Читать книгу Das bunte Leben eines einfachen Seemanns - Jürgen Ruszkowski (Hrsg.) - Страница 4
ОглавлениеUwe Heins – Herkunft und Kindheit
Geboren wurde ich 1940 in Altlandsberg und anschließend auch dort getauft. Dieser Ort liegt in der Nähe von Berlin, wo meine Mutter bei der LVA arbeitete. Einen Vater gab es zwar, ich habe ihn aber nie kennen gelernt.
Meine Grosseltern mütterlicherseits wohnten in einer Schule in Lübeck-Moisling. Als mein Großvater, der damals sehr kriegsbegeistert war, mich das erste Mal im Arm hatte, gab er mich nicht wieder her, somit wuchs ich bei meinem Opa und meiner Oma in Lübeck auf, wurde auch hier eingeschult.
Nach dem Kriege zogen wir nach Lübeck-Karlshof, einer Wohnsiedlung in Richtung Travemünde. Hier trat ich damals dem Fußballverein LBV Phönix bei, deren Platz in unmittelbarer Nähe lag. Die Schulzeit sowie die Freizeitaktivitäten genoss ich gemeinsam mit einem Namensvetter Joachim Heins, zu dem ich immer noch Kontakt habe, sehr. Noch heute kann ich mich genau an viele gemeinsame Unternehmungen erinnern. Oftmals tobten wir nachmittags im nahe gelegenen Lauerholz herum. Die Querwege hatten für uns immer fortlaufende Wegnummern. Hier übersprangen wir fast unüberwindlich breite Gräben, bauten Hütten aus Holz. Im Winter liefen wir auf den breiten zugefrorenen Gräben Schlittschuh und spielten mit krummen Stöcken Eishockey. In einer nahe gelegenen Sandkuhle mit angrenzendem Fichtenwald spielten wir „Indianer“. Unsere Kriegsschreie könnte ich noch heute genau wiederholen, auch unser geheimes Erkennungswort weiß ich noch: „Feurige Lohe“. Ich erinnere mich auch noch an den gelblichen Hund, der in Lübeck-Karlshof rechts neben dem Haus Am Rusch 13 bellte. Hinter diesem Haus der Familie Heins befand sich eine Frettchenzucht, die mir Joachim oft zeigte. Durch die unterschiedliche schulische Weiterbildung und den Fortzug meiner Mutter in die Lübecker Innenstadt lockerte sich dann meine Freundschaft. Ein loser Kontakt blieb aber immer. Meine Mutter war inzwischen verheiratet, und ich hatte auch Halbgeschwister.
Irgendwann konnte meine Großmutter nicht mehr so für mich sorgen, wie es hätte sein müssen, und ich kam zu meiner Mutter und zu meinem Stiefvater nach Lübeck. Ich besuchte bald darauf die Mittelschule und musste sehr darunter leiden, dass alle meine Lehrkräfte einmal bei meinem Großvater zur Schule gegangen waren, und damals hatte ja wohl noch der Rohrstock regiert. Noch heute meine ich, dass meine insgesamt sieben Fünfen, die ich in der 9. Klasse im Zeugnis hatte, und die mich zur unweigerlichen Wiederholung des Schuljahres zwangen, versteckte Racheakte der Lehrer waren. Aber auch das überstand ich und schloss 1957 mit der Mittleren Reife die Schule ab. Einen Berufswunsch hatte ich nicht zu haben, es war ganz klar, dass ich zur Bundesbahn gehen würde, mein Großvater (stiefväterlicherseits) war Inspektor bei der Bahn und wollte dies schon richten.
Wir wohnten damals inzwischen in der Moislinger Allee in Lübeck, Bahnhofsnähe mit Blick aus dem 3. Stock auf das gesamte Panorama von Lübeck, allem voran das weltbekannte Holstentor.
Dann kam der Tag, der mein Leben verändern sollte. Wie des Öfteren, schlenderte ich durch den nahe gelegenen Lübecker Hauptbahnhof. An einer dieser früher üblichen Kartenkontrollstellen entdeckte ich einen ehemaligen Schulkollegen, der, weil er nicht kleben geblieben war, ein Jahr früher die Schule verlassen konnte und jetzt bei der Bahn eine Ausbildung machte. Er knipste hier die Fahr- und Bahnsteigkarten, die zu damaligen Zeiten vorgezeigt werden mussten und entwertet wurden. Erstaunt fragte ich ihn, ob solche „Arbeiten“ auch zu der Ausbildung zum höheren Dienst gehören würden. Es kam ein eindeutiges „Ja“. Ich weiß heute nicht mehr, woher ich den unglaublichen Mut hatte, meiner Mutter entgegenzutreten und zu sagen, dass dies doch wohl in keinem Fall etwas für mich wäre. Ich würde nie und nimmer zur Bahn gehen, da könne passieren, was da wolle. Es muss sie sehr beeindruckt haben, denn sie versprach mir, mit mir zum Arbeitsamt gehen zu wollen, und zwar so schnell wie möglich.
Ich brauchte nicht lange zu warten, da machte meine Mutter ihr Versprechen wahr und schleppte mich zum Arbeitsamt. Ich weiß heute nicht mehr, welche Fragen das damalige Gespräch mit dem Berufsberater beinhaltete, ich musste jedenfalls nach etwa 20 Minuten nach draußen auf den Flur, und meine Mutter sprach alleine mit dem Mann. Als sie aus dem Zimmer herauskam, wollte ich natürlich wissen, was denn nun der Tipp des Berufsberaters sei. Sie meinte, der einzige Rat, den der Berufsberater ihr gegeben hätte, war der, dass es wohl am besten sei, man würde mich in die weite Welt entlassen.
Nun weiß ich heute, dass ich damals sicherlich noch nicht reif genug war, einfach so in die Welt hinaus zu gehen, was immer es auch heißen konnte. Durch einen Kontakt bei uns im Hause kam das Gespräch auf die „Christliche Seefahrt.“
Ich glaube nicht, dass ich damals euphorisch gejubelt habe, aber ich konnte mich in meinem damals naiven pubertären Denken mit dem Gedanken anfreunden, irgendwo auf Haiti am Strand spazieren zu gehen.