Читать книгу Helden für einen Sommer - Jürgen Thiem - Страница 13
ОглавлениеJugend forsch
Zweimal hatte Schalke in der Vorsaison gegen 1860 München gewonnen. In beiden Spielen boten die Löwen ein neues Stürmertalent auf: Klaus Fischer. Ein Tor hat er in diesen Partien zwar nicht gemacht, dafür aber mächtig Eindruck. Auf das Schalker Bankpersonal und ein paar Meter weiter oben, auf die Tribünengäste. Nach dem 3:1-Sieg im Februar 1970 bedrängt Fritz Szepan Günter Siebert: „Den müssen wir holen!“
Leichter gesagt als getan. Fischer hat in seiner ersten Bundesligasaison gleich 19 Tore erzielt. Die Bewerber stehen Schlange. Günter Sieberts Ehrgeiz aber ist längst geweckt. Für seine Traumelf fehlt ihm noch ein echter Torjäger. Dem einstigen Mittelstürmer bereitet die Torflaute geradezu körperliche Schmerzen. In der Vorsaison haben Schalkes Spieler ganze 43 Tore bejubelt. Erfolgreichster Schütze war Manfred Pohlschmidt, mit fast 30 Jahren in Sieberts Augen so etwas wie ein Auslaufmodell. Keine Frage, dieser Fischer ist genau das, was Schalke sucht. Jung, wendig, kopfballstark, ein echter Strafraumstürmer eben. Seine Verpflichtung ist Chefsache, ein Stück weit auch geheime Kommandosache. Zumindest in der Theorie. In der Praxis ist sie eher eine Mischung aus Schmierentheater und Komödienstadl.
Doch der Reihe nach. Siebert lässt nichts unversucht, den 20-Jährigen für seine Pläne zu gewinnen. Die erste Kontaktaufnahme kann alles entscheidend sein. Das weiß der Präsident aus – zumeist guter – Erfahrung. Siebert muss nach München reisen, so viel ist klar. Und er darf dabei nicht erkannt werden. Anfang April stoppt er seinen Mercedes kurz hinter der Münchener Stadtgrenze. Neben ihm sitzt Schatzmeister Aldenhoven. Siebert öffnet das Handschuhfach. Aldenhoven grinst. Siebert greift zu. Eine Minute später sehen beide aus wie Handlungsreisende aus Istanbul. Die Schnurrbärte sitzen, die Hüte sind tief in die Stirn gezogen. Als sie Klaus Fischer nach dem Training an der Grünwalder Straße ansprechen, fühlt der sich zunächst im falschen Film. Es dauert ein paar Sekunden, bis der Verwirrte die präsidiale Maskerade durchschaut. Sie beeindruckt ihn aber offensichtlich, denn nur zwei Wochen später sitzen die Herren Siebert und Aldenhoven im elterlichen Wohnzimmer in Zwiesel.
Auch hier bedarf es besonderer Anstrengungen. Da ist zum einen die Mutter des Torjägers, der die beiden Schalker in weiser Voraussicht zur Begrüßung einen dicken Blumenstrauß in die Hände drücken. Passend zum Präsent lässt der Präsident eine blumige Rede folgen, über die Vorzüge seines Vereins, seiner selbst und überhaupt. Die Mutter zeigt sich wenig beeindruckt: „Da ist mir der Junge zu weit weg. Da sehen wir ihn ja gar nicht mehr!“ Siebert tätschelt Mutter Fischer den Arm: „Ach wissen Sie, genauso hat meine Mutter damals auch geredet …“ Er erzählt ihr die Geschichte seines Lebens, die Geschichte des jungen Mannes, der gegen den Willen der Mutter die Heimat verließ, um im fernen Gelsenkirchen sein Glück zu suchen und zu finden. Die Geschichte ist noch nicht ganz zu Ende erzählt, da schellt es an der Tür. Oh je, es ist 1860-Geschäftsführer Ludwig Maierböck! Siebert und Aldenhoven ergreifen die Flucht. Nur wohin in der Eile? Das Fenster!
