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Kernelemente der „Abhandlung vom Gelde“ (1930/1932)

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Keynes sah das Ziel der „Abhandlung vom Gelde“ darin, eine theoretische Grundlage für seine geld- und währungspolitischen Ausführungen zu schaffen und zugleich ein Standardwerk der GeldtheorieGeldtheorie und GeldpolitikGeldpolitik zu schreiben. Die Arbeit von diesem Werk, das immer mehr anschwoll und schließlich in zwei Bänden publiziert wurde, erstreckte sich über fast sechs Jahre. Es wurde 1932 in Deutsch unter dem Titel „Vom Gelde“ veröffentlicht.

Im Laufe der Jahre änderte Keynes’ seine Ansichten in vielen Punkten, sodass nicht alle Teile harmonisch zusammenpassen. Dies gibt Keynes in seinem Vorwort freimütig zu (1930/1932, S. V): „Bei der Durchsicht der Korrekturbogen dieses Buches werde ich mir seiner Mängel aufs deutlichste bewußt. Ich habe mich mehrere Jahre damit beschäftigt … Während dieser Zeit haben sich meine Gedanken entwickelt und gewandelt, so daß nicht alle Teile des Buchs völlig miteinander im Einklang sind. Die Anschauungen, mit denen ich die Arbeit beendete, unterscheiden sich stark von denjenigen, die mich zu Anfang beherrschten.“

Unabhängig davon enthält das Buch viele Kapitel, in denen Keynes die GeldtheorieGeldtheorie vertiefte und erweiterte. Außerdem beeindruckt es durch eine detaillierte Analyse der Wirkungsweise der GeldpolitikGeldpolitik vor dem Hintergrund der damaligen institutionellen Gegebenheiten in GroßbritannienGroßbritannien. Beides könnte dazu beigetragen haben, dass SchumpeterSchumpeter, der neben Keynes bedeutendste Ökonom des 20. Jahrhunderts, davon Abstand nahm, das Manuskript seines Buches über Geldtheorie fertigzustellen und zu veröffentlichen. Dies geschah erst nach seinem Tod (Schumpeter, 1970) in deutscher Sprache.

Die Hauptaufgabe der GeldtheorieGeldtheorie wurde damals darin gesehen, den Wert des Geldes zu erklären, indem man den Einfluss der Geldsphäre auf das PreisniveauPreisniveau und seine Änderungen bestimmt. Einen Meilenstein in ihrer Entwicklung hatte WicksellWicksell (1898) mit seinem Buch „Geldzins und Güterpreise“ gesetzt (Kasten 5).

Kasten 5: Preisniveauerklärung bei WicksellWicksell und RobertsonRobertson

Zentral für Wicksells Analyse ist der Unterschied zwischen dem „natürlichen Zinsnatürlicher Zins“, der auf dem GütermarktGütermarkt zum Ausgleich von Ersparnissen und InvestitionenInvestitionen führt, und dem MarktzinsMarktzins, der von Angebot und Nachfrage nach Geld bzw. Krediten bestimmt wird. Fallen beide Zinssätze zusammen, herrscht gesamtwirtschaftliches GleichgewichtGleichgewicht und das PreisniveauPreisniveau bleibt konstant. Liegt der Marktzinssatz jedoch z.B. unter dem natürlichen ZinsZins, werden zu viele Investitionen rentabel, die Nachfrage übersteigt das Angebot, die Preise steigen und ein kumulativer Prozess setzt ein.

Wicksells Theorie lieferte somit auch einen Ansatz für Erklärungen der Konjunkturschwankungen, deren regelmäßige Wiederkehr auf mehr oder minder systematische Änderungen des Marktzinssatzes oder des „natürlichen“ Zinssatzes zurückgeführt wurden, also auf Abweichungen zwischen InvestitionenInvestitionen und Ersparnissen.

Dennis RobertsonRobertson, Keynes’ Kollege in Cambridge, mit dem er häufig diskutierte, griff 1926 in seinem Buch „Banking Policy and the Price Level“ die Theorie von WicksellWicksell auf und arbeitete vor allem die Bedeutung des Bankensektors während der kumulativen Prozesse heraus. Keynes ist von diesem Autor sehr beeinflusst und bemerkt (1930/32, S. 376) nach einer kurzen Erörterung früherer Autoren: „Aber keiner dieser Schriftsteller erkennt klar die direkten Wirkungen des Ungleichgewichts zwischen Spartätigkeit und Investitionstätigkeit auf die Preise, sowie die Rolle, die die BankenBanken spielen. Das epochemachende Werk auf diesem Gebiet verdanken wir D.H. Robertson.“

RobertsonRobertson interpretierte die aus diesen kumulativen Prozessen resultierende Krise positiv als „Reinigungskrise“, in der schwache Unternehmen aus dem Markt ausscheiden und Platz für neue, kreative und tüchtigere Unternehmen schaffen. Daher hielt er es für falsch, die Krisen zu verhindern.

