Читать книгу Der gelbe Himmel und die graue Ebene - Jörg Röske - Страница 11

Rotsprung

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Das Seil hing noch, war vom Tag des heftigen Gewitters übriggeblieben, und Jero kletterte daran den kleinen Turm hinauf. Die Sonne schien heiß und der tiefgelbe, obere Himmel lastete ordentlich über der grauen und weiten Ebene. Der Ritter schwitzte, erreichte das Turmdach und zog - seinen Blick auf die Luke gerichtet - das schwere Stahlschwert. Dann machte er sich an der Falltür zu schaffen, setzte unzählige Male die Waffe am Rand des Holzes an, suchte nach einer Möglichkeit, dieses Hindernis zu überwinden.

Da gelangte er an das Ende, das Holz und Metall vor ihm schmiedeten, spürte die Mauer, die vor ihm unnachgiebig und in unabänderlicher Härte stand. Der Ritter hatte gehofft, nicht von dem Gebrauch machen zu müssen, das er nun aus dem umgehängten Lederbeutel heraus nahm. Er legte den Sprengstoff, den er dem Torpedo entnommen hatte, auf die Luke und befestigte die Lunte. Mit einem Schwefelholz entzündete er die Schnur, die zu zischen begann. Schnell eilte er zum Seil, kletterte bis kurz unter die Oberkante der Turmdachmauer und vernahm einen kurzen und heftigen Schlag - ohne jegliche Verzögerung.

Jero schaute nach, sah den Boden des Turmdachs, in dessen Mitte sich eine schwarze Öffnung befand. Verstreut lagen Holzsplitter auf dem Steinboden und der Ritter kletterte über die Zinnenmauer. Ein Blick ins Innere des Turms ließ ihn das Seil holen, es von der Außenmauer zu nehmen und ins Düstere des kleinen Turms hinein zu hängen, ins Unbekannte, für dessen Erkundung dem Ritter nur sein Schwert, das Seil und eine Portion Mut zur Verfügung stand.

Ihm rieselte es beim Einstieg seltsam den Rücken hinunter, als er vom Lichtraum in den der Nacht hinüberglitt. Angenehm kühl war es dort und karges Licht drang durch die wenigen Schießscharten hinein. Jedoch wurde die Luft des Turmesinneren beim beständigen Nähern zum Boden warm. Er erreichte ihn und der Ritter fand sich in einer Atmosphäre von Schwarz, Rötlichkeit und vulkanischem Dampfkribbeln und Feuervibrieren wieder.

Vor sich entdeckte er einen grauen Steinaltar, auf dessen grauer Weihedecke sich zwei rote Kerzen in grauen Steinkerzenständern befanden. Zwischen ihnen lag Kleidung aus rotem Wildleder und roter Baumwolle, und vor dem Altar lehnte in der Mitte dessen Front ein Schwert.

Jero stand barfüßig auf dem warmen Steinboden in der Mitte des runden, kleinen Turms und schaute und regte sich nicht.

Dann geschah weihevoll seltsames. Der Ritter entledigte sich sämtlicher Dinge, die er am Körper trug und ging bestimmten Schrittes zum streng nach den geometrischen Gesetzen der Symmetrie und der Rechtwinkligkeit gehauenen Stein. Er entzündete mit einem in seiner linken Hand verbliebenen Schwefelholz die beiden Kerzen, und ein warmer Schimmer leuchtete auf.

Dann nahm er das hellrote Unterzeug, zog es an und danach die weinrote Lederkleidung, die aus einer Jacke, die vor Brust und Bauch zugeschnürt werden konnte, und einer engen Hose bestand. Ein schmales Baumwolltuch bildete den Gürtel, in den Jero das leichte, schmalklingige und elegante Schwert steckte. Er verharrte einen Moment und setzte sich dann im Schneidersitz vor den grauen Quader. Dann zog er das Schwert aus der Scheide, das angenehm in der Hand lag und dessen langer Griff aus rotem Elfenbein bestand. Er prüfte die Klinge, bemerkte eine unglaubliche Schärfe des blankpolierten Metalls und begann, mit dem leicht geschwungenen Schwert sein volles und schwarzes Haupthaar abzuschneiden.

Danach steckte er die Waffe zurück in die rote Scheide und prüfte mit der rechten Hand seinen nun kahlen Kopf.

Der Ritter war zufrieden und spürte eine Art Arm, der begann, sich um seine linke Schulter zu legen.

Der gelbe Himmel und die graue Ebene

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