Читать книгу Die Schlächterin - J.S. Ranket - Страница 10
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Оглавление„Die beiden sind in Richtung Osten gefahren“, stellte Ramon lakonisch fest.
„Das bedeutet gar nichts“, entgegnete Amanda. „Angenommen, du hättest das Ding durchgezogen, wie wärst du verschwunden?“
„So schnell wie möglich aus der Stadt heraus, in die Sierra und das Motorrad loswerden. Dann auf irgendetwas anderes umsteigen und ganz unauffällig über die Grenze.“
Amanda war immer wieder erstaunt über Ramons wachen Verstand. Genauso hätte sie es auch gemacht. Im Westen befand sich der Pazifik und im Süden war die Gefahr groß, dass man auffiel. Sie hatten sich das Video der beiden Süßen angesehen, aber keinen brauchbaren Hinweis gefunden. Das Gesicht des Hippies bestand fast gänzlich aus einem fusseligen Bart, während die Bettlerin allem Anschein nach an einer entstellenden Krankheit litt. Alles in allem war das eine sehr saubere Tarnung.
Und offenbar waren die beiden Tarantino Fans. Sie hatten die Avenida innerhalb von wenigen Sekunden in ein Schlachthaus verwandelt, ohne dass auch nur eine Kugel ihr Ziel verfehlte oder ein Unbeteiligter getroffen wurde. Die Arme der jungen Frau blieben dabei völlig ruhig und der Hippie auf dem Motorrad sah sich nicht ein einziges Mal um, als die Schüsse fielen. Er beobachtete stattdessen aufmerksam die Straße vor ihm, also ihren Fluchtweg. Und der Übergang von dem Augenblick, als die junge Frau auf das Motorrad sprang und die starke Maschine beschleunigte, war fließend.
Außerdem war da noch die Waffe, eine Heckler & Koch MP7. Sie konnte vierzig Patronen in nur drei Sekunden verschießen, das heißt knapp tausend Schuss pro Minute. Die Kugeln durchschlugen sogar leichte Panzerungen und dabei war sie kaum größer als ein Briefbogen. Das waren Profis, soviel stand fest. Amanda beschlich das Gefühl, dass hier eine mächtige Scheiße am Laufen war.
„Hier könnten wir mal höflich fragen“, sagte Amanda und zeigte auf die kleine Tankstelle.
Sie waren auf dem Highway 2 in Richtung Tecate gefahren und hatten nach Möglichkeiten gesucht, unauffällig ein Motorrad loszuwerden, um dann das Fahrzeug zu wechseln. Hinter El Refugio und Colinas wurde die Bebauung immer spärlicher und das Gelände stieg langsam vom flachen Küstenstreifen zur Sierra hin an. Tumbleweeds, die typischen kugeligen Büsche der Wüste, wehten über die Straße. Wenn sie jetzt nicht in dem klimatisierten Wagen säßen, könnte man glatt denken sie würden in einem John-Wayne-Film mitspielen.
Und hier war die erste ideale Möglichkeit zum Tausch des Fluchtfahrzeugs. Aus welchem Grund hätten die beiden auch weiter fahren sollen? Gegenüber der Tankstelle führte ein unbefestigter Weg in die Berge und weit und breit gab es keine Anzeichen, dass hier irgendjemand wohnte. Ramon lenkte den schweren Chevy Tahoe in einem schwungvollen Bogen auf den Parkplatz.
Ein junger Mann, wahrscheinlich ein Landarbeiter, beeilte sich die Tankrechnung für seinen Pick-up zu begleichen, als Amanda mit energischen Schritten auf den kleinen Verkaufsraum der Tankstelle zuging. Sie trug eine kurze schwarze Lederjacke, enge Hosen und Reitstiefel. Dazu hatte sie Haare zu einem straffen Knoten zusammengesteckt und wirkte wie eine Großgrundbesitzerin bei der Inspektion ihrer Ländereien. Amandas ganzes Auftreten ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie nicht von einer katholischen Mädchenschule kam. Trotzdem musste der junge Mann im Pick-up noch einen verstohlenen Blick riskieren, bevor er schnell das Weite suchte.
„Entschuldigen Sie“, begann Amanda betont freundlich, „ich muss sozusagen mit der Tür ins Haus fallen, aber wir stehen unter einem gewissen Zeitdruck.“ „Haben Sie zufällig gestern einen Motorradfahrer vorbeikommen sehen, der sich ungewöhnlich verhalten hat?“
Sie schob einen Zwanzigdollarschein auf dem Tresen in Richtung des eigenbrötlerisch wirkenden Tankwarts.
„Hmmm …“, meinte der mit einem etwas säuerlichen Blick auf Ramon, der am Wagen angelehnt eine Zigarette rauchte. Mit seiner dunklen Sonnenbrille würde er ohne Weiteres als ein Man In Black durchgehen. Dass die beiden ihm keine Bibel verkaufen wollten, war klar. Die Nachricht von Garcias Ermordung hatte sich sehr schnell herumgesprochen.
