Читать книгу Skalp-Killer - J.S. Ranket - Страница 6
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ОглавлениеCorey Adams hatte das Stadtzentrum von Reno schon lange hinter sich gelassen. Der Highway folgte jetzt in einem weiten Bogen dem Tal, an dessen Ende die rotbraunen Berge in den Himmel wuchsen. Nur ein paar flache Gebäude und eine Tankstelle säumten noch den Straßenrand, bevor auch sie das Band aus grauem Asphalt in die unendliche Weite entließen.
Im Radio spielte gerade ein Countrysender einen uralten Johnny-Cash-Song, als er die blonde Tramperin zwischen einer Ansammlung von klapprigen Reklameschildern bemerkte. Sie trug knallenge Jeans, ein lässiges Top und lümmelte auf ihrem Rucksack herum, während sie ihren Daumen ein wenig unmotiviert in den Wind hielt. Offensichtlich waren ihre Bemühungen, eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern, nicht von besonders viel Erfolg gekrönt.
Was er sich bei ihrem Aussehen eigentlich nicht vorstellen konnte.
Aber eigentlich hatte sie mehr Glück als Verstand, dass er gerade jetzt vorbeikam. Viel zu schnell stiegen die jungen Dinger zu den falschen Leuten ins Auto und tauchten danach nie wieder auf. Wie konnte man nur so blauäugig sein? Er wollte sich überhaupt nicht vorstellen, was der blonden Schönheit dabei alles zustoßen könnte.
Adams setzte den Blinker und lenkte seinen Dodge Caravan vorsichtig auf den Seitenstreifen, um nicht allzu viel Staub aufzuwirbeln. Dann ließ er die Seitenscheibe herunter.
„Wo soll’s denn hingehen?“
Die junge Frau kam zögernd näher, schielte skeptisch in das Innere des Vans und lächelte schließlich verlegen. Denn Adams war von seinem Auftreten her der typische Familienvater, der unbewusst ein gewisses Vertrauen ausstrahlte.
„Nach Norden“, antwortete sie immer noch zurückhaltend.
„Na dann spring rein“, gab Adams zurück. „Ich fahre bis Seattle, viel weiter nach Norden geht es eigentlich nicht.“
Nur ganz kurz hatte er überlegt, ob er die junge Frau siezen sollte. Aber das fand er bei einem Teenager – und wenn nicht, dann war sie höchstens Anfang zwanzig – doch ein wenig unpassend.
„Na das ist ja perfekt“, stellte sie erfreut fest, während sie ihren Rucksack auf die Rückbank wuchtete. Anschließend rutschte sie auf den Beifahrersitz und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Ich bin Ashley, sehr angenehm.“
„Corey Adams, hi“, erwiderte er ein bisschen steif. Man musste sich ja nicht gleich mit der ganzen Welt duzen, nur weil man jemandem einen Gefallen tat.
Doch Ashley schien das nicht weiter zu stören.
„Sehr nett, dass Sie mich mitnehmen, Mister Adams“, bedankte sie sich höflich, bevor sie sich anschnallte.
„Kein Problem“, wiegelte er ab. „Es ist immer schön, wenn jemand dabei ist, der einen im Notfall wecken kann, wenn man einschläft und in den Gegenverkehr gerät.“
Ashley prustete los. „Keine Sorge, bei meinem Kreischen wachen sogar Tote wieder auf.“
Adams beschleunigte ebenso vorsichtig, wie er abgebremst hatte, und stellte anschließend den Tempomat auf spießige dreiundsechzig Meilen.
„Ich hoffe, du weißt, dass Trampen gefährlich sein kann und man sich seine Mitfahrgelegenheit sehr sorgfältig aussuchen sollte“, fuhr er ein bisschen vorwurfsvoll fort.
„Aber natürlich“, bestätigte Ashley. „Bei einem Truck, der mir nicht koscher vorkam, bin ich sogar wieder ausgestiegen.“
Zufrieden registrierte er, dass sich seine Begleitung entspannt zurücklehnte, nachdem sie das Familienfoto auf dem Armaturenbrett entdeckt hatte.
„Bis wohin genau in den Norden willst du denn eigentlich?“, wollte er wissen.
„So weit wie möglich“, antwortete Ashley schwammig, während sie sich ihre langen Haare aus dem Gesicht strich. „Seattle klingt eigentlich gar nicht schlecht.“
Adams vermied es, nachzufragen. Wenn sie ihm ihre Geschichte erzählen wollte, dann würde sie von ganz allein damit anfangen. Er konnte es ohnehin nicht leiden, wenn andere nur aus Höflichkeit Interesse heuchelten und dann nur mit halbem Ohr zuhörten. Sicher war die Kleine eine von den vielen Namenlosen, die nach einem Streit oder aus anderen nichtigen Gründen die Brücken hinter sich abbrachen, um in einer anderen Stadt neu zu beginnen.
Nach einer knappen halben Stunde Fahrt, in der sie die Eintönigkeit der Landschaft mit belanglosem Smalltalk totschlugen, tauchte in der Ferne ein zusammengewürfelter Haufen niedriger Gebäude auf. Natürlich mit der obligatorischen Tankstelle und einem Diner, dessen Leuchtreklame trotz der nachmittäglichen Sonne wirkte wie die Lichtshow eines Rockkonzertes.
