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I. Megalopolis
ОглавлениеWohin ist der See verschwunden, in deren Mitte die Stadt einst lag? Wenn der Wind die getrockneten und pulverisierten Fäkalien, die sie doch durch so endlos lange Rohre aus dem Moloch in weit entfernte Landschaften blasen, mit Staub und Salzen vermischt wieder zurückbringt und damit die Rachen ätzt und die Nasen bluten lässt, wenn hunderttausend Fabrikessen in die trübe Luft rauchen und fünf Millionen Volkswagen durch Straßenschluchten kriechen, wenn der Lärm von Motoren und Abspielgeräten jedes Wort erstickt, die Menschen vor voll besetzten Parkbänken Schlange stehen, weil sich nirgends im Gewühl ein Platz findet, wenn man Zeuge wird, wie sich der Ring der elenden barrios immer enger um die alte Stadt, die eigentlich auf den Ruinen einer noch älteren errichtet wurde, zieht, dann weiß man, Ciudad de México könnte eine zeitgemäße, also eine moderne, hässliche Heimat sein, ein Ort von dieser Welt. Und man sieht den bettelnden Indio-Frauen auf dem Zócalo zu, wie sie ihre verlausten Kinder inmitten der Massen füttern und in den Schlaf wiegen; das dürfen sie nämlich, das hat man ihnen erlaubt, den Urahnen der Herren dieses Landes, sogar im Schatten der Kathedrale und im Angesicht der Globalisierung, denn so lässt sich anhand dieser lebenden Relikte belegen, dass es früher hier auch schon etwas gegeben hatte, was nicht unbedingt humaner, aber zumindest ursprünglicher, dem Land eigentümlicher gewesen war. Nur vom Wasser der Lagune findet man keinen Tropfen mehr.