Sekunden später stehen die beiden auf der Terrasse. Ohne Mantel. Es ist kalt im April im Bayrischen Wald. Und der Maierböck hat anscheinend auch eine Lebensgeschichte zu erzählen. Gut eine Stunde harren sie aus. Frierend, mit ihrem Schicksal hadernd, nach einer Beruhigungszigarette schmachtend. Wie Gangster auf der Flucht. Dann wird das Fenster von innen wieder geöffnet. Die beiden kehren in die Wärme zurück. Und siehe da: Der unerwartete Besuch des Kollegen hat – mal abgesehen von einigen leichteren Erfrierungserscheinungen – nicht geschadet, im Gegenteil. Die Fischers sind jetzt einhellig der Meinung, Schalke sei für ihren Klaus die beste Lösung. Was wohl durchaus auch mit dem Barscheck zu tun hat, den Günter Siebert aus dem Jackett zieht, mehr noch mit der Summe, die er darauf einträgt: 120.000 Mark. Da Klaus Fischer noch nicht volljährig ist, unterschreibt der Vater das von Siebert vorbereitete Vertragswerk.
Schön und gut, aber für den Vorhang ist es noch viel zu früh in diesem Schauspiel. Wenige Tage später bringt der Postbote einen Brief aus Zwiesel auf die Schalker Geschäftsstelle. Inhalt: der unangerührte Barscheck. In einem beigelegten Brief bedankt sich Klaus Fischer für die Wertschätzung und erklärt, dass er jetzt doch bei 1860 unterschrieben habe.
Siebert ist sprachlos. Sollte er nach all den Anstrengungen am Schluss doch noch als Verlierer dastehen? Doch Aufgeben ist bekanntlich seine Sache nicht. Siebert schaltet den DFB ein. Praktisch eine Selbstanzeige. Schließlich dürfen Verträge erst nach dem 1. Mai unterschrieben werden. Aber darauf kann er jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Er will den Fischer haben. Koste es, was es wolle. Und diesmal hat Siebert Glück. Der DFB prüft den 1860-Vertrag und stößt auf eine grafologische Merkwürdigkeit. Der Namenszug unter dem Papier stammt nicht aus der Feder von Fischers Vater. Es handelt sich um eine Fälschung – durch Geschäftsführer Maierböck. Ein schlechter Scherz, der beim DFB für weit weniger Amüsement sorgt als auf Schalke. Auch über die in Frankfurt verhängte Vertragsstrafe können Siebert und Aldenhoven jetzt nur noch lachen. Schalke zahlt 10.000, Fischer selbst 15.000 Mark. Geld, das er auf Umwegen schnell wiedersieht.
Um den Zwieseler Neuzugang Klaus Fischer buhlten gleich mehrere Klubs.
Fischers Wohlfühlfaktor ist dennoch gering in seinen ersten Monaten im Ruhrgebiet. Ähnlich wie zuvor Rolf Rüssmann muss auch der Mittelstürmer erkennen, dass es mit der Professionalität beim Traditionsklub noch nicht so weit her ist. In den ersten sechs Wochen wohnt er in einer 20-m²-Wohnung, die einem Freund Sieberts gehört. Als Fischer auf Umzug drängt, stellt der Verein eine möblierte Wohnung in der Lilienthalstraße zur Verfügung. Die Möbel aber haben ihre besten Tage hinter sich. Seine Frau Margit weigert sich, einzuziehen. Wieder wird Fischer zaghaft bei Siebert vorstellig. Die Möbel werden durch neue ersetzt.
Nach dem Training erzählt der Bayer Rolf Rüssmann von seinen Problemen. Der nimmt sich sogleich des Zuwanderers an, steht Fischer und seiner Frau, wann immer er kann, mit Rat und Tat zur Seite. Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Rüssmann selbst wohnt zu diesem Zeitpunkt immer noch in der Stehler Straße, bei Mutter Wernscheidt. Eine nette alte Dame, die für Schalker Talente unterm Dach zwei Zimmer mit je zwei Betten bereithält. Familiäre Atmosphäre, Frühstück und Abendessen inklusive. Eine Zeitlang teilt sich Rüssmann ein Zimmer mit Klaus Scheer, bis der, frisch verheiratet, in den Marler Stadtteil Polsum zieht.
