Читать книгу Mein Mandat: Die Menschen achten! - Jürgen Heiducoff - Страница 9
Mut und Leichtsinnigkeit eines orthodoxen Priesters
ОглавлениеEr entsprach dem Bild, was mir von einem orthodoxen Priester immer vorschwebte: hochgewachsen, stämmig, mit langem Vollbart und einer extrem tiefen Stimme. Er trug einen langen schwarzen Umhang mit langen Ärmeln und auf der Brust war ein großes orthodoxes Kreuz an einer grobgliedrigen Kette befestigt.
Ich bin Vater Filipp zwei Mal begegnet. An jenem Abend, bevor er von unserem Büro in Grosny in die Berge aufbrach, hielt er großrussisch nationalistische Reden.
Wir hatten ihn gewarnt, nicht allein in die Berge zu fahren, um mit ähnlichen Reden den Tschetschenen gegenüber zu treten. Er war klüger. Er habe ja den Schutz Gottes auf seiner Seite.
Er sagte: „Gläubige Menschen sind in der Lage, Berge zu versetzen. Dabei kommt es nicht in erster Linie darauf an, welchem Glauben sie folgen. Dies ist zweitrangig. Die tschetschenischen Muslime werden mich verstehen. Wir werden gemeinsam und mit Gottes Hilfe Frieden schaffen. Dies habe ich mit Moskauer Imamen besprochen. Wir sind uns da einig.“
Ich bin ihm ein zweites mal begegnet, Monate später, als wir den Austausch von Gefangenen ausführten.
In einem Bergdorf habe ich ihn von den Tschetschenen aus der Gefangenschaft übernommen und nach Grosny zu den Russen gebracht. Auf einer mir endlos erscheinenden Dorfstrasse wurde der Abgesandte des Patriarchen zu Fuß zur vereinbarten Zeit an den Treffpunkt geschickt. Er sagte mir, er habe mich bereits vom Weitem erkannt. Ich erkannte ihn erst nach genauem Hinsehen. Er war mehr als nur abgemagert und von Entbehrungen gezeichnet.
Nach kurzer Zeit, als kein Tschetschene mehr in der Nähe war, begann er aber wieder seine alten russisch nationalistischen Ideen zu verkünden.