Keynes folgt WicksellWicksell und RobertsonRobertson darin, dass Preisänderungen durch Diskrepanzen zwischen den zinsabhängigen InvestitionenInvestitionen und Ersparnissen ausgelöst werden. Damit wendet sich Keynes von der früher von ihm noch vertretenen QuantitätstheorieQuantitätstheorie ab. Wie bei Wicksell und Robertson beeinflussen die BankenBanken den MarktzinsMarktzins durch ihre Kreditvergabe. Keynes geht über beide hinaus, indem er auch die Entscheidungen der Geldvermögensbesitzer einbezieht. Diese nehmen durch ihre Wahl zwischen Spareinlagen, Wertpapieren und Käufen von Investitionsgütern Einfluss auf die Höhe der Marktzinsen. Ihre Anlageentscheidungen hängen von unsicheren ErwartungenErwartungen über die Erträge der einzelnen Anlageobjekte ab.

Keynes betont, dass die InvestitionenInvestitionen (damit sind hier immer Investitionen in Sachwerte gemeint) zwar auch vom ZinssatzZinssatz abhängen, aber vor allem von den ErtragserwartungenErtragserwartungen der Unternehmen, die ihrerseits wegen der UnsicherheitUnsicherheit der Zukunft starken Schwankungen unterworfen sind. Daraus folgert er (1930/32, S. 371): „Wenn zwischen der Spartätigkeit und der Investitionstätigkeit ein Ungleichgewicht besteht, so ist dies sehr viel häufiger auf Schwankungen der Investitionstätigkeit zurückzuführen als auf plötzliche Veränderungen der Spartätigkeit, die vielmehr unter normalen Umständen ziemlich stetig verläuft.“

Wie Wicksell und Robertson konzentrierte Keynes seine theoretische Analyse darauf, die Änderungen des Preisniveaus zu erklären, die damals und wegen des Fehlens statistischer Informationen als repräsentativ für die konjunkturellen Schwankungen angesehen wurden. Im GleichgewichtGleichgewicht, wenn MarktzinsMarktzins und natürlicher ZinssatzZinssatz und damit InvestitionenInvestitionen und ErsparnisseErsparnisse übereinstimmen, erzielen die Unternehmen im Durchschnitt nur ihre normalen GewinneGewinne und sehen keinen Anlass, ihre Produktion auszudehnen. Übersteigen dagegen die Investitionen die Ersparnisse, fallen ExtraprofiteExtraprofite (windfall profitswindfall profits) an, welche die Unternehmen veranlassen, ihre Produktion auszudehnen. Da Keynes – wie in der MikroökonomieMikroökonomie üblich – von steigenden GrenzkostenGrenzkosten ausging, hat dies einen preissteigernden Effekt. Sobald die steigenden Preise weitere Investitionen hervorrufen, weil die Unternehmen höhere Erträge aus ihnen erwarten, setzt ein kumulativer Prozess ein.

Keynes konzentriert seine Analyse auf die Erklärung der Preisniveauschwankungen, obwohl er schon bei seinen Stellungnahmen gegen die Rückkehr zum GoldstandardGoldstandard mit dem Problem der zu niedrigen Beschäftigung argumentiert hatte. Auch in seinem Vortrag an der Universität Chicago im Juni 1931, in dem Keynes die Argumentation seiner „Abhandlung vom Gelde“ vorstellte, führt steigende Nachfrage ausschließlich zu steigenden Preisen. Nur am Rande spricht Keynes von den Möglichkeiten eines sinkenden Produktionsvolumens.

Diese einseitige Ausrichtung auf die PreisstabilitätPreisstabilität ist zum einen auf die geldtheoretische und geldpolitische Tradition zurückzuführen, zum anderen auf das Fehlen jeglicher statistischer Informationen über die gesamtwirtschaftlichen Größen wie Gesamtbeschäftigung, Sozialprodukt, Höhe der InvestitionenInvestitionen, des Konsums oder der Ersparnis. Bekannt waren nur – abgesehen von der Preisentwicklung – Indikatoren über die Produktion einiger wichtiger Erzeugnisse, über die ArbeitslosenquoteArbeitslosenquote bei den versicherten Arbeitskräften und (sehr detailliert) über den Außenhandel.

Zur Krise vertrat Keynes eine andere Position als RobertsonRobertson: Er erachtete es als besser, Abweichungen zwischen den beiden Zinssätzen zu verhindern und damit für PreisstabilitätPreisstabilität zu sorgen, statt in der Krise produktive Ressourcen brachliegen zu lassen. Dafür ist eine GeldpolitikGeldpolitik nötig, die den Marktzinssatz so beeinflusst, dass er dem natürlichen ZinssatzZinssatz entspricht und InvestitionenInvestitionen und ErsparnisseErsparnisse einander gleich werden.

Die damalige KonjunkturanalyseKonjunkturanalyse litt nicht nur unter dem Mangel an gesamtwirtschaftlichen Daten, sondern auch und noch mehr an einer fehlenden Theorie zur Erklärung des Beschäftigungsniveaus. Dies führte dazu, dass in theoretischen Diskussionen zu derartigen Fragen stillschweigend von VollbeschäftigungVollbeschäftigung aller Ressourcen, also auch der Arbeitskräfte, ausgegangen wurde. Zwar erwähnt Keynes des Öfteren, dass sich im Laufe der Konjunkturschwankungen die Beschäftigung ändert, aber diese Änderungen haben keine klaren Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftlichen Größen Volkseinkommen, Konsum und Ersparnis.

John Maynard Keynes

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