Читать книгу Die Schlächterin - Vergeltung - J.S. Ranket - Страница 10

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Vorsichtig zog Alina das kleine Bündel tschechische Kronen aus der Brieftasche ihres Stiefvaters. Zum Glück hatte er erst heute Vormittag seine Sozialhilfe erhalten und so noch keine Möglichkeit gehabt, das ganze Geld in Alkohol umzusetzen. Das hieß, wenn man von der Flasche billigen Fusel, die ihn jetzt schnarchen ließ wie einen Bär, einmal absah.

Während sich ihre Mutter an einer Supermarktkasse bis in die späten Abendstunden abrackerte, versoff der ehemalige Instandhaltungsmechaniker regelmäßig seine Stütze und einen Großteil des Lohnes seiner Frau, um sich dann in einem nüchternen Moment aufzuspielen, als wäre er für den Nobelpreis nominiert worden. Doch das waren eher noch die harmloseren Momente. Viel häufiger wurde Alina zum Ziel seiner Wutausbrüche, die nicht selten in einer Schlägerei endeten. Denn sie ließ sich schon seit einiger Zeit nichts mehr gefallen.

Auch wenn sie dabei immer den Kürzeren zog.

Aus irgendeinem unerfindlichen Grund tolerierte ihre Mutter auch noch das Verhalten ihres Mannes und fand ständig neue Entschuldigungen, um es zu rechtfertigen.

Doch jetzt hatte Alina eindeutig die Schnauze voll. Sollten diese beiden Idioten doch bleiben wo der Pfeffer wächst! Sie würde bestimmt nicht auf einen Märchenprinzen warten. Denn die verirrten sich bekanntlich nicht in die Plattenbauten Prager Vorstädte. Auch wenn die vor einigen Jahren recht aufwendig saniert worden waren.

Ein Schuhkarton blieb eben ein Schuhkarton.

Schnell stopfte sie die Scheine zu ihren Habseligkeiten in den großen Rucksack, überprüfte noch kurz ihr Aussehen im Spiegel und strich sich ihre schmutzigblonden Haare in den Nacken. Es wäre doch gelacht, wenn sie mit ihrem geheimnisvollen Schulmädchenlächeln und ihrer schlanken Gestalt nicht irgendwo in der Hauptstadt einen Job ergattern könnte. Denn sie war ohnehin achtzehn und konnte so tun und lassen was sie wollte. Außerdem hatte sie ein ganz passables Abitur in der Tasche, was man angesichts ihrer familiären Verhältnisse schon fast als ein Wunder bezeichnen konnte. Vielleicht würde sie ja sogar eines Tages Journalismus studieren, wenn sie das nötige Geld dafür aufgetrieben hatte.

Jetzt musste sie nur diesem besoffenen Arsch noch ein würdiges Abschiedsgeschenk hinterlassen, dann konnte es losgehen. Denn der Druck in ihrer Blase war kaum noch zu ertragen.

Auf Zehenspitzen huschte Alina zurück ins Wohnzimmer. Allerdings hätte sie auch völlig gefahrlos mit einem Panzer vorfahren können. Ihr Stiefvater grunzte noch immer wie ein Murmeltier auf dem Sofa, während ein dünner Speichelfaden aus seinem Mund auf das fleckige Unterhemd tropfte.

Langsam zog sie ihre engen Jeans samt dem Slip bis zu den Knien herunter und hockte sich über seinen geliebten Fernsehsessel. Dann ließ sie den warmen Strahl so lange laufen, bis sich das speckige Polster vollgesogen hatte wie ein Schwamm.

Eine halbe Stunde später saß Alina in der S-Bahn und beobachtete, wie vor dem Fenster alte Industrieanlagen mit weiten Feldern zu einem graugrünen Band verschmolzen.

„Hast du endlich Ernst gemacht?“, hörte sie plötzlich eine Stimme von oben.

„Hä …?“

Neben ihr stand Marek, ein Freund aus ihrer alten Clique, und grinste.

„Na ich meine, bist du endlich abgehauen?“, schob er hinterher, während er mit seinem Kopf auf Alinas Rucksack deutete.

„Klar“, bestätigte sie trotzig. „Das war schon lange überfällig.“

Erfreut schob Alina mit dem Fuß ihr Gepäck beiseite, damit der schlanke junge Mann sich setzen konnte. Denn Marek war witzig und sah eigentlich gar nicht schlecht aus. Mehr als einmal hatte sie bereits darüber nachgedacht, ob sie vielleicht mehr als nur Freunde sein könnten.

