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„Hast du Lust auf ein wenig Abwechslung?“, drang Hopkins Stimme ein wenig verzerrt aus dem Hörer. Er war bestimmt gerade im Nirgendwo mit der Sicherung des Weltfriedens beschäftigt und benutzte ein Satellitentelefon.

„Kommt darauf an“, entgegnete Wagner skeptisch.

Unter Abwechslung verstand sein Freund meist irgendeine selbstmörderische Aktion, fernab von fließendem Wasser und kaltem Bier. Aber er könnte sich das Angebot ja zumindest einmal anhören. Denn er hatte zurzeit keine Beziehung und alle aktuellen Projekte abgearbeitet. Nach ein paar weiteren Tagen Leerlauf fiel ihm bestimmt zu Hause die Decke auf den Kopf.

„Du müsstest nur nach Südafrika“, lockte Hopkins mit einem schmeichlerischen Unterton in der Stimme. „Nach Durban, um genau zu sein. Kein Krisengebiet, keine Terroristen, nur tolle Landschaft und blaues Meer.“

„Ahhh … Urlaub auf Kosten der Firma“, gluckste Wagner. „Na da bin ich dabei.“

„Es gibt allerdings noch eine klitzekleine Kleinigkeit …“, wollte Hopkins fortfahren.

„Wer hätte das gedacht“, unterbrach Wagner ihn lachend.

Er lehnte sich an das niedrige Geländer vor ihrer Kneipe und spannte unwillkürlich seinen Bizeps an. Doch er war nicht der muskelbepackte Nahkampf-Typ, den man bei einem solchen Arbeitgeber erwartet hätte, sondern eher ein durchtrainierter Leichtathlet. Außerdem konnte er mit seinem seriösen Auftreten und dem charmanten Lächeln alle Schwiegermütter dieses Planeten um den Finger wickeln. Auch wenn er als Ehemann für ihre Töchter schon fast etwas zu verwegen aussah.

„Na dann schieß mal los!“, forderte Wagner. „Bestimmt ist nach getaner Arbeit noch ein kleiner Abstecher in die Nationalparks drin.“

„Mit Sicherheit“, bestätigte Hopkins. „Der Auftrag kommt von Lars Dollenberg. Ihm gehört ein kleines Imperium aus Weingütern, Restaurants und Hotels. Bestimmt reserviert er für dich einen Luxusbungalow in einer seiner Lodges.“

„Das klingt ja erst einmal nicht schlecht“, gab Wagner schmunzelnd zurück. „Du musst mir jetzt nur noch verraten, was ich dort unten soll? Wenn ein Zulu-König wieder auferstanden wäre, um seine Krieger gegen die Weißen in den Kampf zu führen, dann hätte ich das sicher in den Nachrichten gehört.“

„Der Sohn von Dollenberg ist auf sehr mysteriöse Weise ermordet worden“, klärte Hopkins Wagner auf. „Die Ermittlungen der lokalen Polizei sind ins Leere gelaufen und nun vermutet der Alte eine Art umgekehrte Apartheid.“

„Das hat jetzt aber absolut nichts mit unseren Einsatzfeldern zu tun“, warf Wagner ein. „Außerdem bin ich kein Ermittler …“

„… sondern ein brillanter Analyst“, ergänzte Hopkins. „Der Big Boss ist irgendwie mit Dollenberg befreundet und nach dessen Anfrage dabei logischerweise auf dich gekommen. Du musst auch nicht unbedingt Sherlock Holmes spielen, sondern nur überprüfen, ob die Behörden vielleicht schlampig gearbeitet haben oder so. Nach allem, was ich darüber weiß, scheint der junge Dollenberg nicht gerade eine besondere Stütze der südafrikanischen Gesellschaft gewesen zu sein.“

„Hmmm …“, brummte Wagner nachdenklich.

Auch wenn der Auftrag nichts mit seiner eigentlichen Arbeit zu tun hatte, klang das Angebot doch recht reizvoll. Im Grunde genommen war eine Ermittlung ja auch nichts anderes als eine Analyse. Und bestimmt ergab sich während seines Aufenthaltes auch die Gelegenheit, das Land näher kennenzulernen. Denn bis jetzt war Südafrika auf seiner persönlichen Landkarte lediglich ein weißer Fleck am anderen Ende des schwarzen Kontinents.

