Читать книгу Die Schlächterin - J.S. Ranket - Страница 4

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José Manuel Garcia lehnte sich zufrieden zurück und strich sich mit den Händen über seinen Bauch, der von mexikanischem Essen und zu wenig Bewegung gekennzeichnet war. Die Fajitas, warme Tortillas mit Fleisch und Salsa, hier in der Rancho Vijeo an der Avenida Revolucion waren auch wirklich ausgezeichnet. Keinesfalls so amerikanisiert wie in anderen Restaurants von Tijuana, der Stadt im Norden der Baja, die regelmäßig von Touristen überschwemmt wurde.

Er hatte absolut nichts gegen Touristen. Oder die Amerikaner. Ohne sie wäre sein Geschäft sehr unprofitabel. Denn sein Geschäft hieß Drogen, Prostitution und Menschenhandel. Wo wären seine Absatzmärkte für das eine, sowie das andere, wenn nicht nördlich der Grenze.

Gerade jetzt war wieder ein Transport unterwegs zu den schmierigen Hinterhof-Etablissements in Kaliforniens Süden. Dass die Reise seiner lebendigen Ware meist in Containern, unglaublicher Enge und drückender Hitze stattfand, störte ihn wenig. Einzig der Profit zählte. Eine Ausnahme bildeten allerdings die Auftragsbestellungen. Sie erfolgten von finanzkräftigen Männern oder auch Frauen diesseits und jenseits der Grenze. Sie bevorzugten meist einen bestimmten Typ als Ware und Garcia lieferte immer zu hundertprozentiger Zufriedenheit seiner Kundschaft. Natürlich konnten diese Bestellungen nicht den Bedingungen des heißen südkalifornischen Wetters ausgesetzt werden und so reisten sie, mit echten Papieren ausgestattet, in klimatisierten Kabinen zu Wasser oder in der Luft. Dass sie mit falschen Versprechungen geködert wurden, merkten die meist noch Minderjährigen erst, als es schon zu spät war.

Es war Nachmittag, doch die Sonne stand noch hoch. Der Himmel war von einem unwirklichen Blau. Einem Blau, das man nur hier an der Baja sehen konnte. So, als ginge die Natur allzu verschwenderisch mit ihren Azurtönen um.

Bald würden seine Töchter aus der katholischen Escuela Maria Fernanda nach Hause kommen. Er musste sich beeilen, denn bevor er sich am Abend wieder seinen Geschäften widmen musste, wollte er noch ein wenig Zeit mit ihnen verbringen. Juanita und Celia sollten es einmal leichter haben als er.

Garcia hatte sich mit Entschlossenheit und Brutalität ein Imperium aufgebaut, das er ständig erweiterte. Natürlich durfte man da nicht zimperlich sein. Er war gütig zu denen, die ihn als Patron betrachteten und unmenschlich grausam zu jenen, die seine Feinde waren. In den Zeiten, in denen er noch selbst Hand anlegen musste, knieten viele dieser Würmer vor ihm und flehten um Gnade. Doch Gnade bedeutete Schwäche. Und Schwäche war der erste Schritt zum Untergang.

Um keinen noch so geringen Zweifel aufkommen zu lassen, wählte er meist eine große, schwere Machete zur Demonstration seiner Macht. Die abgetrennten Gliedmaßen schickte man an die Familien der Opfer, während die verstümmelten Rümpfe immer sehr publikumswirksam aufgefunden wurden.

Aber mit jedem Haar, das an seinen ehemals schwarzen Schläfen mehr ergraute, hasste er diese Art von Broterwerb. Die beiden Mädchen waren blitzgescheit und würden studieren – soviel stand fest. An einer Eliteuniversität an der Ostküste der USA oder in Europa. Vielleicht entdeckte ja Celia ein neues Medikament oder eine Krankheit, die nach ihr benannt werden würde, während Juanita als Pilotin der Aero Mexico einen A380 über den Atlantik steuerte.

Er lächelte still in sich hinein, als er aufstand und das Restaurant verließ. Natürlich ohne zu bezahlen, denn die Rancho gehörte ohnehin zu den Restaurants, die Schutzgeld an den Patron zahlen mussten.

Draußen in der Nachmittagssonne stand der gepanzerte Chevrolet Suburban und Fernando, sein Leibwächter, öffnete die Tür des schweren Wagens. Garcia blieb kurz stehen und genoss das bunte Treiben auf der Avenida mit den Tacarias und den Getränkeständen, die von Touristen dicht umlagert wurden.

