Читать книгу Skalp-Killer - J.S. Ranket - Страница 8
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ОглавлениеAshley wusste nicht genau, wie lang sie reglos in der Dunkelheit lag. Erst als sie in der Ferne das sich nähernde Knattern hörte, wurde sie in die Realität zurückgerissen. Panisch versuchte sie, den Knochen in die kleine Kuhle zurückzustopfen. Aber das war in der Finsternis gar nicht so einfach. Doch als sie es endlich geschafft hatte, trampelte sie wie eine Verrückte den lockeren Lehm fest. Dabei hoffte sie inständig, dass ihr Entführer nicht mitbekam, was sie herausgefunden hatte. Schließlich spritze sie sich eine Handvoll Mineralwasser in das Gesicht, trocknete sich mit ihrem Shirt ab und schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
„Das stinkt ja wie die Pest“, stellte Adams wenig später vorwurfsvoll fest. „Was hast du nur angestellt?“
Er leuchtete skeptisch mit einer Solarlampe in die Höhle. Seine Gefangene hockte wie ein Häufchen Elend auf ihrer Matratze und blinzelte mit verheulten Augen in den Lichtschein.
„Entschuldigung“, schniefte sie. „Mir ist schlecht geworden und … und …“
Aber den grünlich-gelben Fleck, der nach einem halb verdauten Tunfisch-Sandwich aussah, hatte er schon gesehen.
„Tut mir echt leid, Süße“, startete Adams eine Charmeoffensive, „aber der Zimmerservice ist nicht inbegriffen.“
Dann verschwand er in einer der Nachbarhöhlen und tauchte kurz darauf mit einer kleinen Schaufel und einer Chemikalienflasche wieder auf.
„Eigentlich sollte ich dich neben der Sauerei liegen lassen, aber am ersten Tag will ich mal nicht so sein“, kommentierte er überschwänglich die vermeintlich nette Geste.
Ashley blieb nichts anderes übrig, als ihr Erbrochenes mit dem Kehrblech mühsam vom Boden zu kratzen. Genauso mussten sich wohl die Bergarbeiter der früheren Jahrhunderte gefühlt haben, wenn sie mit den primitivsten Geräten den Bergen ihre Schätze entrissen.
Nachdem sie so gut wie möglich ihre Peinlichkeit beseitig hatte, kippte Adams eine großzügige Portion der nach Chlor riechenden Flüssigkeit über den nassen Fleck. Das duftete zwar nicht unbedingt wie in einer Parfümerie, doch es war allemal besser als der säuerliche Gestank vorher. Dann bekam sie wieder ein feuchtes Handtuch, mit dem sie sich das Gesicht und die Hände säubern konnte.
„Auf die Toilette müsste ich auch noch mal“, bat sie anschließend unterwürfig. Zum Glück war Ashley ihr Plan wieder eingefallen.
Adams öffnete erneut das Schloss und schob seine Gefangene zu dem Vorhang. Offenbar war er mit ihrem Verhalten sehr zufrieden, denn er glotzte ihr dabei nicht ständig zwischen die Beine, sondern starrte auf die fast kreisrunde Scheibe des Mondes, die ein fahles Licht in die Höhle warf.
Doch bei diesem Anblick gefror Ashley das Blut in den Adern.
Denn jeder Trottel wusste, dass Serienkiller ihre Opfer am liebsten bei Vollmond abschlachteten. Und in spätestens einem, oder vielleicht auch zwei Tagen würde es soweit sein. Gott sei Dank war sie während dieser Erkenntnis bereits fertig, denn plötzlich verkrampften sich sämtliche Muskeln in ihr. Dass sie auf dem Weg zurück zu ihrer Matratze mehr stolperte als ging, schien Adams auf ihre Übelkeit zu schieben und fragte deshalb nicht weiter nach.
Natürlich war in dieser Nacht an Schlaf nicht mehr zu denken. Erst als es bereits dämmerte, döste sie etwas ein. Doch als sie erneut den knatternden Motor in der Ferne hörte, war sie sofort hellwach.
Hektisch tastete sie nach der Kette und führte einen Augenblick später einen Freudentanz auf. Nachdem ihr in der Nacht bewusst geworden war, dass ihr letztes Stündlein unmittelbar bevorstand, war sie wie gelähmt und hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht. Doch auch jetzt konnte sie problemlos einen Finger unter ihre Fessel schieben. Außerdem standen wieder eine braune Tüte und zwei Flaschen Wasser neben ihrer Matratze.
Hungrig riss Ashley das Papier auseinander und starrte verwirrt auf das trockene Weißbrot. Wenn Adams sie jetzt auf Diät setzte, schien er wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben. Mit durchschnittener Kehle war es schließlich scheißegal, ob man ein paar Magenprobleme hatte. Aber zumindest lag auch noch eine Banane darin.