„Außerdem ist Dollenberg sehr spendabel“, legte Hopkins noch einen Zahn zu. „Du kannst demzufolge deine Spesenabrechnung recht großzügig handhaben.“

„Einverstanden!“, bestätigte Wagner ohne weiteres Nachdenken. „Wann geht’s los?“

„Morgen Abend“, antwortete Hopkins, als hätte er nichts anderes erwartet. „Nachtflug ab Frankfurt mit Zwischenstopp in Addis Abeba. Ich habe unser Hamburger Büro bereits angewiesen, ein Dossier für dich zusammenzustellen. Sicher hat dir Christina schon alle verfügbaren Informationen gemailt.“

Erfreut stellte Wagner fest, dass Dollenberg wirklich sehr großzügig war. Nachdem er sämtliche Funktionen des Komfort-Sessels der äthiopischen Boeing ausprobiert und auch seinen zweiten Drink genüsslich geschlürft hatte, war es Zeit, ein wenig zu arbeiten. Denn sicher würde es nicht allzu lange dauern, bis das Abendessen serviert wurde. Um Diskretion musste er sich bei seiner Lektüre keine Sorgen machen. Die Business Class war nur halb ausgebucht und die Flugbegleiterinnen hatten die gut zahlenden Passagiere so platziert, dass die Nachbarplätze frei blieben.

Wagner startete sein Notebook und öffnete die Datei, die Christina ihm geschickt hatte. Als Erstes sprang ihm ein Foto von Pieter Dollenberg entgegen. Er wirkte sympathisch, aufgeschlossen und vielleicht ein wenig arrogant. Der typische Lebemann eben, mit sonnengebräuntem Gesicht und stahlblauen Augen. Sicher war es ihm nicht schwer gefallen, die Ladys scharenweise in sein Bett zu bekommen. Allerdings sprach seine Vita eine ganz andere Sprache.

Der junge Dollenberg war einer der Geschäftsführer des Familienunternehmens und schon öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Seine Delikte reichten von Körperverletzung bis hin zu mehreren Anzeigen wegen sexueller Belästigung. Wobei es sich allerdings auf den zweiten Blick durchaus um Vergewaltigungen handeln konnte.

Den krönenden Abschluss der Liste bildete jedoch eine rasante Fahrt in volltrunkenem Zustand. Dabei drängte er einen Schulbus so unglücklich von der Straße, dass mehrere Kinder schwer verletzt wurden und zwei von ihnen wenige Tage später im Krankenhaus verstarben. Seltsamerweise kam er jedesmal mit Bewährung oder einer lächerlichen Geldbuße davon.

Wagner musste kein Genie sein, um zu wissen, wie das gelaufen war. Mit Sicherheit hatte hier jemand mit viel Geld kräftig nachgeholfen. Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass derart milde Strafen eine ohnmächtige Wut bei den Opfern hinterließen und sich nicht wenige Menschen seinen Tod wünschten. Nur war Dollenbergs Ermordung das Werk eines präzise planenden Profis. Und keiner der Angehörigen, oder eines der Opfer selbst, schien die nötigen Verbindungen, geschweige denn die finanziellen Mittel zu besitzen, um so etwas durchzuziehen. Aber sein Interesse war geweckt, egal in welche Richtungen seine Ermittlungen führten. Auch wenn sich beim Betrachten der Fotos vom Tatort automatisch Wagners Nackenhaare aufstellten.

„Woher zum Teufel, haben die bloß die Aufnahmen bekommen?“

Pieter Dollenberg, oder das, was von ihm noch übrig war, lehnte an einer Klippe im feuchten Sand und war offensichtlich von den Wellen stundenlang gegen die Felsen geschleudert worden. Die Gliedmaßen wirkten unnatürlich verdreht, als hätte man einer Marionette einfach die Fäden an den Armen und Beinen abgeschnitten und sie anschließend am Hals aufgehängt.

Wagner pfiff leise durch die Zähne. Auf die Idee, jemanden in der ansteigenden Flut qualvoll ertrinken zu lassen, musste man erst einmal kommen.

Die Schlächterin - Vergeltung

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