Menschentrauben schoben sich auf den Bürgersteigen entlang. Ein mit bunten Bändern geschmückter weißer Esel, der mit einem kleinen Jungen auf seinem Rücken als Erinnerungsfoto herhalten sollte, war offenbar gar nicht damit einverstanden. Er vollführte wilde Sprünge, so dass sich der Kleine nur mit Mühe auf dem Tier halten konnte. Ein alternder Hippie in ausgeblichenen Jeans und einem zu großen Hemd versuchte vergeblich, ein Geländemotorrad zu starten, und konnte nur mit Mühe den Tritten des Esels ausweichen. Im Restaurant nebenan fand offenbar eine Geburtstagsparty statt. Eine Gruppe herumtollender Kinder zerschlug lachend mit Süßigkeiten gefüllte Piñatas. Mit lautem Gejohle stürzten sie sich dann auf die herabregnenden Leckereien.

Auf den Stufen zum Eingang der Rancho saß eine junge Frau in zerschlissener Kleidung und war froh über ein paar Pesos, die ihr einige Passanten zusteckten. Sie mochte früher vielleicht einmal hübsch gewesen sein, doch eine Krankheit hatte ihr Gesicht mit Narben völlig entstellt. Eine ältere Señora, gänzlich in schwarze Kleider gehüllt und mit einem goldenen Kreuz vor der Brust, das aussah, als wäre es für ihre gekrümmte Haltung verantwortlich, reichte der Bettlerin einen frischen Burrito von einem der Verkaufsstände. Dankbar nahm die junge Frau ihn entgegen und verschlang mit gierigen Bissen die warme Teigtasche. Auch Garcia bekam einen plötzlichen Anfall von Barmherzigkeit und legte ihr einen fünfhundert Peso Schein vor die Füße. Sie konnte ihr Glück kaum fassen und sah mit glänzenden Augen zu ihm auf.

„Gracías, muchos Gracías Patron“, murmelte sie, bevor sie die Reste des Burritos vertilgte.

Das bunte Treiben wurde von zwei jungen Frauen mit einem Smartphone gefilmt. Offensichtlich waren sie Touristinnen, aus Amerika oder vielleicht Europa. Für Garcia persönlich wären die dürren Dinger natürlich nichts, aber die Gringos waren auf diesen Typ Frau ganz verrückt und so schlecht sahen sie ja nun wirklich nicht aus. Die Blonde und die Schwarzhaarige würden sicher ein gutes Doppel abgeben. Beide waren knapp eins siebzig groß und hatten schulterlange Haare. Die gebräunte weiche Haut, die unter den knappen Jeans und den recht eng geschnittenen Shirts hervorschimmerte, ließen bestimmt so manches Männerherz höher schlagen. Er überlegte, was die beiden ihm wohl einbringen würden, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. Touristen, das bedeutete zu viel Aufsehen und mit der Policia Federal war in einem solchen Fall auch nicht zu spaßen. Auch wenn einige von ihnen auf seiner Gehaltsliste standen.

Als Garcia nur noch wenige Schritte vom Wagen entfernt war, hatte es der Hippie irgendwie geschafft dem völlig verdreckten Motorrad Leben einzuhauchen und es brummte leise vor sich hin. Er nahm gerade noch wahr, wie sein Leibwächter seine Glock aus dem Schulterhalfter reißen wollte und dann … explodierte sein Kopf.

Eine Wolke aus Blut, Knochensplittern und Gehirnmasse verteilten sich auf Fernando und zeichnete, wie von der Hand eines todbringenden Künstlers gelenkt, dessen Umrisse auf den Suburban. Dann brach auch er, von Kugeln durchsiebt, zusammen.

Es war, als hätte die Hölle ihre Tore geöffnet. Autos krachten ineinander und die Menschen stoben schreiend in alle Richtungen. Manche warfen sich zu Boden und ein Getränkestand kippte um, so dass sich die Flaschen und Eiswürfel klirrend auf der Straße verteilten.

Im dem Chaos bemerkte niemand, dass die junge Bettlerin, wie von einem unsichtbaren Katapult geschossen, lossprintete und hinter dem Hippie auf das Motorrad sprang. Der Motor heulte auf und die wendige Maschine verschwand zwischen den auseinanderstiebenden Menschen. Auf den Stufen, auf denen sie noch vor wenigen Augenblicken den Burrito verspeist hatte, ließ sie eine kleine automatische Waffe zurück.

Nur die beiden Touristinnen filmten immer noch wie gelähmt das Chaos, bevor sie es endlich schafften, sich auf den Boden zu werfen.

Die Schlächterin

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