Читать книгу Skalp-Killer - J.S. Ranket - Страница 5

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Missmutig blickte Kara in den Spiegel. Ihr Auge schillerte in allen Farben des Regenbogens und ihr Rücken fühlte sich an, als hätte sie ein Grizzlybär in die Mangel genommen. Zum Glück hatte ihr der Einsatz auf der Plantage lediglich eine saftige Gehirnerschütterung eingebracht und Sünderhauf riss schon wieder dämliche Witze, als sie sich bei ihrer Entlassung von ihm verabschiedete.

Darüberhinaus war Wetzel nicht sehr weit gekommen. Eine Streife hatte ihn auf der Bundesstraße entdeckt und nicht lange gefackelt, nachdem sie mitbekommen hatten, dass er einen Kollegen niedergeschossen hatte. In amerikanischer Polizeimanier hatten sie seine Reifen durchlöchert und den Land Rover dadurch in den Seitengraben befördert. Jetzt saß er in Untersuchungshaft, wo ein halbes Dutzend Anklagepunkte auf ihn warteten.

Gerade als Kara prüfend über ihr Augenlid fuhr, klingelte es.

Der durchtrainierte Typ vor ihrer Tür hatte einen Karton in der Hand und wirkte wie ein Surfer, der sich auf dem Weg zum Meer verlaufen hatte. Wahrscheinlich fielen bei seinem Lächeln die Frauen scharenweise in Ohnmacht und deshalb vermutete sie natürlich sofort irgendeine Betrügerei.

„Ja bitte?!“, blaffte sie aus diesem Grund relativ unfreundlich.

„Kara Matthes?“ Sein Lächeln wurde noch breiter.

„Wie ich sehe, können Sie zumindest das Klingelschild lesen“, stellte sie misstrauisch fest. Wer bei ihrem Anblick immer noch grinste wie ein Honigkuchenpferd, machte sich äußerst verdächtig. Vorsichtshalber tastete sie mit ihrer rechten Hand nach dem Reizgas, das sie neben der Tür in einer alten Keksdose deponiert hatte.

„Ich habe die Kerle, die Ihnen Ihr blaues Auge verpasst haben, erwischt und ihnen dann ganz langsam die Haut abgezogen …“, fuhr der kernige Surfer fort.

„Geht es Ihnen nicht gut?“, unterbrach ihn Kara, während sie die Gaskartusche fest umschloss.

„… schließlich habe ich ihnen so richtig die Hölle heiß gemacht.“ Triumphierend riss er den Karton auf.

Verblüfft starrte Kara auf einen leckeren Apfelkuchen. Dann schoss ihr Blick zwischen den knusprigen Streuseln und seinem Gesicht hin und her.

„Was … was ist das?“, stotterte sie ungläubig.

„Ein Apfelkuchen“, verkündete er grinsend. „Sorry, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt.“ Er deutete eine Verbeugung an. „Mein Name ist Lukas Reusch und ich bin der Pilot.“

Plötzlich flackerten einige Erinnerungsfetzen in Karas Gehirn auf. Ihr Gegenüber hatte sich um sie gekümmert, während der Notarzt und der Sanitäter Sünderhauf versorgten.

„Oh …!“

Kara spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Wenn sie gewusst hätte, dass sie heute noch Herrenbesuch bekommen würde, dann hätte sie zumindest auf ihren Wohlfühlpullover verzichtet. Aber zumindest waren ihre nackten Beine ein echter Hingucker. Auch wenn ihr Füße in fetten Knuddelsocken steckten. Zum Glück schaffte sie es, das Reizgas unauffällig zurück in die Keksdose zu legen. Sonst dachte er womöglich noch, sie sei eine überarbeitete Irre, die mit dem Singleleben nicht zurecht kam. Apropos Single, warum traf man solche Typen nicht mal, wenn man einen scharfen Mini und High Heels anhatte?

„Eigentlich wollte ich Ihnen den Kuchen ins Krankenhaus bringen“, fuhr Lukas in einem entschuldigenden Tonfall fort. „Aber Sie waren ja schneller wieder draußen, als Sie drin waren.“

„Tja, so bin ich nun mal“, stellte Kara fest. Dann trat sie einen Schritt zur Seite. „Wollen Sie vielleicht einen Kaffee?“

„Aber gerne“, nahm Lukas das Angebot an und schob sich vorsichtig an Kara vorbei. „Ich arbeite bei der Luftrettung und dort ist Kaffee praktisch ein Grundnahrungsmittel.“ „Da können wir auch gleich mal testen, ob meine Zukunft vielleicht im Bäckerhandwerk liegt“, fuhr er fort, während er sich interessiert umschaute.