Günter Siebert müht sich um weitere Unterbringungsmöglichkeiten für Talente. Da passt es gut, dass er so ganz nebenbei auch noch die Speisegaststätte der Trabrennbahn am Nienhauser Busch pachtet. In Hinterzimmern lässt er Doppelstockbetten aufstellen. Platz für bis zu 14 S04-Profis der Zukunft. Es bedarf kaum einer Erwähnung, dass er sich Kost und Logis vom Verein anständig bezahlen lässt.
Keine Frage, der Präsident hat seine Auslagen. Kritiker sind rar. Im eigenen Lager gibt es sie praktisch nicht. Wozu auch? Schließlich nimmt Sieberts Wunschmannschaft mehr und mehr Form an. Lütkebohmert, Scheer, Rüssmann und Sobieray haben den Sprung bereits geschafft. Jetzt kommen neben Fischer mit Dieter Burdenski und Klaus Beverungen noch zwei weitere Talente aus der Stadt hinzu. Der 19-jährige Burdenski, Sohn des Ur-Schalkers und Trainers Herbert Burdenski, soll den nach Kaiserslautern abgewanderten Josef Elting als zweiten Torwart ersetzen. Jugendnationalspieler Beverungen, 18 Jahre jung, wie Norbert Nigbur aus Heßler, ist eine Zukunftsoption fürs Mittelfeld. Mit Gerhard Neuser und Hermann Erlhoff verlassen zwei Routiniers den Verein. Rot-Weiss Essen zahlt für Erlhoff glatte 100.000 Mark Ablöse. Es ist der bis dato höchste Transferbetrag für einen Nicht-Nationalspieler.
Siebert bastelt und feilt an allen Ecken und Enden. Wieder mal kommt ihm sein guter Draht ins Rathaus zugute. Stadtdirektor König reduziert auf Sieberts Drängen hin die Stadionmiete von zehn auf fünf Prozent der Eintrittskartenerlöse. Und damit noch nicht genug. König schafft, wenn er denn schon mal dabei ist, auch noch die Vergnügungssteuer für Fußballvereine ab. 1968 hatte Schalke dafür noch knapp 400.000 Mark bezahlt.
Wirtschaftlich bekommt Schalke allmählich Luft zum Atmen. Sportlich betrachtet ist die Luft nach wie vor dick. Die permanenten Spannungen zwischen Siebert und Gutendorf rufen zu Saisonbeginn die Sportjournalisten auf den Plan. In einer bundesweiten Umfrage nennen diese mit eindeutiger Mehrheit Rudi Gutendorf als erstes Traineropfer der Saison 1970/71. Dabei scheint der sich inzwischen an Sieberts Denken und Reden gewöhnt zu haben. Nach dem erfreulichen 3:3-Unentschieden zum Auftakt in Braunschweig lobt er ausdrücklich: „Die Saat im Talentschuppen von Siebert geht immer besser auf.“
Doch Gutendorf hat noch andere Baustellen. Allen voran wieder mal Kapitän Stan Libuda, der, wie Klaus Fichtel, eine grandiose WM gespielt hat. Was ihm allerdings über sein größtes Problem nicht hinweghilft. Am Abend vor dem ersten Heimspiel gegen Duisburg telefoniert Libuda aus der Sportschule Wedau nervös mit seinem Sohn Matthias. In der Nacht weckt er seinen Zimmernachbarn Klaus Scheer. Er habe Blut im Urin, müsse dringend zum Arzt. Scheer soll ihn am nächsten Morgen bei Gutendorf entschuldigen. Als Libuda nach dem Frühstück immer noch nicht aufgetaucht ist, streicht ihn Gutendorf aus dem Kader. Lange hat er seine schützende Hand über sein labiles Genie gehalten, hat Libudas Frau Gisela sogar bei seiner Frau Ute übernachten lassen, nur damit der Stan beruhigt war. Jetzt aber muss Schluss sein. Der Trainer muss an sich selbst denken. Er hat viel zu verlieren. Das Spiel gegen Duisburg aber gewinnt er durch ein Tor von Klaus Scheer mit 1:0.
Bauchschmerzen bereiten Gutendorf auch die müden Vorstellungen von Klaus Fischer. Ähnlich wie seinerzeit bei Aki Lütkebohmert erklärt der Trainer den schwachen Saisonstart des Mittelstürmers mit dessen Wehrdienst. Dabei ist dieser für ihn bislang eher eine leichte Übung. Fischer muss sich jeden Morgen in der Kaserne in Unna vorstellen, darf anschließend wieder nach Hause bzw. ins Training fahren.
