Читать книгу Schwarz wie dein Herz - Julie Craner - Страница 12
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Der große Parkplatz war vollgestellt mit edlen Karossen. Selbst im Halbdunkel der kleinen Gartenlaternen konnte Aurora den Wert der Wagen sehen, an denen sie vorbei fuhren. Kies knirschte unter den Reifen, als Eric sich auf den ersten Platz stellte, als hätte er besondere Privilegien. Nach dem, was er ihr erzählt hatte, bewies das nur Erics Status.
Überwältigt sah sie zu dem zweistöckigen Haus im Stil englischer Landschlösser. Der helle Sandstein wurde von großen Fenstern durchbrochen, durch die warmes Licht in die Nacht strahlte.
Stimmengemurmel und Lachen drangen zu ihnen herüber, wie bei einer richtigen Party. „Es ist ja auch eine“, raunte er ihr ins Ohr.
Sein betörender Atem streichelte ihre Haut und Aurora musste kurz die Augen schließen, um wieder zur Besinnung zu kommen. Sie begehrte ihn, das Kribbeln auf ihrer Haut war verräterisch. Doch auf solche Ideen sollte sie sich nicht einlassen. Er war immer noch ein Vampir, auch wenn er eine Familie hatte.
„Lass uns gehen!“ Sie machte einen Schritt vom asphaltierten Parkplatz auf den weißen Kiesweg. Sofort versank der dünne Absatz ihres Schuhs zwischen den Steinchen und ließ sie taumeln.
Eric war bereits an ihrer Seite und fing sie auf. „Na, hoppla!“ Er grinste, während sein starker Arm um ihre Taille Hitzewellen durch ihren Körper schickte.
Räuspernd richtete sie sich auf und wollte sich aus seiner Umarmung winden, doch er hielt sie fest. „Ich denke, es ist besser, wenn ich dich stütze, bis wir das Haus erreicht haben. Du brichst dir sonst noch die Füße.“ Er ließ eine Hand auf ihrer Hüfte liegen und griff mit der anderen nach ihrem Ellenbogen.
„Hast du Angst, dass ich weglaufe?“ Spöttisch hob sie eine Augenbraue und versuchte ihre Verwirrung zu überspielen.
„Als ob du mir entkommen könntest“ Eric lachte auf. „Und jetzt weiter.“
Sie bekam wirklich Probleme dabei, mit ihren Absatzschuhen auf dem Kies zu laufen. Das hatte man davon, wenn man sonst nur Turnschuhe trug. Langsam war sie für Erics Hilfe ehrlich dankbar, sonst hätte sie das Haus nicht unbeschadet erreicht. Vor der großen Freitreppe blieben sie stehen.
„Halte dich immer an meiner Seite, dann kann dir nichts passieren.“ Er schaute ihr forschend in die Augen. „Wenn wir vor dem König stehen, machst du zur Begrüßung einen kleinen Knicks. Rede erst, wenn er dich anspricht, hörst du?“
Sie nickte ihm zu. „Das hört sich an, als ob du nervös wärst!“
„Das bin ich nicht. Ich habe mit Vlad nur noch nicht über dich gesprochen und da kann es nicht schaden, wenn du dich an die Etikette hältst!“
Sie zupfte an ihrem Kleid und atmete tief ein. Dann auf in die Höhle des Löwen. Mit zitternden Knien stieg sie die Treppe hinauf, Eric nah an ihrer Seite. An der Tür wurden sie von einem schwarz gekleideten Diener gemustert, bevor er ihnen öffnete.
Stimmengemurmel und klassische Musik empfingen sie. Der weiße Marmor der Eingangshalle wurde von einem Kronleuchter erhellt. Überall standen Gruppen von Leuten, die sich angeregt unterhielten, doch als diese sie sahen, wurde es plötzlich still. Viele Köpfe drehten sich in ihre und Erics Richtung. Unmenschliche schwarze Augen, teilweise durchbrochen von hungrigen roten Ringen entlang der Iris, hefteten sich auf ihre Gestalt. Sie konnte den Eindruck nicht unterdrücken, dass eine der Gestalten vor ihr gleich die Kontrolle verlieren und sich auf sie stürzen könnte. Zitternd setzte Aurora einen Schritt zurück, doch Erics Hand legte sich leicht auf ihren Rücken. Er beugte sich nah zu ihr. „Ganz ruhig atmen. Es kann dir nichts passieren. Bleib einfach bei mir!“ Sanft drängte seine Hand sie vorwärts. Die Gruppen um sie wichen zurück und ließen sie ohne Vorkommnisse passieren. Eric beachtete die Gäste nicht weiter, sondern steuerte zielstrebig den Empfangssaal an.