Die Wohnung war recht großzügig geschnitten und verströmte den heimeligen Charme eines sanierten Altbaus. Mit geschliffenen Dielen und Türen, die noch aus richtigem Holz bestanden. Befriedigt stellte er fest, dass er sich offensichtlich in einem typischen Frauenhaushalt befand. Denn es gab weder Autozeitschriften und die Schuhe im Flur waren höchstens Größe achtunddreißig.

„Ist das nicht manchmal ein bisschen laut?“wollte Lukas nach einem Blick aus dem weit geöffneten Fenster wissen. In Sichtweite befanden sich mindestens drei Kneipen mit Freisitzen, die logischerweise bei dem Wetter voll besetzt waren.

„Damit muss man eben leben, wenn man hier wohnen will“, antwortete Kara, nachdem sie die Kaffeemaschine gestartet und einladend auf den Esstisch gedeutet hatte. „Aber dafür ist es hinten raus richtig ruhig und es wird nie langweilig.“ „Wie haben Sie denn überhaupt meine Adresse herausbekommen?“, wollte sie anschließend wissen.

„Offiziell waren Sie ja unsere Patientin“, klärte Lukas sie auf, als er sich gesetzt hatte, „und da haben wir nun mal die Personalien.“

„Demzufolge bringen Sie also jedem einen Kuchen vorbei?“, vermutete Kara mit einem verschmitzten Lächeln.

„Nur denen, die ich k.o. geschlagen habe“, gab er ebenfalls grinsend zurück. „Also sorry nochmal.“

„Kein Problem“, wiegelte Kara ab. „Schließlich war ja mein Kollege in einem kritischen Zustand und Sie haben sich ja dann um mich gekümmert.“ Dann goss sie den frisch gebrühten Kaffee in zwei große Töpfe, platzierte einen vor ihrem Gast und setzte sich ebenfalls.

„Das bisschen Blutdruckmessen war doch selbstverständlich“, stellte Lukas fest, während er vorsichtig nippte, „denn eigentlich bin ich nur für die Maschine zuständig.“ „Aber ich habe mir die wichtigsten Sachen angeeignet, damit ich nicht allzu dämlich dastehe, wenn ein paar zusätzliche Hände gebraucht werden.“

„Na dann lassen sie uns doch mal testen, wie es mit Ihren Backkünsten aussieht“, forderte Kara, während sie ihm ein riesiges Messer reichte.

Eine Minute später musste sie eingestehen, dass Lukas Reusch ein bisschen mehr als Kamikaze-Landungen draufhatte.

„Sind Sie sicher, dass Sie den Kuchen nicht doch gekauft haben?“, wollte Kara schmatzend und mit einem ironischen Unterton wissen.

„Völlig sicher“, bestätigte Lukas augenzwinkernd. „Mit einer Backmischung bekommt das jeder Idiot hin. Allerdings ist das Schälen und Schnippeln auch nicht ohne.“

Nachdem Kara ihr Stück verputzt hatte, lehnte sie sich entspannt zurück und musterte unauffällig ihren Überraschungsgast. Nun konnte sie ein wenig die Kriminalistin heraushängen lassen. Denn wer glaubte, dass er ihr den Kuchen aus reiner Nächstenliebe vorbeigebracht hatte, der glaubte bestimmt auch an den Weihnachtsmann.

„Jetzt lassen Sie mal die Hosen herunter, Lukas Reusch!“, forderte Kara in ihrem Ermittlungston. „Was wollen Sie wirklich?“

„Sie kennenlernen“, gab er unumwunden zu.

„Wie bitte?“ Kara dachte, sie hätte sich verhört.

„Ich wollte Sie kennenlernen“, wiederholte Lukas.

