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Wodurch werden die Ersparnisse bestimmt?

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ErsparnisseDa nach traditioneller Lehre InvestitionenInvestitionen und ErsparnisseErsparnisse durch den ZinssatzZinssatz in Übereinstimmung gebracht werden, bleibt zu klären, ob sich beide Variablen aneinander anpassen oder ob eine der beiden die andere dominiert, sodass sich entweder die Investitionen an die Ersparnisse oder letztere sich an die Investitionen anpassen. Geht man – wie damals üblich – implizit von VollbeschäftigungVollbeschäftigung aus, so sind die Ersparnisse durch den Spareifer der Bevölkerung gegeben, der je nach Höhe des Zinssatzes angeregt oder gedämpft wird. Der Zinsmechanismus sorgt dann dafür, dass Investitionen in Höhe der Ersparnisse vorgenommen werden, sodass die Vollbeschäftigung erhalten bleibt.

In diesem Gedankengebäude bestimmen im Wesentlichen die ErsparnisseErsparnisse die InvestitionenInvestitionen; denn nur Güter, die nicht konsumiert werden, stehen für Investitionszwecke zur Verfügung. Gegen diese Vorstellung wendet sich Keynes und argumentiert, die InvestitionenInvestitionen seien nicht von der Ersparnis abhängig, sondern vom Verhalten des Bank- und Geldwesens (1930 / 1932, S. 416f):

„Die Kraft, welche die UnternehmenstätigkeitUnternehmenstätigkeit treibt, ist nicht die Ersparnis, sondern der Gewinn. Damit nun die Unternehmungstätigkeit lebhaft sei, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Es müssen Gewinnchancen vorliegen und es muß den Unternehmern möglich sein, Verfügungsmacht über genügend große Mittel zu erlangen, um ihre Pläne zur Durchführung zu bringen, (weil) ihre Fähigkeit, ihre Projekte zu Bedingungen, die ihnen vorteilhaft erscheinen, zur Durchführung zu bringen, fast ganz von dem Verhalten des Bank- und Geldwesens abhängt.“

Diese Hypothese stimmt mit den Überlegungen von SchumpeterSchumpeter – dem zweiten überragenden Ökonomen des 20. Jahrhunderts – überein. Schumpeter erläutert in seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ (1911, 1926 zweite überarbeitete Auflage), dass – ausgehend von einer vollbeschäftigten Wirtschaft – zusätzliche InvestitionenInvestitionen nur möglich sind, wenn der investierende UnternehmerUnternehmer Ressourcen aus ihrer bisherigen Verwendung abziehen bzw. abwerben kann. Zu diesem Zweck nimmt der typische Unternehmer einen Kredit auf oder gibt Aktien aus und kann mit den so erhaltenen Geldmitteln die benötigten Ressourcen an sich ziehen, indem er einen etwas höheren als den bestehenden Preis bzw. Lohn zahlt. Das GleichgewichtGleichgewicht wird damit gestört, und es beginnt ein expansiver dynamischer Prozess, der bei Schumpeter irgendwann zu einem neuen Gleichgewicht führt.

Was aber geschieht bei Keynes (1930)? Es liegt nahe zu vermuten, dass von den höheren Einkommen, die im Zuge des expansiven Prozesses entstehen, ein Teil gespart wird, sodass die zusätzlichen InvestitionenInvestitionen mit der Zeit durch höhere ErsparnisseErsparnisse ausgeglichen werden. Soweit hatte sich Keynes aber 1930 noch nicht von der impliziten Annahme der VollbeschäftigungVollbeschäftigung und der dadurch vorgegebenen gesamtwirtschaftlichen Ersparnis gelöst.

In welchem Ausmaß der Zusammenhang von Ersparnis und Einkommen von ihm wie von anderen Ökonomen jener Zeit unbeachtet und unverstanden blieb, zeigt Keynes’ BananenparabelBananenparabel, mit der er veranschaulichen wollte, welche Wirkungen eine plötzliche Zunahme der Spartätigkeit hat.