Am dritten Spieltag, beim 1:1 in Stuttgart, ist es endlich so weit. Nach einem Scheer-Freistoß gelingt dem Neuzugang per Kopf der Ausgleich, sein erstes Bundesligator für Schalke 04. Mit Nigbur, Sobieray, Fichtel, Fischer, Scheer, Lütkebohmert, van Haaren, Libuda und Fischer stehen erstmals neun der Spieler in der Startelf, die ein Jahr später vielen auf Schalke sehr viel Freude bereiten werden.
Im anschließenden Heimspiel gegen Hertha BSC kann die Mannschaft – bei günstigem Verlauf – erstmals in der Bundesligageschichte Tabellenführer werden. Kurz vor Schluss geht das Spiel 0:1 verloren. Gutendorf begründet es mit mangelnder Erfahrung. Dies allein ist Wasser auf die Mühlen des Präsidenten. Dann aber prognostiziert Gutendorf Schalke zu allem Überfluss auch noch drohende Abstiegsgefahr. Zu viel des Schlechten. Siebert reicht’s. Er stellt Vorstand und Verwaltungsrat vor die Alternative: „Entweder Gutendorf oder ich!“ Über die WAZ fordert Siebert offener denn je die Demission des Trainers: „Drei Jahre lang habe ich gearbeitet, um eine junge Mannschaft aufzubauen. Diese Talente sind nun dabei, eine große Elf zu werden. Wir haben von Herrn Gutendorf nie verlangt, mit diesem Aufgebot sofort die Deutsche Meisterschaft zu holen. Er sollte uns vielmehr allmählich an dieses Ziel heranführen. Stattdessen trampelt er auf unserem Vereinsnamen herum.“
Siebert fordert die älteren Spieler in der Mannschaft auf, seine Thesen in aller Öffentlichkeit zu unterstützen. Heinz van Haaren entgegnet dem Vereinsboss, er halte dies für keine gute Idee. Gutendorf erfährt aus der Zeitung von den neuen Vorhaltungen. Es ist Dienstagvormittag, der 8. September 1970. Drei Stunden später, nach dem Training, erfährt er von seiner fristlosen Kündigung. Zwei Tage danach einigen sich Anwälte beider Seiten auf eine Abfindung. Das Kapitel Gutendorf ist auf Schalke endgültig beendet.
Die Nachfolge tritt mit sofortiger Wirkung Gutendorfs bisheriger Assistent Slobodan Cendic an. Offiziell fungiert Ernst Kuzorra als Trainer. Cendic hat zwar in Köln das Fußballlehrerexamen gemacht, ihm fehlt aber der für die Lizenz nötige A-Schein. Kuzorra ist ein reiner Strohmann. Auf dem Trainingsplatz taucht er nie auf.
Cendic gelingt zunächst der Stimmungsumschwung. Und auch der Blick auf die Tabelle verursacht in der Winterpause keineswegs Bauchschmerzen. Nach acht Siegen, zwei Unentschieden und drei Niederlagen ist Schalke aussichtsreicher Dritter, hinter Bayern und Mönchengladbach. Zwischenzeitlich, am 10. Oktober nach dem 3:0-Sieg auf der Bielefelder Alm, beträgt der Rückstand auf die Spitze sogar nur noch einen Punkt.
Zu den Heimspielen kommen im Schnitt 23.000 Zuschauer, so viel wie noch nie in der Bundesliga. Die Mannschaft spielt teilweise schönen, technisch anspruchsvollen Fußball. Und doch scheint ihr noch das Zeug für höhere Aufgaben zu fehlen. Libuda kann die tolle Form der WM in Mexiko nicht bestätigen, hat viel mit seinen privaten Problemen zu tun. Fischer ist bisher die größte Enttäuschung. „Wenn jemand derartige Möglichkeiten auslässt, dann bezeichne ich es nicht nur als Pech, sondern als Unvermögen“, hadert Cendic vor allem mit der Abschlussschwäche seines Mittelstürmers. Sechs Treffer hat er in der Hinrunde erzielt, am Ende werden es ordentliche 15 sein.
