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Turm

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Jero tobte, polterte vor Wut, vor unglaublicher Ernsthaftigkeit des Geschehens und der Infamität der beiden Torpedos. Er schwor düstere Rache, drohte dem Davonschwebenden mit der rechten Faust hinterher und spukte dann einen unglaublichen Schwall Mundsekrets auf den Boden des Turmdachs.

Dann wandte sich sein Blick zu dem kleinen Turm, versuchte der Ritter die getroffene Stelle zu entdecken und eilte die Steintreppe im Sturmfried hinunter. Sein Weg führte ihn an der Eichenholztür seines Turmes vorbei, deren Schloss bei jedem Öffnen und Schließen und bei jedem Windzug klapperte. Jero stieg die wenigen Steinstiegen, die zum Sturmfried führten, hinunter und marschierte zum Tor, dessen Riegel er mit Wucht beseitigte.

Dann war er hinaus, hatte als erstes eine Windböe gespürt, die ihm entgegengeschlagen war. Beiläufig bemerkte er beim Öffnen des linken Torflügels das goldene Scheinen der mittlerweile völlig aufgegangenen Sonne.

Noch die Scheide mit dem Schwert in der rechten Hand wandte der Ritter, dem leicht in seinem grauen, baumwollenen Unterzeug fröstelte, seine Schritte zum kleinen Turm. Er fixierte ihn mit seinem Blick, erreichte ihn, folgte der Rundung. Dann sah er die Streifstelle, die jedoch keinen Blick ins Innere zuließ. Jero schaute auf den Ebenenboden, suchte und fand die abgesprengten Steinbrocken. Er ging zu einem, nahm ihn auf und wog ihn in seinen Händen - dabei nachdenkend und erneut hinaufschauend.

Der Blitz einer Erinnerung ließ den Ritter sich vom kleinen Turm abwenden und in die Richtung gehen, in der er die Staubwolke hochfahren gesehen hatte. Eine Weile musste er suchen und fand schließlich den silbrig schimmernden und schlanken Corpus, dessen todeseisige Ladung unberührt geblieben war - verharrt in ihrer Ursprünglichkeit.

Jero untersuchte mit aller Vorsicht den Aufschlagmechanismus, der vorne am Torpedo beim Aufschlagsfall für den Einsatz des Detonators zuständig war. Er zog sein Schwert und entfernte den Mechanismus und den Detonator und wunderte sich über sein Geschick und sein Wissen. Denn Zeit seines Lebens war er nur auf seinem zweimastigen Segelschiff gefahren. Da durchzog ihn das euphorisierende Gefühl einer Idee.

Er steckte sein spitzes und scharfes Schwert, das in der Mitte der Klinge in Längsrichtung und beidseitig mit grau unterlegten, rechteckigen Ornamenten verziert war, zurück in die Scheide und machte sich auf zurück zur Burg.

Über dem Sturmfried gelangte er auf sein Schiff, löste die beiden Leinen und setzte ein Segel. Das schwebende Schiff nahm Fahrt auf, und Jero steuerte es um das Sanctuarium herum, in dessen Richtung der Bug gezeigt hatte. Danach hielt er genau auf den Landeplatz des Geschosses zu und holte das Segel kurz vor Erreichen des Torpedos ein.

Über ihm angekommen, warf der Ritter mit Bedacht den Anker und kletterte an einem Seil hinunter - wobei er zuvor zwei Seile hinuntergelassen hatte. Diese band Jero an das längliche Geschoss, indem er zwei kleine Höhlen unter diesem grub und die Seile durch sie hindurch schob.

Nachdem er die beiden Knoten gebunden hatte, hangelte er sich wieder zum Schiff hinauf und suchte Rollen, in die er die beiden Seile einlegen konnte. Er fand eine, die leblos vom Großmast herab baumelte und bemerkte erst jetzt, daß in ihr der Rest eines anderen Seiles hing. Da erinnerte er sich an die Explosion, und erst jetzt wurde Jero in erschreckender Weise klar, dass sein Schiff sich in deren gefährlicher Nähe befunden hatte.

Der Ritter wurde hektisch, suchte sein Segelschiff nach Schäden ab und fand einige kleine Lecks im Heck. Jero erschrak ein zweites Mal, beruhigte sich aber wieder schnell, wusste er doch, dass dies keine Gefahr bedeutete. Denn in den Rumpf konnte nur Luft eindringen, das Element, das sich ohnehin schon dort befand.

Jero suchte weiter und fand lediglich einige Metallsplitter, die im Holz des Hecks steckten. Er war beruhigt und wandte sich nun wieder der Bergung des Torpedos zu, den er für eigene Zwecke nutzen wollte.

Er verließ das Achterdeck seines kleinen fast elf Meter langen Schiffes, das mit seinen zwei Segeln in einem ordentlichen Wind rasant durch den Himmel preschen konnte und zog den Rest des vermutlich durch einen Metallsplitter durchtrennten Seils aus der Rolle. Dann legte er eins der beiden am Torpedo befestigten Seile ein und suchte eine zweite Rolle für das andere Seil.

Schließlich befand sich auch das zweite Seil in einer vom Großmast an einem Seil herabhängenden Rolle, und Jero zog nun mühsam das längliche Geschoss hinauf zum Schiff. Er tat dies, indem er abwechselnd mit aller Kraft an den Seilen zog, sich auf der anderen Seite des Großmastes an diesem mit einem Bein abstützend. Sobald der Torpedo ein wenig an Höhe gewonnen hatte, band Jero das Seil schnell an das Balkengestänge, das vor und hinter dem Großmast auf dem Oberdeck angebracht worden war. Mehr als eine geringe Höhe durfte er nicht erreichen, denn sonst bestünde die Gefahr, dass der Torpedo durch die Seilschlingen durchrutsche. Und mehr als diese Höhen ließ die Körperkraft des Ritters nicht zu, denn es waren mehrere Zentner, die er bewegte.

Die Sonne stand im Zenit, als der Torpedo längsseits an der Backbordseite hing. Der warme Mittagswind und das Rahsegel des Fockmastes brachten Schiff, Ritter und Torpedo zur Burg, in dessen Hof der Burgherr sein Schiff landete. Er hechtete über die Bordwand, schaute dann auf das Geschoss, überlegte das weitere Vorgehen, da erinnerte er sich - blitzartig zuckte das Bild vor seinem inneren Auge auf. Er sah das leichte Heben des U-Boot-Bugs, als der zweite Torpedo sein Rohr verlassen hatte. Natürlich wurde der Bug leichter, wenn ihn ein ordentliches Gewicht verließ, und der leitende Ingenieur eines U-Boots musste sofort dafür sorgen, dass das Boot wieder in die Horizontale gelangte.

Jero wunderte sich erneut über sein Wissen über das Schifffahrtswesen von U-Booten. Der Ritter drehte sich um und richtete seinen Blick auf den kleinen Turm.

Der gelbe Himmel und die graue Ebene

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