Aurora konnte die ihr folgenden neugierigen Blicke auf ihrer Haut spüren und schauderte. Im Empfangssaal war es noch voller als im Eingangsbereich. Der große zweistöckige Raum wurde von zwei gewaltigen Kronleuchtern und mehreren an den Wänden angebrachten Kristalllüstern erleuchtet. Die Wände waren mit cremefarbenem Stoff bezogen und von goldumrahmten raumhohen Spiegeln durchbrochen. In einer Ecke spielte ein kleines Orchester für die Tanzpaare, die sich in der Mitte in einer scheinbar genau einstudierten Choreographie bewegten. Darum herum standen eng, teils zusammengedrückt die Gäste in prachtvollen Roben und unterhielten sich angeregt oder schauten zum Ende des Saals. Dort auf einem Podest war ein goldener Thron aufgebaut worden. Ein dunkelhaariger Mann saß mit überschlagenen Beinen und das Kinn auf der linken Hand aufgestützt, schräg auf dem roten Samtpolster des Throns. Das musste wohl der König sein. Einige der Gäste hatten ihre Anwesenheit inzwischen bemerkt und immer mehr Blicke richteten sich auf Eric und sie.
Schockiert hielt Aurora den Atem an. Das waren doch mindestens zweihundert Vampire in diesem Raum. Gab es wirklich so viele dieser Wesen in Berlin? Und wusste der Mönch das? Sie merkte, wie eine Welle von Panik sie zu überrollen drohte, während sie das bunte Treiben beobachtete.
Der König hob seinen Kopf und schien sie durch die Menge hindurch mit seinen kalten Augen zu verfolgen. Aurora gefror das Blut in den Adern.
Langsam schüttelte sie den Kopf. Das konnte sie nicht! Überwältigt schaute sie sich um. Sie wollte hier raus. Mit zitternden Fingern griff sie an ihren Hals. Es war zu warm. Die Luft war zu drückend und es kam ihr so vor, als würde kein Sauerstoff mehr in ihre Lungen kommen.
Leise fluchend drängte Eric sie in eine ruhigere Ecke und baute sich so vor ihr auf, dass sie vor den Blicken der anderen geschützt war. „Atme ganz tief ein!“ Mit gerunzelter Stirn griff er nach ihren zitternden Fingern und hielt sie in seiner Hand. „Es gibt in diesem Raum noch andere Menschen!“ Er legte eine Hand an ihre Wange. „Hör mir zu!“ Beschwörend schaute er ihr in die Augen. „Dir wird nichts passieren! Ich bin hier! Atme einfach ganz langsam ein und aus.“ Sie versuchte sich nur auf seine Anweisungen zu konzentrieren und klammerte sich an seine Hand. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefangen hatte.
Kurz ließ sie ihren Kopf an seine Brust sinken. „Es tut mir leid! Jetzt geht es wieder!“ Sie straffte ihre Schultern und lächelte ihn unsicher an. „Ich war nur überrascht!“
Er nickte. Beschützend legte er einen Arm um ihre Taille und zog sie fest an sich. Seine freie Hand verschränkte er mit ihrer und lächelte ihr warm zu. „Ist schon okay. Du hast es bald überstanden!“ Schnell führte er sie am Rand der Menge entlang, während Aurora versuchte sich nur auf ihre Atmung zu konzentrieren und nichts anderes zu sehen.
Obwohl sie Eric noch nicht lange kannte, gab ihr seine Gegenwart ein Gefühl von Sicherheit.
Plötzlich blieb er stehen. Aurora blickte auf und sah in das Gesicht eines großen Mannes mit langen schwarzen Haaren und ebenso schwarzen Augen, die sie kalt anzufunkeln schienen. Eric verbeugte sich vor ihm und Aurora folgte seinem Beispiel mit einem unbeholfenen Knicks. Irgendwo hinter sich konnte sie ein leises Kichern vernehmen. Neugierig schaute sie auf. In dem kantigen, strengen Gesicht des Königs war ein belustigtes Schmunzeln sehen. Schnell wandte sie ihren Blick zu Eric, der seinen Kopf immer noch gesenkt hielt.
„Eric, warum so formell?“ Seine dunkle Stimme klang klar durch den Raum und ließ alle Geräusche verstummen, selbst das Orchester hörte auf zu spielen. „Sind wir nicht alte Freunde?“ Er erhob sich aus seinem Stuhl und ging auf Eric zu. Erstaunt schaute dieser auf und wurde im nächsten Moment überschwänglich von seinem König umarmt. „Es ist lange her, seit wir uns das letzte Mal sahen!“ Lächelnd blickte der andere auf ihn herab. Obwohl Eric groß war, überragte ihn sein Freund noch um einen halben Kopf.
Der Blick des Königs richtete sich auf sie. „Was für eine schöne Begleitung hast du dir zu diesem Fest gewählt!“
Eric trat an ihre Seite und legte demonstrativ einen Arm um ihre Taille. „Das ist Aurora Zantoni. Ich habe sie unter meinen Schutz gestellt!“ Er sagte es laut in den Saal hinein, so dass keiner ihn überhören konnte.
„Natürlich hast du das. Wer würde so einer wundervollen Blume auch etwas zu Leide tun wollen?“ Der Blick des Königs schweifte durch den Saal, dann klatschte er in die Hände. Sofort begann die Musik zu spielen und Gespräche wurden wieder aufgenommen, als hätte es keine Unterbrechung gegeben.