Wie sehr die Mannschaft in ihren Leistungen schwankt, wird kurz vor Weihnachten deutlich. Im Erstrundenspiel des DFB-Pokals führen Cendics Spieler beim Nord-Regionalligisten VfL Wolfsburg durch zwei Tore van Haarens nach 14 Minuten bereits 2:0. Kurz vorm Abpfiff gelingt Wolfsburg noch der Ausgleich. In der Kabine gibt es Zoff. Stan Libuda ist kaum zu beruhigen. Statt frühzeitig in Urlaub zu gehen, muss weiter trainiert werden. Am Tag vor Heiligabend steht das Wiederholungsspiel an. Wieder blamiert sich der Favorit. Nach 120 Minuten steht es 1:1. Erst im Elfmeterschießen werden Cendic und die 7.500 im Stadion erlöst.
In der Rückrunde verliert der Jugoslawe zunehmend die Kontrolle über seine Mannschaft. Zwar steht sie nach 26 Spieltagen immer noch ordentlich da, auf Rang vier, fünf Punkte hinter dem Tabellenführer, der Trend aber ist negativ. Cendic, als Co-Trainer Kumpeltyp und allseits beliebt, versucht sich in einem Rollentausch. Seine Ansprache wird mit den ausbleibenden Erfolgen immer rauer, seine Distanz zur Mannschaft immer größer, seine taktische Vorgabe immer weniger nachvollziehbar.
Eine besondere Hassliebe verbindet ihn mit Norbert Nigbur. Cendic, einst selbst Torwart bei Novi Sad, hat Nigbur in seiner Zeit als Co-Trainer weiterentwickelt. Die beiden pflegen einen beinahe freundschaftlichen Umgang. Nigbur glaubt deshalb, ihm näher zu stehen als andere. Vor dem Pokalhalbfinale gegen Köln erdreistet sich der Schlussmann, dem Trainer Vorschläge zu unterbreiten, wie er am besten die Abwehr stellen könne. Cendic empfindet das als Affront, stellt den jungen Burdenski ins Tor. Die zarten Bande mit Nigbur sind endgültig gerissen.
Am Osterwochenende ist spielfrei. Und doch ist es für den Trainer kein gutes Wochenende. Der DFB teilt dem Verein mit, dass er Cendic zum Saisonende kündigen müsse. Es sei inakzeptabel, einen Trainer zu beschäftigen, der keinen A-Schein habe. Jeder Rest Autorität, den Cendic noch bei der Mannschaft genossen haben mag, ist damit endgültig zerstört.
Cendics Spieler bekommen angenehmere Post. Die WM-Teilnehmer Fichtel und Libuda sowie Norbert Nigbur erhalten von Bundestrainer Schön eine Einladung zum EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei. Für Nigbur ein lang ersehntes Signal. Der „Lange“, wie ihn die Mitspieler rufen, spielt die ganze Saison über auf hohem Niveau. Weil Helmut Schön aber eine Nibelungentreue zu Sepp Maier zeigt, wird Nigbur zwischendurch ungeduldig. Das Dumme: Er bekundet seine Ungeduld in aller Öffentlichkeit. Nachdem er für das Hinspiel gegen die Türkei im Oktober in Köln gar nicht nominiert worden ist, hat er in einem Interview lauthals verkündet, er wolle künftig „auf die Nationalmannschaft pfeifen“. Helmut Schön reagierte darauf beleidigt: „Es haben schon größere Talente als Nigbur auf ihre Chance warten müssen.“
Jetzt also soll sie kommen, die ultimative Chance. Vielleicht. Mit Scheer, Rüssmann, Fischer, Sobieray und Lütkebohmert werden gleichzeitig fünf weitere Schalker zum Junioren-Länderspiel gegen die Türkei in Augsburg berufen. Für Günter Siebert sind all die Nominierungen der Beweis, dass er richtig liegt mit seinem Kurs. Die Mannschaft wächst zusammen. Es braucht nur noch den richtigen Trainer, um sie zur vollen Reife zu führen.
Überschattet wird das Osterwochenende durch über 100 Verkehrstote auf deutschen Straßen. Ein trauriger Rekord, eine Katastrophe. Wer will da noch über Fußball reden? Auf Schalke ahnen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass die größte – sportliche – Katastrophe der Vereinsgeschichte unmittelbar bevorsteht.