In dieser BananenparabelBananenparabel betrachtet Keynes eine geschlossene Volkswirtschaft, in der nur Bananen konsumiert werden. Die Wirtschaft ist in der Ausgangslage im GleichgewichtGleichgewicht, indem die produzierten Bananen alle konsumiert werden. InvestitionenInvestitionen und ErsparnisseErsparnisse stimmen überein, solange die Ersparnisse (der Nichtkonsum) derjenigen, die Bananen produzieren, verwendet werden, um die Arbeitskräfte zu versorgen, die die Plantagen erweitern oder ertragsreicher machen.

Keynes untersucht nun: Was passiert, wenn die Arbeiter plötzlich auf Grund einer Sparkampagne beschließen, mehr zu sparen, d.h. weniger Bananen zu essen? Daraufhin setze – selbst bei flexiblen Preisen und Löhnen – ein kontraktiver Prozess ein. Dieser nimmt, meint Keynes, erst ein Ende, wenn entweder

1 die Bananenproduktion ganz zum Erliegen kommt und die Bevölkerung verhungert, oder

2 die Sparkampagne abgeblasen wird bzw. wegen der zunehmenden Verarmung im Sande verläuft, oder

3 die InvestitionenInvestitionen irgendwie stimuliert werden.

Während die Lösungen (b) und (c) plausibel sind, gilt für die Lösung (a) das Gegenteil: Sie klingt aus heutiger Sicht absurd. Sie kann nur auftreten, wenn die ErsparnisseErsparnisse unabhängig vom Einkommen sind. Trifft man dagegen – wie es Keynes dann in seiner „Allgemeinen Theorie“ von 1936 tut – die realistische Annahme, dass die Spartätigkeit vor allem vom Einkommen abhängt, kann der Fall (a) gar nicht eintreten, weil mit schrumpfenden Einkommen die Ersparnisse auch zurückgehen. Der Abwärtsprozess kommt daher bereits zum Halt, wenn die ursprüngliche kampagnenbedingte Zunahme der Ersparnisse durch deren einkommensbedingte Abnahme wieder kompensiert wird.

Kasten 7: Die BananenparabelBananenparabel in grafischer Darstellung

Es seien Y das Einkommen, S die ErsparnisseErsparnisse und I die InvestitionenInvestitionen (ohne ungeplante Vorratsinvestitionen)

BananenparabelBananenparabel (Keynes 1930)

Bis zur Sparkampagne stimmen I und S0 überein. Angebot und Nachfrage sind einander gleich. Wenn die Kampagne einsetzt, steigt die Ersparnis auf S1. Es gibt (falls nicht die Lösungen b oder c greifen) kein GleichgewichtGleichgewicht mehr, egal wie tief Y sinkt.


Sparparadox (Keynes 1936)


Der Unterschied zwischen BananenparabelBananenparabel und Keynes’ späterer Analyse wird in Kasten 7 graphisch veranschaulicht.

Angesichts all dieser Widersprüche und Unklarheiten verwundert es nicht, dass Keynes mit seinem Werk unzufrieden war, und kurz darauf begann – unterstützt und angetrieben von einer Gruppe jüngerer Ökonomen – die Argumentation seines Werks kritisch zu hinterfragen und vor allem das Problem der UnterbeschäftigungUnterbeschäftigung in den Mittelpunkt zu rücken, dessen Brisanz durch die 1929 ausbrechende WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise offen zu Tage getreten war.

Bei einkommensabhängiger Ersparnis besteht in der Ausgangssituation gesamtwirtschaftliches GleichgewichtGleichgewicht nur bei Y0. Nach der Sparkampagne spart die Bevölkerung bei jedem Einkommen einen höheren Betrag und schränkt entsprechend ihren Konsum ein; jetzt gilt die Sparkurve S1. Daraufhin sinkt das Einkommen, aber nur solange, bis die Gesamtersparnis wieder auf die Höhe der InvestitionenInvestitionen zurückgeht. Die Situation hat sich also auch in dieser Betrachtung verschlechtert: Die Ersparnis ist nicht höher als zuvor, Einkommen und Produktion aber sind zurückgegangen. Die von den einzelnen Sparern erhoffte Verbesserung ihrer Vermögenslage durch mehr SparenSparen tritt wegen der gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht ein.

John Maynard Keynes

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