Читать книгу Das bunte Leben eines einfachen Seemanns - Jürgen Ruszkowski (Hrsg.) - Страница 10

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Port Said und der Suez Kanal

Irgendwann kamen wir in Port Said an. Nachdem wir erst einmal vor Anker mussten, liefen wir in den überfüllten Hafen ein, um hier zu bunkern. Angeblich sollte hierher auch ein wichtiges Ersatzteil für die Maschine eingeflogen worden sein. Kaum waren wir an der Pier fest, da „überfielen“ uns auch schon die fliegenden Händler mit Textilien und Souvenirs. Ich erstand damals eine Dreiecksflagge mit silberfarbenem Besatz und dem angedeuteten Fahrwasser des Suez-Kanals, ein Erinnerungsstück, das ich lange Zeit verwahrte, das dann aber doch irgendwann über den Deister gegangen ist - wie so vieles.

Einen Tag später kam dann die arabische Kanalbesatzung an Bord, und wir steuerten in den Suez-Kanal ein. Sobald die Silhouette des gerade verlassenen Hafens und der Stadt verschwunden war, sah man links und rechts nur noch Sand, richtige Wüste, vor uns in sichtbarer Entfernung ein japanisches Schiff, hinter uns, auch immer gut sichtbar, das auch mit uns im Konvoi fahrende Schiff der Hansa-Reederei aus Bremen. Dieses Schiff hatte ich schon in Port Said gesehen und die gewaltigen Masten mit dem dazwischen liegenden Schwergutbaum bewundert. Ich weiß noch, dass wir in einer Weiche, einem breiteren Stück des Suez-Kanals, wie auch alle anderen Schiffe des Konvois, eine zeitlang ankern mussten, um den entgegenkommenden Konvoi durchzulassen, habe aber ansonsten keine großen Erinnerungen mehr an die Durchfahrt.

Der Kanallotse ging mit seiner Begleitung am Ende des Kanals wieder von Bord, und die ELISABETH BORNHOFEN war jetzt im Roten Meer, wo reger Schiffsverkehr herrschte. Außerdem war es glutheiß. Einer der Leichtmatrosen demonstrierte mit einem vom Koch geklauten rohen Ei, das er auf einem Poller an Deck in der Sonne aufschlug, wie leicht hier die Zubereitung von Spiegeleiern war.

Vorfreude auf Japan

Nach der Durchfahrt durch das Rote Meer kam noch einmal eine Meerenge, Bab el Mandeb, wo man auf beiden Seiten Land sehen konnte. Danach schipperten wir, wie ich auf meiner Karte sehen konnte, im Golf von Aden, später dann im Indischen Ozean.

An den vielen warmen Abenden, an denen wir oftmals bei kühlen Getränken bis spät in die Nacht an Deck saßen, lauschte nicht nur ich den Erzählungen der älteren Besatzungsmitglieder, die viel über Japan und vor allen Dingen über die guten Einkaufsmöglichkeiten für technische Waren erzählten. Alle nahmen sich vor, sparsam zu leben, um in Japan möglichst viel Brauchbares erwerben zu können.

Die Tage auf See waren alles andere als spannend. Ich konnte aber wieder einmal die verschiedensten Charaktere kennen lernen. Da war Rudi Schlag, der Bootsmann, ein Hüne, hier in den heißen Regionen immer in abgeschnittenen Jeans und mit Schlappen an den Füssen, einem - oder auch oftmals zehn Flaschen - Exportbier nicht abgeneigt, er vertrug sie meistens auch gut - meistens!

Peter, einer der Matrosen, klein, untersetzt, ein Alleskönner in seinem Beruf, machte nie viel Worte, erledigte eher alles selbst, hatte gute Nehmerqualitäten, auch bei vorkommenden körperlichen Auseinandersetzungen an Land, die auch noch kommen sollten. Zu den ganz Geizigen gehörte Peter. Er war immer korrekt, trank stets nur wenig Alkohol, auch wenn es ihn umsonst gab, war Nichtraucher, hilfsbereit, ein guter Zuhörer. Er drängte sich nie auf, verschwand bei Landgängen immer dann, wenn es brenzlig wurde, war trotzdem beliebt bei allen Besatzungsmitgliedern, nur mit einem Schmierer hatte er immer Zoff.

Der Zimmermann, den ich ja schon mal angesprochen hatte, war annähernd 100 kg schwer, groß, strohblond mit halblangen Haaren. Sein Fach beherrschte er, das musste man ihm lassen. Was er nicht ertragen konnte, war eine Widerrede, in jeglicher Situation. Auch gegenüber den Führungskräften an Bord gab er nicht nach, hatte damit komischerweise fast immer Erfolg, keiner wusste, warum.

Bei der Decksbesatzung habe ich keine Erinnerung an noch mehr besonders auffällige Matrosen oder Junggrade. Die Reiniger und Schmierer aus der Maschine nahmen ja an einer separaten Back in der achtern liegenden Messe ihre Mahlzeiten ein. Zwischen den Mannschaftsmitgliedern der Decks- und der Maschinencrew bestand auch hier, wie schon auf der STECKELHÖRN, eine nicht erklärliche Dauerfeindschaft, die manchmal schon sehr skurrile Formen annahm.

