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Wohin geht's, Seemann?

Eine Fahrt mit dem Zug von Lübeck nach Hamburg dauerte damals wie heute eine knappe Stunde. Schneller als mir lieb war, saß ich drin und war gespannt, was mich in Hamburg erwarten würde.

Ausgestattet mit sauberer Wäsche, die in meinem Seesack verstaut war, und etwas Bargeld für eine eventuelle Unterkunft in einem Seemannsheim kam ich am 16. Juli 1957 in Hamburg auf dem Hauptbahnhof an. Die Adresse der Heuerstelle hatte ich bei mir, ebenso mein Allerheiligstes, das neu erstellte Seefahrtbuch.

Nachdem ich mich erkundigt hatte, wie ich denn nun zur Heuerstelle, die dicht bei den St. Pauli-Landungsbrücken lag, kommen könnte, saß ich schon wieder in einem Zug, diesmal der U-Bahn, die mich bis zur Haltestelle St. Pauli-Landungsbrücken brachte. Von dort machte ich mich zu Fuß auf bis zur Heuerstelle.

Ich kann heute nicht mehr sagen, was für Vorstellungen ich von einer Heuerstelle hatte. Als ich jedenfalls das Haus in Hamburg betrat, war ich überrascht. Es mögen wohl 100 Leute gewesen sein, die hier auf Fluren und Gängen standen. Alle schienen sich irgendwie zu kennen, denn jeder sprach mit jedem, und über was! Ich hatte keinen blassen Schimmer von dem, was hier ablief, aber ich hatte zwei gesunde Augen und merkte schnell, wie alles ablief. Ab und zu öffneten sich kleine Klappen von einem der angrenzenden Büros, ein Gesicht war zu sehen und begann zu rufen: „Matrosen für ‚BERNHARD RUSS’!“ oder „drei Heizer für ‚TETE OLDENDORFF’!“ und Ähnliches. Daraufhin drängten sich immer wartende Leute zu den kleinen Schaltern und warfen ihre Seefahrtbücher hinein. So war das also. Der Mann da hinter der Klappe hatte die Fäden in der Hand, und es gab nicht nur eine Klappe, sondern bestimmt fünf oder sechs davon, und hinter allen herrschte rege Tätigkeit.

Da ich als Schiffsjunge anfangen musste, brauchte ich also nur zu warten, bis dieser Dienstgrad aufgerufen wurde. Nach etwa einer Stunde war es soweit. Heizer, Matrosen, Jungmänner und Leichtmatrosen, Reiniger und Schmierer waren glücklich gemacht worden, dann kam für mich der Aufruf: „Schiffsjungen für mehrere Schiffe, alle Fahrtgebiete.“ Was ich doch drängeln konnte! So schnell habe ich selten eine Wegstrecke von etwa fünf Metern zwischen anderen wartenden Leuten zur Klappe hin zurückgelegt, mein Seefahrtbuch rein gegeben, wie auch noch vier andere schmalgesichtige junge Männer, und jetzt hieß es warten.


Nach etwa 20 Minuten ging die Klappe auf und mein Name wurde gerufen. Der Mann, von dem ich nur das Gesicht sehen konnte, gab mir das Seefahrtbuch wieder, zusammen mit einem Heuerschein, wie ich schnell erkannte. Nach ein paar zusätzlichen Informationen, die aber für mich völlig unwichtig waren, wurde ich nun endlich vertraglich in die Arbeitswelt entlassen.

Wie ich aus dem empfangenen Papier, dem Heuerschein, entnehmen konnte, lag das Schiff, die „STECKELHÖRN“ an den Pfählen im Hafenbecken von Waltershof. Also, nichts wie hin, aber wie? Gut, dass wohl jemand meine ratlose Miene beim Studieren des Heuerscheins richtig deuten konnte, denn von ihm, einem bärtigen Endfünfziger, erfuhr ich, von wo aus ich mit einem Boot zum Hafenbecken nach Waltershof kommen würde.

Zu Fuß war es zum Glück nicht weit bis zu den Landungsbrücken, wo die Barkasse abfahren sollte Nachdem ich mich an den langen Anlegestegen durchgefragt hatte, fand ich schnell die Stelle, wo das Boot schon von mehreren Seeleuten erwartet wurde. Durch Zufall hörte ich aus einem Gespräch heraus, dass auch ein Matrose auf die STECKELHÖRN wollte, also hängte ich mich an ihn, und schon eine Stunde später stand ich an Deck des Schiffes, das mich in die „weite Welt“ hinausbringen sollte.



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