„Im Moment sehe ich so aus, als würde ich keiner Kneipenschlägerei aus dem Weg gehen“, stellte Kara verwirrt fest. „und da wollen Sie mich kennenlernen?“ „Sie sind nicht etwa masochistisch veranlagt oder so?“

„Keineswegs“, antwortete er im Brustton der Überzeugung. „Aber nachdem Sie da draußen die volle Breitseite abbekommen haben, wirkten Sie irgendwie sehr verletzlich. Ich meine, Sie hatten ’ne fette Knarre an Ihrem Gürtel, aber sind immer wieder gegen mich gekippt. So wie ein kleines Mädchen, das hoffnungslos übermüdet ist und nur noch schlafen will.“ Lukas machte eine kurze Pause und verschränkte dann überlegen die Arme. „Ich fühlte mich für Sie verantwortlich und …“ Er schluckte aufgeregt. „… fand das alles andere als unangenehm.“

Karas Wangen begannen zu glühen. Mit so etwas hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Höfliche Zurückhaltung schien nicht gerade zu den Tugenden ihres Besuchers zu gehören. Während sie in der Öffentlichkeit Annäherungsversuche sofort im Keim ersticken konnte, war man einem Apfelkuchenüberfall in der eigenen Wohnung praktisch hilflos ausgeliefert.

„Ich fühle mich sehr geschmeichelt“, antwortete sie mit einem bedauernden Lächeln, „aber ich muss Ihre Hoffnungen, auf was auch immer, leider enttäuschen.“

„Der Kaffee mit Ihnen war das allemal wert“, gab Lukas tapfer zurück.

„Hören Sie“, fuhr Kara fort, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, sich erklären zu müssen, „das würde nicht gut gehen.“ „Mein Job ist nicht gerade familienfreundlich und außerdem habe ich ein besonderes Talent, meine Beziehungen in kürzester Zeit gegen die Wand zu fahren.“ Sie holte tief Luft. „Und aus dem Alter mit den schnellen Nummern bin ich schon lange raus.“

„Entschuldigung, aber Sie haben da irgendetwas falsch verstanden.“ Lukas drohten die Augen aus dem Kopf zu fallen. Die Kommissarin war zwar eine richtig Hübsche, aber wieso sie annahm, er wollte mit ihr sofort ins Bett hüpfen, war ihm ein Rätsel. „Ich war vorher Pilot bei der Bundeswehr und kenne mich deshalb mit gecrashten Beziehungen auch bestens aus“, fügte er hinzu. „Also ich weiß ja nicht, wie das bei Ihnen bis jetzt gelaufen ist, aber normalerweise verabredet man sich zu einem Kaffee, wenn man jemanden interessant findet.“

„Oh Mist!“ Kara zog peinlich berührt ihre Schultern nach oben. Sie war ja so etwas von dämlich. „Ich habe Ihnen ja gleich gesagt, dass ich es immer versaue“, schob sie mit einem verlegenen Lächeln hinterher.

Jetzt tat sie Lukas schon fast ein wenig leid. Deshalb versuchte er es mit ein bisschen schrägem Humor.

„Alternativ hätten wir ja auch ins Kino gehen können“, stellte er mit einem schelmischen Grinsen fest. „Aber vielleicht nicht unbedingt in einen 3D-Film, mit Ihrem Auge können Sie froh sein, wenn Sie wenigstens 2D sehen.“

Kara prustete los. „Der Kuchen war auf jeden Fall die bessere Idee.“ Dann strich sie sich nachdenklich mit der Hand über das Kinn. „Vielleicht sollten wir so tun, als wären Sie nie hier gewesen und das mit dem Kino in zwei, drei Wochen einfach mal probieren.“

„Na dann werde ich zusehen, dass ich hier wegkomme“, antwortete Lukas zuversichtlich, während er sich hochstemmte. „Es ist schon fast dunkel und wir wollen doch nicht, dass die Nachbarn schlecht von Ihnen denken.“

„Ich bringe Sie noch hinaus“, kündigte Kara mit einem dankbaren Lächeln an.

Sie hatte die Tür bereits einen Spaltbreit geöffnet, doch dann zögerte sie. Potentielle Liebhaber versuchten ja meist, sich mit Blumen, Pralinen oder Wein einzuschmeicheln. Ein selbstgebackener Kuchen war dagegen eine ganz andere Liga. Eigentlich sollte man niemanden einfach so wieder gehen lassen, der mit einem selbstgebackenen Kuchen vor der Wohnung stand.

Demonstrativ schlug Kara die Tür wieder zu, drehte sich langsam zu ihrem Gast herum und lächelte hintergründig.

„Wenn Sie schon backen können, wie gut ist dann Ihr Frühstück?“

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