bei dem der Öffentlichkeit vorgestellten Denkmal handelt es sich um ein sechs Meter hohes Monument im neoklassizistischen Stil, entworfenen von dem in Worms tätigen Bildhauer Aloys Boller (1822–1885); sein Name ist in den Sockel gemeißelt. Der Gedenkstein aus gelbem Heilbronner Sandstein steht auf drei Stufen und ist mit einem großen französischen Kürassierhelm gekrönt. Der massive Sockel zeigt auf der Vorderseite ein aufwendig gestaltetes Relief mit Kriegsgerätschaften (Fahnen und Feldzeichen mit Adler, Kanonen, Kugeln, Bajonetten, Schwertern, Helm, Trommel, Pauke und Trompete). Der daraufstehende Obelisk mit einer formschönen Giebelverdachung nennt dem Betrachter die Widmung: „Denkmal den unter den Fahnen Napoleon’s gefallenen Wormsern, von ihren aus den Feldzügen zurückgekehrten Waffenbrüdern errichtet i J 1848 unter der Regierung S. K. H. Ludwig III. Großherzog von Hessen und bei Rhein.“ Darüber wiederum sitzt auf einem Kranz aus Lorbeer- und Eichenblatt der französische Adler; dieses Wappentier hält in seinen Klauen je zwei Blitze.

Die drei anderen Seiten des Obelisken sind mit den „Noms des Vétérans“ beschriftet, von denen die Mehrheit per Los zwangsrekrutiert wurden; nur die wenigsten meldeten sich freiwillig für die Feldzüge. Insgesamt sind 40 Namen verzeichnet, deren Vornamen auf Französisch geschrieben sind (z.B. Jean, Jacques, André, Guillaume, Henri, Chrétien, Fréderic, Bernard). Der älteste Veteran war Jahrgang 1762, die beiden jüngsten Kriegsteilnehmer waren 1794 geboren. Die auf dem Denkmal verewigten Männer hatten – für damalige Verhältnisse – viel gesehen; sie waren als Soldat auf allen Schauplätzen der Napoleonischen Kriege: in Spanien, Portugal, Italien, Österreich, Polen, Russland und in den deutschen Landesteilen wie Holstein, Mecklenburg, Sachsen, Pommern oder Schlesien.24 Nach ihrer Dienstzeit übten sie bodenständige Berufe aus wie Schuhmacher, Schneider, Fuhrknecht, Gendarm, Maurer oder Bäcker. Wie aus dem Veteranenbuch hervorgeht, waren einige dieser Soldaten in Kriegsgefangenschaft geraten, viele wurden verwundet und sechs von ihnen starben vor der Einweihung des Denkmals. Der letzte Überlebende verstarb erst 1884 im Alter von 92 Jahren.25 Die Namen der Gefallenen aber, denen das Denkmal eigentlich gewidmet ist, sind hier nicht überliefert!


Veteranendenkmal Worms, 1848, Detail.

Wie damals vielfach üblich, war das Denkmal ursprünglich zum Schutz von einem eisernen Gitter umgeben, das jedoch im Zweiten Weltkrieg der nationalsozialistischen Eisensammlung zum Opfer fiel. Heute steht das Monument abseits der öffentlichen Wahrnehmung im Albert-Schulte-Park, der nicht mehr als Ort der Erholung aufgesucht, vielmehr vorzugsweise von Stadtstreichern genutzt wird, was diesem Stein und den anderen historisch wertvollen Grabsteinen auf diesem Gelände eher schadet denn nützt. Mehr denn je sollte sich der Denkmalschutz dieses für die Stadtgeschichte bedeutsamen steinernen Zeugnisses annehmen, seine Instandsetzung befürworten und seinen Bestand der Zukunft sichern, sinnvollerweise mittels eines Gitters – wie zur Entstehungszeit.


Von Helden und Opfern

Подняться наверх