Ashley stopfte sich hastig das Obst in den Mund und spülte es mit einigen Schlucken Wasser hinunter. Ihr war gerade eingefallen, wie sie sich eine provisorische Waffe basteln konnte. Schließlich war es besser, nicht allzu dumm dazustehen, wenn ihr kleiner Plan schief ging. Zwar gab sie sich keinen Illusionen hin, doch sie wollte diesem Drecksack zumindest ein kleines Andenken verpassen, wenn ihr letztes Stündlein gekommen war. Allerdings musste sie sich dafür ein wenig beeilen. Denn je länger sie darüber nachdachte, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die Banane denselben Weg wie das Tunfisch-Sandwich nehmen würde.
Sie atmete tief durch, dann kroch sie zu der Stelle, die sie in der vergangenen Nacht festgetrampelt hatte, und schob den Lehm beiseite. Obwohl bereits ein warmer Wind in ihr Gefängnis wehte, überrannte sie ein eiskalter Schauer. Mit zitternden Fingern zog sie den Knochen heraus, der sie in Todesangst versetzt hatte, ihr aber jetzt das Leben retten sollte.
Mit morbider Neugier probierte sie an sich selbst, wo er passen könnte. Schließlich war sie sich sicher, dass sie ein Stück Unterarm in den Händen hielt. Ein Ende von dem Ding war abgesplittert, sodass er bestimmt eine gute Klinge abgeben würde. Sie musste ihn nur an der Felswand so lange schleifen, bis er messerscharf war. Vielleicht könnte sie den Knochen auch in ein Auge ihres Peinigers rammen.
Das hieß, wenn sie schnell war.
Denn genau so hatte es dieser griechische Sagenheld mit einem einäugigen Monster gemacht, dessen Abenteuer sie vor Jahren in einem uralten Schinken gesehen hatte. Damals hatte sie herzlich über die lustigen Tricks gelacht, mit denen die Filmemacher ihre Ungeheuer zum Leben erweckten. Fast so, wie in den ersten Godzilla-Streifen.
Nur leider war sie kein Sagenheld und Adams keine Plastikfigur.
Trotzdem machte sich Ashley sofort ans Werk. Nach einer Stunde war aus dem Knochen eine recht beeindruckende Waffe geworden. Wenn auch erst auf den zweiten Blick. Prüfend schnippte Ashley mit dem Finger gegen die nadelfeine Spitze. Irgendetwas würde sie an Adams schon treffen, wenn sie sich nicht vorher aus dem Staub machen konnte. Dabei fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass sie ja die Kette noch präparieren musste. Wenn sie sich in der Nacht nicht die Seele aus dem Leib gekotzt hätte, dann hätte sie jetzt ein bisschen Butter oder Mayonnaise zur Verfügung, die sie als Schmiermittel benutzen könnte. Wenn sie die Kette damit einrieb, flutschte sie bestimmt viel besser über ihren Fuß. Aber vielleicht klappte es nach dem nächsten Gang zur Toilette auch so.
Gerade als sie fertig war, hörte sie in der Ferne wieder das Motorengeräusch. Schnell versteckte sie den Knochen unter ihrer Matratze. Und als Adams’ Schatten in die Höhle fiel, hockte sie mit verbissenem Gesicht darauf.
„Du musst pinkeln stimmt’s?“, stellte er süffisant lächelnd fest.
Er schien sich einen Spaß daraus zu machen, sein Opfer damit zu quälen. Offensichtlich entlockte ihm die Vorstellung, dass sie sich davor ekelte, direkt neben ihrer Schlafgelegenheit ihre Notdurft zu verrichten, ein freudiges Grinsen.
Ashley musste sich wieder vor seinen Augen auf die Campingtoilette setzen. Doch dieses Mal plätscherte es sofort los. Sie fragte sich, warum er sie noch nicht vergewaltigt hatte? An ihrem Aussehen konnte es jedenfalls nicht liegen. Vielleicht bekam er auch keinen hoch und war deswegen auf alle hübschen Mädchen sauer. Oder er war tatsächlich ein Ritualmörder, der auf den Vollmond wartete.
Auf jeden Fall hatte sie keine Lust, das herauszufinden.
Nachdem sie wieder angekettet worden war, überprüfte Ashley ihre Fesseln. Eigentlich müsste es schon fast klappen, doch solange Adams in der Nachbarhöhle herumhantierte, konnte sie das nicht ausprobieren. Dafür musste sie warten, bis er wieder weg war. Doch die Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit zogen sich zäh wie Honig.
Zum Glück gab es zum Abendessen wieder etwas Vernünftiges. Ashley schob sich vorsichtig eine Scheibe fettige Salami, die sie für die Kette benutzen wollte, in die Hosentasche. Anschließend verdrückte sie das ganze Sandwich. Wenn sie sich bis zu einer Straße durchschlagen wollte, dann mussten ihre Kalorienspeicher gut gefüllt sein. Da kam ihr die lauwarme Coke, die ebenfalls in der braunen Papiertüte war, gerade recht.
Blöderweise hatte sie die Anstrengung der letzten Tage mehr Kraft gekostet, als sie gedacht hatte. Ashley lehnte sich gegen den kühlen Fels und schloss für einen Moment die Augen.