„Also ich habe heute nur gefrühstückt und könnte einen saftigen Burger vertragen“, kündigte Adams eine kleine Rast an. „Wie sieht’s mit dir aus?“
Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Ashley heimlich den Inhalt ihrer Geldbörse inspizierte.
„Du bist selbstverständlich eingeladen“, fügte er schnell hinzu, bevor sie antworten konnte.
„Das kommt überhaupt nicht infrage“, protestierte sie halbherzig. „Dafür, dass Sie mich mitnehmen, sollte ich eigentlich Sie einladen.“
„Ein zweites Menü wird mich schon nicht in den finanziellen Ruin treiben“, entgegnete Adams. „Außerdem bist du ja gewissermaßen mein Gast und da wäre es ziemlich unhöflich, wenn ich dich das übernehmen lasse.“
„Einverstanden“, stimmte Ashley grinsend zu. „Aber beschweren Sie sich hinterher bloß nicht darüber, dass ich reinhaue wie ein Holzfäller.“
Wenige Minuten später quetschte Adams seinen Van zwischen zwei riesige Pick-ups, denn das Diner war recht gut besucht. Das bedeutete, dass es entweder sehr lecker war oder es eben im Umkreis von zwanzig Meilen nichts anderes gab. Als sie allerdings kurz darauf von einer Kellnerin zu einem freien Tisch geführt wurden, mussten sie feststellen, dass es offensichtlich ersteres war. Denn auch wenn die mit rotem Leder bezogenen Bänke nicht für einen längeren Aufenthalt gemacht waren, sah es auf den Tellern der anderen Gäste äußerst appetitlich aus.
Nach einem kurzen Blick in die Speisekarte bestellte Adams einen Blue Cheese Burger mit Home Fries und Ashley ein riesiges T-Bone Steak, die in atemberaubender Geschwindigkeit vor ihnen standen.
„Du hast das mit der Holzfällerportion ernst gemeint“, stellte Adams nach dem ersten Bissen lächelnd fest.
„Jep …“, bestätigte Ashley schmatzend, „… und für einen Marshmallow Chocolate Shake ist mit Sicherheit auch noch Platz.“
„Ich habe mir angewöhnt, in der Nacht durchzufahren“, fuhr Adams fort, „deshalb werde ich auf Süßes verzichten und stattdessen etwas Koffeinhaltiges zu mir nehmen.“
„Was machen Sie denn so beruflich?“, wollte Ashley wissen, während sie mit ihrem Messer an dem T-förmigen Knochen herumschabte.
„Ich bin Vertreter“, antwortete Adams. „Unsere Firma verkauft Baumaschinen und ich klappere auf den Weg in den Norden noch einige Kunden ab.“ Dann wischte er sich mit einer Serviette einen Tropfen Barbecue Sauce vom Kinn. „Eigentlich läuft das heutzutage alles über das Internet, aber wir setzen auf den persönlichen Kontakt und da muss ich eben ein paar Meilen herunterreißen. Zum Glück ist mein Boss mit der Spesenabrechnung nicht allzu kleinlich, sodass dabei immer noch ein paar Dollar extra hängenbleiben.“
Jetzt hielt Adams den Zeitpunkt für gekommen, um die Kleine auch ein bisschen auszufragen.
„Und was ist mit dir?“, hakte er nach, nachdem die Kellnerin die Bestellung von Ashleys Kalorienbombe aufgenommen hatte.
„Weiß nicht“, gab sie gelangweilt zurück, „Hauptsache weg von hier.“ „Ich habe einen recht guten High School Abschluss und gehe vielleicht aufs College.“ Sie malte mit ihrer Gabel wilde Kreise in den roten Fleischsaft, der aus dem Rest ihres Steaks tropfte. „Andererseits sind ja in Seattle auch die Firmensitze von Boeing und Microsoft und eventuell ich finde da einen Job.“
„Mit Sicherheit“, bestätigte Adams. Es verhielt sich also genau so, wie er von Anfang an gedacht hatte.
Dann wurde der Michshake serviert. So wie er aussah, konnte er bestimmt mehrere Diabetiker ins Koma versetzen. Doch seinem schlanken Gegenüber würde er bestimmt nur wenig anhaben.
„Vielleicht sollte ich mir das mit dem Nachtisch doch noch einmal überlegen“, stellte er mit einem schiefen Blick auf Ashleys Becher fest. „Am besten schaue ich noch mal in die Speisekarte.“
Adams griff ein bisschen zu hastig nach der dünnen Mappe, die in dem Serviettenständer in der Tischmitte klemmte, und stieß mit seiner Hand gegen den rot-weiß-geringelten Strohhalm.
„Sorry“, murmelte er, bevor er sich durch die Hochglanzfolien blätterte.
„Nix passiert“, wiegelte Ashley ab. Dann sog sie die halb geschmolzene Eiscreme in ihren Mund.
Aber da waren die farblosen Kügelchen, die Adams unauffällig in ihren Shake fallen lassen hatte, längst versunken.