„Da war gestern einer, ist gemütlich hier langgetuckelt und dann rauf in die Berge.“ Der Tankwart streckte die Hand aus und zog den Geldschein vorsichtig zu sich. „Und wenn Sie so unter Zeitdruck stehen, dann müssen Sie nicht unbedingt da hinauf fahren“, fügte er hinzu, „denn Sie werden da nichts mehr finden.“
Amanda runzelte die Stirn.
„Nach einer Viertelstunde habe ich eine dunkle Rauchfahne gesehen und bin raus.“ Der Tankwart rollte dramatisch mit den Augen. „Kurz danach habe ich ein Geräusch gehört, wie von einem kleinen Flugzeug oder so. Aber der Kerl hat sich in den Canyons gehalten, so dass ich Ihnen nicht sagen kann, was es für eine Maschine war.“
„Danke“, erwiderte Amanda, „aber wir werden trotzdem einmal nachsehen.“
Sie folgten dem sich windenden Weg hinter die erste Hügelkette, bis ein kleiner Pfad nach links abzweigte. Ramon stoppte, als er die grobstolligen Reifenspuren bemerkte.
„Hier ist er hinaufgefahren“, stellte er fest.
Nach einer Minute erreichten sie ein kleines Plateau, das von dem Weg aus nicht einzusehen und demzufolge strategisch günstig gelegen war. Am Rand lagen die verbrannten Überreste der Geländemaschine. Ramon stieg aus und ging in Richtung der Abbruchkante, an der die Ebene in den Canyon überging.
„Hier sind die Spuren von dem Flugzeug“, rief Ramon vom anderen Ende des Plateaus Amanda zu. „ Das scheint so ein Ultraleicht-Ding gewesen zu sein.“
„Scheiße!“ Sie trat wütend mit ihrem Reitstiefel gegen das verbrannte Motorrad. „Wen suchen wir hier eigentlich, James Bond, oder was?“
Auf der Rückfahrt nach Tijuana beschlossen Amanda und Ramon, sich das Video noch einmal genau anzusehen. Der Fluchtweg erwies sich ja als Sackgasse und bis jetzt gab es auch keine Hinweise, dass die Konkurrenz in die ganze Sache verwickelt war.
„Stopp, und dann ganz langsam zurück“, kommandierte Amanda. „hier, was ist das?“
„Sieht aus wie ein Tattoo“, gab Ramon nach einem Blick auf die Bettlerin genervt zurück. „Eine Sonne oder so. Wie lang willst du dir das eigentlich noch ansehen? Ich kann langsam schon mitspielen.“
Die beiden hatten sich in den Schneideraum einer Videoproduktionsfirma zurückgezogen, die zum weitverzweigten Netz des Kartells gehörte, um deren professionelle Ausstattung zu nutzen. Hier am Rand der nordmexikanischen Großstadt wurden alle Arten von filmischen Gelüsten befriedigt. Sex mit der Nachbarin, Sex mit dem Hund der Nachbarin, Sex mit der gefesselten Nachbarin …, sogar Snuff-Videos sollten hier gedreht worden sein.
Bei dieser Vorstellung musste Amanda verständnislos den Kopf schütteln. Dass sich jemand daran aufgeilte, wenn er der Ermordung eines anderen nur zusah, war dann doch etwas abgefahren. Am Ende wurde einem für horrende Summen noch ein Fake angedreht. Nein, so richtig toll wurde es erst, wenn man selbst Hand anlegen, den Abzug drücken oder das Würgeseil zusammenziehen konnte.
„Okay, noch eine halbe Stunde und dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen“, stellte Amanda fest. „Das Tattoo bringt uns nicht weiter, denn jeder Idiot rennt mit einem Tattoo herum und außerdem können wir ja nicht halb Mexiko nackig machen.“
Ramon musste grinsen, während er das Video langsam weiterlaufen ließ. Es war schon erstaunlich wie scharf die Aufnahmen des Smartphones waren. Damit könnte Steven Spielberg glatt einen Film drehen. Doch dann sah er es.
„Hier, schau mal!“, stieß Ramon plötzlich überrascht hervor und tippte auf den Monitor. „Was ist das?“
Der Ärmel des Hippies war für einen Moment zurückgerutscht und gab für wenige Sekunden den Blick auf eine Uhr frei, die mit Sicherheit keine Swatch war. Vielleicht würde es sie weiterbringen, wenn sie ein wenig mehr über das offensichtlich sehr hochwertige Zeitmessinstrument herausfinden könnten. Deshalb kopierte Ramon ein Einzelbild aus der Videosequenz heraus, jagte es durch einige Filter und lud es sich anschließend auf sein Smartphone.
„Ich zeige das mal einem Experten“, kündigte er zuversichtlich an.