Die Offiziere waren alle recht umgänglich. Viel hatte ich vorerst mit ihnen nicht zu tun, da ich ja keine Wache mitging. Den Kapitän habe ich manchmal tagelang gar nicht gesehen, auch der Chief war oft für mehrere Tage unsichtbar. Das war ganz anders bei dem fleißigen Elektriker, einem etwa 40jährigen Werftelektriker aus Wedel bei Hamburg, ein durchaus umgänglicher, überhaupt nicht eingebildeter Fachmann, der bedauerlicherweise bei schlechtem Wetter immer mit der Seekrankheit zu kämpfen hatte. Jetzt, bei der langen Seereise nach Japan, hatte er genug Zeit, sich nach und nach alle E-Winschen vorzunehmen. Stundenlang saß er oft vor den geöffneten Winden und fummelte an uns unbekannten elektrischen Teilen auf den Deckshäusern herum, bei diesen Temperaturen wahrlich kein Vergnügen.

An Deck fiel auch oftmals der vierte Ingenieur auf. Manche fragten sich, was er eigentlich für eine Funktion hatte. Er pflegte bei seinen unendlich ausdauernden Spaziergängen an Deck, entgegen den unabänderlichen Gewohnheiten der Offiziere, Ingenieure und Assis, die eine Khaki-Hose mit Khaki-Jacke trugen, kurze Boxershorts mit der Uniform-Khaki-Jacke darüber zur Schau zu stellen. Dabei bediente er sich bei jedem Vorbeikommen an der Kombüse bei Luke vier immer mindestens einmal an dem vom Koch im Schatten bereitgestellten Kaltgetränk mittels eines Blechbechers, der mit einer Kette am Behälter befestigt war.

Dann war da natürlich noch der Koch mit seinem Kochsmaaten. Der Koch, bestimmt über 120 kg wiegend, mit einer weit über den Hosenbund herunterhängenden Wampe, war verständlicherweise hier bei den hohen Temperaturen immer in Schweiß gebadet. Dies ermutigte ihn umso mehr, laufend irgendwelche Getränke in sich hineinzuschütten, dabei spielte es keine Rolle, um was es sich handelte, Hauptsache eisgekühlt. Die fachlichen Qualitäten des Kochs standen in meiner ganzen Fahrenszeit auf der ELISABETH BORNHOFEN nie zur Diskussion, wenngleich auch bei Unterhaltungen unter der Decksbesatzung immer mal wieder das Gerücht die Runde machte, er würde für „die da oben“ öfter mal was Besseres kochen. Bestätigt hat sich das nie. Sein Kochsmaat, ein gelernter Bäcker, sorgte immer für frische Brötchen und verstand sich auch bei Landgängen ausgezeichnet mit seinem direkten Vorgesetzten. Nie hat man einen von ihnen alleine wieder von Land kommen sehen. Auch an Bord hockten beide in ihrer Freizeit immer zusammen. Vielleicht lag es daran, dass beide gebürtig aus Neumünster in Schleswig Holstein waren. Beide waren übrigens ganz heiße Fußballfans. Als erste nahmen sie am Wochenende immer die vom Funker gelieferten und ausgedruckten Fußballergebnisse in Empfang.

Weihnachten auf See

Inzwischen rückte das Weihnachtsfest immer näher. Es musste auf See gefeiert werden, Japan war noch weit entfernt. Irgendwie tauchte an Bord ein mittelgroßer Weihnachtsbaum auf, er verschwand mittschiffs. Ich hatte damals keine Ahnung, dass wir Heiligabend Gast oben beim „Alten“ im Salon sein würden, wo es auch für alle, die nicht abends in den unabänderlichen Schiffsbetrieb eingebunden waren, genügend zu trinken gab, anfangs noch eine vom Koch vorbereitete Bowle, danach wurde zu härteren Sachen gegriffen, wobei wir Junggrade uns unter den vielen Offiziersaugen leider sehr zurückhalten mussten. Aber das wurde dann später achtern in der Messe gemeinschaftlich nachgeholt. Die vorzügliche Ente (oder war es eine Gans?) musste jedenfalls schwimmen. Dass die auf der ganzen Reise unsichtbare Weihnachtstanne irgendwann umkippte, nahmen alle nur am Rande wahr. Die einzigen, denen dies „Friedensfest“ nicht so recht in den Kram passte, waren der Kajütsjunge und der Chief-Steward: Sie mussten anschließend alles wieder herrichten. Wir feierten ja ganz ungezwungen in der besten Stube des Kapitäns, und deren Reinhaltungspflicht oblag ja diesen beiden, wobei abzusehen war, dass der Käjütsjunge fast alle Reinigungsarbeiten machen musste. Der Steward jedenfalls war bekanntermaßen ein ganz fauler Sack. Außerdem bezichtigten ihn verschiedene Matrosen immer wieder des Betruges bei der Herausgabe und Abrechnung der Kantinenware, die er unter sich hatte. Da gab es schon mal verloren gegangene „Tickets“ und auch mal überhöhte Preise. Mehrere Male wurden dem hoch aufgeschossenen, immer gut gekleideten Steward von den Vollgraden Schläge angeboten, dazu gekommen ist es aber nie.

Abgesehen von immer mal wieder plötzlich einsetzenden Regenperioden hatten wir diese ganze Reise sehr zufriedenstellendes Wetter. Auch als unser Schiff nach Durchfahren des Südchinesischen Meeres in den Pazifischen Ozean kam, blieb es standhaft, und alle an Bord sprachen jetzt immer öfter von unserem Japanischen Zielhafen Kobe.

Sylvester wurde ohne große Feier auch an Bord verlebt. Abgesehen vom total besoffenen Bootsmann, der morgens nicht zum Frühstück erschienen war und in seiner Kammer in komaähnlichem Zustand aufgefunden wurde, hielten sich alle zurück.

Das bunte Leben eines einfachen Seemanns

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