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2 »Es hat mich einfach gepackt«
Mit dem Fahrrad in ein neues Leben
ОглавлениеAn dem Morgen, als wir uns zum ersten Mal trafen, hatte uns der Frühaufsteher Harry Maschke mit seinem Anruf aus dem Tiefschlaf geholt. Am Abend, als wir uns mit einem Essen voneinander verabschiedeten, reichte er telefonisch einen »wichtigen Tipp« nach. Er kenne da noch jemanden in Darwin, der für uns interessant sein könnte. Wir sollten mit unserem Mietauto am nächsten Vormittag bei seiner Fabrik vorbeikommen, dann lotse er uns mit seinem Geländewagen zu »Helmut«, den im ganzen Northern Territory bekannten Gärtner.
Wir fahren von der Firma »Action Sheetmetal« keine drei, vier Kilometer in Richtung Süden, als das unwirtliche Industriegebiet abrupt von einer Landschaft abgelöst wird, die uns eine Ahnung von der wilden Schönheit des Buschs vermittelt. Von Eukalyptusbäumen flattern, durch den Lärm unserer Motoren verscheucht, kreischende Kakadus auf. An den Gestaden einer mit weißer Blütenpracht besprenkelten Lagune putzen sich Pulks von Reihern und Wildgänsen.
Doch dann herrscht plötzlich Ordnung im Outback. Namensschilder markieren die tropischen Pflanzen. Auf keinem der wie mit dem Lineal gezogenen Beete wuchert unnützes Grün. Die Brunnen und die Miniaturmühlen, die chinesischen Terrakottafiguren und die modernen Skulpturen, die das nach Hibiskus, Bougainvilleen und Rosen duftende Areal dekorieren, verstärken den Eindruck von einer domestizierten Natur. Aber wo ist Helmut, der Gärtner? »On the radio«, sagt Hardy, sein Sohn.
»On the Radio?”
Sein Vater, klärt uns der Sohn auf, habe eine feste Ratgebersendung im Regionalprogramm. Wir sollten warten, er käme gleich zurück.
Und dann steht er plötzlich vor uns, der Experte für Blumenerde, Zimmerpalmen, Blattläuse, Kakteen. Er trägt, zum Schutz gegen die von Tag zu Tag stärker werdende Frühlingssonne, einen breitkrempigen Hut, die für australische Männer typische dreiviertellange Hose und jene ledernen Stiefel, die als Bollwerk gegen die auch in dieser Region weit verbreiteten Giftschlangen dienen. Die Souveränität, die ihm den Job beim Hörfunk einbrachte, steht ihm im kantigen Gesicht geschrieben. Im Gegensatz zu Harry Maschke, der seine Pointen mit temperamentvoller Gestik untermalt, bevorzugt er einen eher ruhigen, fast stoischen Erzählstil. Der Humor, mit dem er manche Sätze würzt und der in seinen Augen immer mal wieder den Schalk aufblitzen lässt, wirkt durch dieses Understatement umso intensiver.