Читать книгу Schulkampf in Frankfurt - Jürgen Pyschik - Страница 8
Der unsichere Umgang mit der Förderstufe
ОглавлениеIn Frankfurt existierte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Schulentwicklungsplanes 1 ein erster Förderstufenversuch in der Glauburgschule, der unter Beteiligung der Bornheimer Realschule und der Musterschule zustande gekommen war. Sein Vorbild war das Modell des differenzierten Mittelbaus in Niedersachsen.
Die Ludwig-Richter-, die Karmeliter- und ab 1966 die Günderodeschule schlossen sich an. (a.a.O, S.2) Diese Modelle wurden anfangs von den Eltern angenommen, vor allem während der ersten zwei Jahre, um dann mit Rückgängen in den Schülerzahlen konfrontiert zu sein. Der Schulentwicklungsplan sieht die Ursachen in der Organisationsstruktur:
“Dieser jeweils ähnliche Verlauf ist auf annähernd gleiche Ursachen zurückzuführen. In einem Förderstufenversuch arbeiten Lehrer der betreffenden Volksschule mit Kollegen benachbarter Realschulen und Gymnasien zusammen. Das kollegiale Verhältnis zwischen diesen Lehrern mit unterschiedlicher Vorbildung und Titeln ist in der Regel ausgezeichnet. Wenn Mängel spürbar wurden, beruhten sie auf keinem Fall auf Spannungen zwischen den beteiligten Personen, sondern stets in der Problematik der Organisation. Von zwölf an einem Versuch beteiligten Lehrern sind nur die Hälfte Mitglieder des betreffenden Kollegiums. Die anderen sechs Lehrer kommen als ‘Gäste“ von zwei oder drei weiterführenden Schulen. Sie sind einerseits mit entsprechenden Aufgaben an einem Versuch beteiligt, andererseits — mit entsprechendem Pflichtkreis —Klassenlehrer an ihrer Stammschule. Somit werden sie permanent gedrängt, selbst oder durch äußere Einwirkungen Prioritäten zu schaffen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben. Es ist nur zu verständlich, dass der Stammschule dabei Vorrang eingeräumt wird, obwohl das pädagogische Gewissen nach Gleichrangigkeit verlangt. So eilen sie zwischen zwei Schulen her und hin, und die selbstgewählte Bezeichnung als “Wanderprediger“ erscheint für sie zutreffend. (a.a.0., S.3)
Es ist verständlich, dass die Förderstufenversuche unter einer solchen Belastung leiden, und es ist verständlich, wenn diese Förderstufenversuche in Frankfurt a.M. kaum repräsentative Ergebnisse bringen können, ehe es nicht gelingt, alle negativen Einflüsse weitgehend auszuschalten.
Der Plan formuliert daher als Bedingung für Förderstufen:
a.) Realschullehrer- und Studienratsstellen müssen für die Versuchsschulen geschaffen werden - oder
b.) die Versuche werden in Schulzentren (Gesamtschulen) erprobt.
Die einzige konkrete Möglichkeit eines Schulzentrums bietet zu dieser Zeit die Ernst-Reuter-Schule (Gesamtschule in der Nordweststadt). Nach dem derzeitigen Sachstand schien nur diese Schule in der Lage, gültige und im Blick auf eine obligatorische Einführung der Förderstufe übertragbare Versuchsergebnisse zu liefern. “Die bisher einzige Gesamtschule im Stadtgebiet kann alle angeführten Nachteile ausgleichen, und sie nimmt etwa 90 Prozent aller Schüler des 4. Schuljahres in die Förderstufe auf. (a.a.O., S.3)
Die Frage einer flächendeckenden oder zumindest umfassenden Einführung der Förderstufe im Stadtgebiet stellte sich für den Magistrat nicht - sah man doch die Möglichkeiten ihrer Einführung auch nach dem Hamburger Abkommen der Kultusminister noch eingeschränkt.
“Vor allem erscheint wesentlich, dass trotz Hamburger Abkommens noch kein Zeitpunkt einer obligatorischen Einführung zu erkennen ist. Daher bleibt für die Förderstufe nach wie vor nur der Weg über einen zu genehmigenden Schulversuch übrig". (a.a.O., S.102)
Und die Frage, ob neue Versuche einzurichten sind, wird klar negativ beschieden: „ Das Ziel des Deutschen Ausschusses, alle Schüler … über eine Förderstufe den richtigen, d.h. ihren Fähigkeiten adäquaten weiterführenden Schulen zuzuführen, lässt sich zur Zeit (noch) nicht verwirklichen“ (a.a.O, S.102) , obwohl man die negativen Auswirkungen dieser Situation benennen kann: “Daher werden weiterhin für den Besuch der Realschule geeignete Schüler in Gymnasien oder für das Gymnasium geeignete Schüler in Realschulen angemeldet. Außerdem ... bleibt ein erheblicher Prozentsatz für Realschule und Gymnasium geeigneter in der Hauptschule“. (a.a.O., S.102)
Als konkrete Maßnahmen für die Zukunft werden vorgeschlagen:
Weiterführung der Förderstufe in der Karmeliterschule
Die Albert-Schweizer erhält eine Förderstufe evt. nach Bau der Siedlung Klingenfeld, vorerst aber noch nicht.
Der Schulversuch Schwanheim (A.Gräser, M.Specht und Goldstein) wird eingerichtet, aber mit Blick auf ein Schulzentrum C.v.Weinberg-Schule
Das Schulzentrum Griesheim wird mit Förderstufe eingerichtet
Die Robert- Schumann- Schule soll die Förderstufe der L . Richter- Schule übernehmen
Im Gebiet “Riederwald“ sollen Förderstufen an der Pestalozzi- und der K. Haenisch- Schule eingerichtet werden
An der Ackermann-, Hellerhof- und Günderodeschule soll es Förderstufen geben
Insgesamt sieht der Plan bis zum Jahr 1972 die Existenz von 11 Standorten an den Frankfurter Hauptschulen bzw. Schulzentren vor.
„ Weitere Versuche erscheinen unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht ratsam. Die Zahl der genehmigten und noch geplanten Versuche reicht aus, um mehr Schülern als bisher den Zugang zu weiterführenden Schulen zu öffnen. Allerdings bleibt die Lenkung zur richtigen Schulart - Realschule oder Gymnasium - für die Mehrzahl aller Schüler problematisch, die Einführung der obligatorischen Förderstufe daher wünschenswert. Aber selbst eine Förderstufe bleibt Stückwerk, wenn sie nicht in eine integrierte Gesamtschule einmündet“. (a.a.O., S.105)