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Prolog

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Verwirrt starrte Pieter Dollenberg auf seine rechte Wade. Dorthin, wo ihn beim Joggen durch die Dünen einer dieser fiesen Moskitos gestochen hatte. Doch statt eines saugenden Insekts, steckte da ein kleiner, glänzender Pfeil in seinem Fleisch.

Vorsichtig versuchte er sein Bein zu bewegen. Es lag im feuchten Sand und die ersten, seichten Wellen der herannahenden Flut leckten an seinem Schuh. Er wusste auch nicht so recht, wie er hier her gekommen war. Nur dass ihn auf seiner täglichen Runde plötzlich dieses dämliche Vieh gepiesackt hatte und er danach mit brummenden Schädel in die schmale Bucht gestolpert war.

Natürlich war so ein kleiner Stich an Südafrikas Dolphin Coast nicht ungewöhnlich, doch Dollenberg hasste Mücken und badete deshalb vorsichtshalber vor dem Laufen geradezu in Insektenschutzmittel. Denn er lief nördlich von Shakas Rock auch an einer seichten Lagune vorbei, in der sich die kleinen Blutsauger äußerst wohl fühlten.

Zum Glück lichtete sich langsam der Nebel in seinem Kopf, denn es war höchste Zeit, von hier zu verschwinden. Doch zuerst musste er diesen blöden Pfeil loswerden. Wenn er die dämlichen Zulu-Jungs erwischte, die hier ständig mit ihren Luftdruckgewehren herumballerten, dann würde er ihnen ordentlich die Hammelbeine langziehen.

Entschlossen beugte er sich nach vorn, doch irgendetwas riss ihn sofort zurück. Reflexartig schossen seine Hände nach oben. Und als er an den Draht stieß, der seinen Hals umschloss, gefror ihm das Blut in den Adern.

Nur mit Mühe gelang es Dollenberg, sich ein wenig umzudrehen. Seine Finger fuhren hektisch an dem Seil entlang, bis er den Kopf einer Schraube und ein kleines Schloss ertaste. Aber die Ecken des Sechskants waren so glatt gefeilt, dass es ihm auch mit einem Werkzeug nicht gelingen würde, sie herauszudrehen.

Innerhalb eines Augenblickes überrollte ihn die tödliche Erkenntnis:

„Ich bin an einen Felsen gekettet!“

Panisch zerrte er an der Fessel. Wenn die Flut ihren Höchststand erreicht haben würde, wäre er längst ertrunken. Bereits jetzt umspülte das schaumige Wasser seine Beine und die warmen Böen schickten immer höhere Wellen heran. Denn die See plätscherte an diesem Teil der Küste nicht gemächlich an das Ufer, sondern überrannte den Strand wie eine Herde Wildpferde.

„Hilfe!“ Dollenbergs erster Schrei klang noch zaghaft und er räusperte sich. Auch ohne das Drahtseil war seine Kehle wie zugeschnürt.

„Hiiilfe!“ Das Schreien wurde lauter.

Wenn nicht zufällig jemand über die Felsen in die schmale Bucht blicken würde, dann wäre er geliefert. Der Weg führte zwar unmittelbar an der Abbruchkante entlang, doch das Dröhnen der Brandung löschte alle anderen Geräusche aus.

„Hiiilfeee!“, schrie er in nackter Todesangst, während er sich seine Hände an den rauen Felsen blutig schürfte.

Die Adern an Dollenbergs Hals traten dabei so unnatürlich stark hervor, als wären es prall gefüllte Wasserschläuche. Und beim Einatmen wirbelten bereits die feinen Wassertröpfchen der aufpeitschenden Gischt in seinen Mund.

Verzweifelt versuchte sein Gehirn zu ergründen, warum das gerade mit ihm geschah und wer ihm das angetan haben könnte. Doch letzten Endes war das auch egal, denn das stürmische Meer hatte jetzt fast seine Brust erreicht. Mit unwiderstehlicher Gewalt wurde sein Körper in den Rhythmus der See gezogen, die ihn immer wieder gegen die Klippen schleuderte.

Das Knacken der eigenen Knochen klang unnatürlich laut in seinen Ohren und das Atmen war nur noch in den Wellentälern möglich. Wenn jetzt keine Hilfe kam, dann würde der Ozean seinen Leib zu Staub zermahlen.

„Hi … Hilfeee!“, röchelte er.

Die schäumenden Kämme der Wellen leckten an seinen Lippen und zwangen ihn zu einem Dauerhusten. Immer tiefer drang das Wasser in seine Lungen und machte so das Atmen fast unmöglich. Mit einem letzten Aufbäumen warf er seinen Kopf in den Nacken und blickte nach oben.

Und das, was Dollenberg dort sah, überschwemmte seinen Körper mit einer nie gekannten Euphorie. Er wischte sich mit seinen zerschundenen Händen die Augen, um sicherzugehen, dass ihn kein Trugbild an der Nase herumführte.

Doch über ihm kletterte tatsächlich eine junge Frau den Abhang herab. Ihr langes, braunes Haar wehte im Wind, wie das einer mythischen Sagengestalt, und in wenigen Sekunden würde sie ihn erreicht haben.

Aber statt ihm zu helfen, setzte sie sich ein wenig oberhalb auf den rauen Fels, schlang ihre Arme um die nackten Beine und hielt ihr Gesicht in die warmen Böen. Gedankenversunken strich sie ihre Mähne immer wieder in den Nacken, bis sie schließlich zu ihm herabsah.

In ihren Augen lag ein Ausdruck, als würde sie gerade eine lästige Küchenschabe zertreten.

Die Schlächterin - Vergeltung

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