Außerdem war er in der letzten Zeit auf wundersame Weise zu Geld gekommen. Seitdem waren seine Klamotten so penibel aufeinander abgestimmt, als würde er gerade zu einem Fotoshooting für eine alternative Modezeitschrift gehen. Selbst seine Haare hatte ein Stylist äußerst kontrolliert zerzaust. Vielleicht ergab sich ja während der Fahrt eine Möglichkeit, ihm gründlich auf den Zahn zu fühlen.

„Und was hast du jetzt so vor?“, erkundigte sich Marek interessiert.

„Mal sehen“, gab Alina unverbindlich zurück. „Als Erstes brauche ich natürlich einen Job …“ Sie stupste ihn verschwörerisch mit dem Ellenbogen in die Seite. „… oder einen reichen Freund, der mich aushält.“

Marek beugte sich ein bisschen zurück, um Alina übertrieben von oben bis unten in Augenschein zu nehmen.

„Also ich wüsste schon, wie du an einen Haufen Kohle kommen könntest“, grinste er und ging sofort lachend in Deckung, weil Alina zum Schlag ausholte.

„Ich reiße dir gleich deine verschrumpelten Eier ab, du Idiot“, zischte sie leise, damit es die anderen Fahrgäste nicht hören konnten. „Ich bin doch keine Nutte!“

„Hey, hey, jetzt krieg dich mal wieder ein“, antwortete Marek kleinlaut. „Wer redet denn hier von Nutte.“

„Na du, du Arsch!“, blaffte Alina wütend.

„Spinnst du?“, setzte Marek zu einem Erklärungsversuch an und hob beruhigend die Hände. „Ich rede von einer kleinen diskreten Dienstleistung für Geschäftsleute.“ Er holte tief Luft. „Sieh mal … du siehst absolut umwerfend aus und bist nicht dämlich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass einige zahlungskräftige Herren nichts gegen eine charmante Begleitung beim Abendessen einzuwenden hätten.“ Marek machte eine kurze Pause. „Noch dazu wenn man sich mit ihr über Gott und die Welt unterhalten kann …“

„… um dann zum Nachtisch in die Kiste zu springen“, ergänzte Alina aggressiv.

„Also manchmal müsste man dir wirklich eins überziehen, damit du es kapierst.“ Marek verdrehte theatralisch die Augen. „Angenommen du triffst rein zufällig in einer Bar oder einem Club einen Mann, denn du sympathisch findest. Ihr quatscht ein bisschen miteinander, trinkt etwas und nach einer Weile macht er dir ein unmoralisches Angebot.“ Er legte seine Fingerspitzen aneinander und musterte sie wie der Moderator einer Quizshow. „Würdest du ihm da sofort eine reinhauen oder zumindest darüber nachdenken?“

„Hmmm …“ Alina runzelte die Stirn. „Kommt darauf an.“

„Worauf?“

„Na ja, wie du schon gesagt hast“, fuhr Alina fort, „ob ich ihn sympathisch finde und so.“

„Das heißt also ja“, stellte Marek mit einem überlegenen Lächeln fest.

„Das heißt vielleicht“, korrigierte sie ihn und zog ihre Augenbrauen nach oben. „Bei Kit Harington aus Game of Thrones müsste ich nicht lange nachdenken.“

„Und wenn es kein Jon Schnee ist“, hakte Marek nach, „sondern eher ein George Clooney?“

„Dann wahrscheinlich nur Abendessen!“, machte Alina ihm unmissverständlich klar.

„Das ist eben das Gute an dem sogenannten Begleitservice.“ Marek deutete mit seinen Fingern in der Luft Anführungszeichen an und grinste. „Alles kann, nichts muss!“

„Nein …!“, presste Alina überrascht hervor, weil es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. „Und ich Idiotin frage mich die ganze Zeit, was für eine erstaunliche Verwandlung du durchgemacht hast.“ Dann pfiff sie leise durch die Zähne. „Aber du wolltest doch Architektur studieren.“

„Gerade weil ich mich für das nächste Semester eingeschrieben habe, mache ich es ja“, bestätigte Marek Alinas Vermutung. „Das ist leicht verdientes Geld. Die meisten der Damen sind echt Klasse und top gepflegt.“ Dann schlich sich ein schelmisches Lächeln in sein Gesicht. „Und für Extrawünsche gibt es natürlich einen Bonus.“

„Extrawünsche …?“, wollte Alina ein bisschen weltfremd wissen.

„Tja, das wirst du wohl selbst herausfinden müssen!“ Marek zwinkerte vielsagend. „Das heißt, wenn so etwas für dich überhaupt in Frage käme.“

Die Schlächterin - Vergeltung

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