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Orakel

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Ritter Jero erwachte, sah einen morgendlichen und frischen Lichtstrahl, der durch die offene Turmluke oben im Turmdach ins Turmesinnere drang und den Schauenden mit seiner bläulichen und sanften Helle erfreute - eine seltene Geste der Natur. Jeros Lächeln war verhalten, kaum vernehmbar - war er doch ebenso kaum solche Dinge gewöhnt.

Eine Weile schaute er zu dem Lichtstrahl, der in seiner Art bestimmt war, mit dem Wollen zu erhellen. Jero spürte schon fast das Knistern des immanenten Lichtfeuers, das entzündet wurde durch die Partikel des Turmnebels, der in sanften Schwaden mit unendlicher Langsamkeit das Turmesinnere durchzog. Der Ritter fühlte eine Wärme in seinem Innern, und da stand er auf.

Er stieg die Steintreppe hinauf, die im Kreis an der Turmwand verlief und genoss die Sonne und den frühlingshaften Wind. Jero atmete tief die würzige Luft ein und als er seine Augen wieder auftat, bemerkte er ein zweites Segelschiff, das neben seinem sanft im Wind dümpelte.

Im nächsten Moment duckte er sich, denn einen Wimpernschlag davor hatte er das Heranrauschen einer Stahlklinge vernommen. Wenige Schritte vor sich entdeckte er seinen Morgenstern, der silbrig im Licht der Sonne glänzte und war mit einer Rolle vorwärts bei ihm. Schnell zog er den braunen Holzstiel aus dem grauen Lederschaft und schwang die gefährliche Waffe.

Die mit stumpfen Stacheln bewehrte Kugel traf die Stahlklinge, wehrte den nächsten Hieb ab - krachend und Funken stiebend. Laut wurde es auf dem Sturmfried, Edelmetall und harter Stahl krachten aufeinander - unerbittlich.

Jero schwang energisch seinen Morgenstern, hob auf den Angreifer ein, der schon fast verzweifelt und erfolgreich die heran sausende Kugel mit seinem Schwert abwehrte. Da schlug ein kräftiger Kugelschwung dem anderen das Schwert aus der Hand, so dass es durch die Luft flog, an die Zinnenmauer schmetterte und auf den Steinboden krachte.

Dann gab es einen Moment Ruhe, Jero spürte die warmen Strahlen der aufsteigenden Sonne und den leichten Wind, während er hinüber zu dem großen Mann sah, der in eine rostbraune und helmlose Rüstung aus Leder und Metall gekleidet war und des Ritters Blick erwiderte. Jero löste sich aus der stillen Verbindung, steckte den Stiel der brutalen Waffe in dessen Schaft und hängte sich den langen Gürtel um. Dann stieg er hinab, hinein in den Turm und öffnete das Holzfass, in dem die gepökelten Hähnchenbeine ruhten. Eines nahm er sich davon und langte ein weiteres zu Mero, der mittlerweile schräg hinter ihm stand.

Die Freunde setzten sich auf den Quaderring und aßen das Fleisch und nach einigen weiteren Bollen gingen die beiden Ritter hinaus in den Burghof, um dem Schwertkampf zu huldigen und ihn erklingen zu lassen.

Mero lebte in einer Burg, die in nordöstlicher Richtung und eine Tagesreise mit dem Segelschiff entfernt lag. Lange schon kannten sich die beiden Ritter, hatten in früheren Zeiten in Schlachten gekämpft, Siege errungen und Verletzungen erlitten.

Nun war es still im Land geworden, und oft kam Mero in seinem schwebenden Segelschiff zur schwarzen Burg und suchte seinen Freund auf. Sie erzählten, tranken und schwiegen. Und manchmal fochten sie - zu wenig, wie Jero empfand.

Es wurde Abend, und die beiden Männer verschwanden im Sturmfried und tranken Bier. Nach einigen Krügen des Hefetranks sprach Mero vom Orakel, und die beiden Ritter verschwanden im Kellergewölbe unter dem Sturmfried. Die Fackel wies den Weg, und im Gewölbe war es noch düsterer und beklemmender und unheimlicher als im mächtigsten Turm von Jeros Burg.

In einer Ecke stand auf einem aufgerichteten Quader ein kleiner Schrein aus roten Diamanten und einem in asymmetrischer Weise aufgesetzten Goldteller. Durch das Feuer der immer mitgeführten Fackel erschienen auf dem Edelmetall seltsame Lichtspiele, die Jero und Mero versuchten zu deuten. Und manchmal meinten die Schauenden Erscheinungen gesehen zu haben, die unmöglich durch Teller und Fackel erzeugt worden sein konnten.

Der gelbe Himmel und die graue Ebene

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