„Aurora, Eric, setzt euch doch zu mir. Es gibt sicher viel zu berichten!“ Neben den Thron wurde eine kleine Bank mit goldenen Füßen und hellblauem Bezug gestellt. Eric fasste leicht Auroras Oberarm und platzierte sie so, dass er selbst zwischen ihr und dem König saß.
Verwundert atmete sie auf. Sie lebte immer noch, keiner war über sie hergefallen. Vorsichtig sah sie sich im Saal um, während sich Eric leise mit seinem König unterhielt. Auf ihrer erhöhten Position kam sie sich vor wie auf dem Präsentierteller. Während sie die Anwesenden vor sich betrachtete, konnte sie versteckte Blicke auf sich gerichtet spüren. All diese Leute sahen so blass und unwirklich aus, dass sie sich nicht vorstellen konnte, dass auch nur einer unter ihnen ein Mensch war.
„...braut sich da zusammen.“ Stirnrunzelnd schaute sie zu Eric, dessen Stimme plötzlich ernster geworden war.
Vlad nickte ihm zu. „Du hast Recht. In letzter Zeit habe ich oft von tödlichen Übergriffen auf Menschen gehört. Aber ich weiß nicht, wer dahinterstecken könnte.“
Eric schüttelte den Kopf, als antwortete er auf eine still gestellte Frage. „Das glaube ich nicht, Vlad. Ich habe eine Spur gefunden, aber ich kann noch nicht sagen, zu wem sie führt. Wenn ich weiß, wer es ist, bist du der Erste, der davon erfährt.“
Aurora konnte ihre Neugier nicht länger zügeln. „Wovon sprecht ihr?“ Beide Männerköpfe schnellten gleichzeitig in ihre Richtung. Der Gesichtsausdruck des Königs war erstaunt, Erics Blick verärgert und Aurora biss sich leicht auf die Zunge. Hätte sie nichts sagen dürfen? Eric hatte sie ermahnt, dass der König sie zuerst anreden müsste.
„Verzeihen Sie! Wir müssen Sie mit unseren Verschwörungstheorien mächtig ermüden, schließlich sind Sie hier auf einer Party und möchten sich amüsieren!“ Vlad lächelte sie charmant an. „Eric, deine Begleitung hat noch gar kein Glas in der Hand. Möchtest du ihr nicht etwas zu trinken holen?“
Er presste seine Lippen zusammen und nickte seinem Freund zu. Mit dunkel umwölktem Blick wandte er sich Aurora zu. „Was möchtest du haben?“
Sie winkte ab. „Ich brauche nichts.“
„Unsinn, meine Liebe, ich kann Ihren Durst bis hierher spüren!“ Aurora versuchte die Anspielung zu überhören.
„Ich kann dich doch begleiten?“ Sie konnte sich gerade noch davon abhalten, unsicher nach seiner Hand zu greifen.
„Aber nein, meine Liebe. Leisten Sie mir doch Gesellschaft. Ich bin sicher, eine Unterhaltung mit Ihnen ist sehr erfrischend!“ Das Lächeln des Königs kam ihr vor wie das Grinsen eines Wolfes. Irritiert griff sie nun doch nach Erics Hand. Wieso hatte sie sich auch in das Gespräch einmischen müssen und damit die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt?
Eric hob ihre Hand an seine Lippen und verzog den rechten Mundwinkel, als wolle er ihr zustimmen. „Ich bin gleich wieder zurück. Wasser ist in Ordnung?“
Sie nickte ihm dankbar zu und schaute scheu auf ihre im Schoß zusammengefalteten Hände, als er davon gegangen war.
„Nun, wie gefällt Ihnen mein Fest?“
Sie zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht und schaute zu dem König hoch. „Eure Majestät, es ist mir eine große Ehre, hier zu sein. Alles ist so prachtvoll und imposant!“
Verdutzt schaute er sie an. „Das freut mich. Aber bitte nennen Sie mich Vlad. Schließlich sind Sie eine gute Freundin meines ältesten Freundes!“
Aurora merkte, wie ihr Lächeln zu zittern begann. Von wegen gute Freundin, eher flüchtige Bekannte. Schnell verschränkte sie ihre Finger ineinander, während sie gegen eine neuerliche Welle von Panik kämpfte.
Der Vampir beugte sich leicht nach vorne, wobei ihm die langen Haare über die Schulter fielen. „Sie riechen sehr angenehm. Wussten Sie, dass das Blut von Vampirjägern für uns einer der verlockendsten Gerüche überhaupt ist?“ In seinen Augen konnte sie ein beunruhigendes Flackern entdecken, als sich sein Blick kurz auf ihr verbundenes Handgelenk richtete. „Ich hatte es fast vergessen, aber Ihr Blut schreit geradezu nach uns!“ Er schüttelte den Kopf und lehnte sich wieder in seinem Thron zurück. „Es ist mir ein Rätsel, wie Eric Ihnen widerstehen kann.“
Aurora musste den Impuls bekämpfen, einfach aufzustehen und wegzurennen. Wahrscheinlich würde ihr dann einer der Vampire seine Zähne in den Hals schlagen.
„Keiner der Anwesenden wird Sie anfassen! Weder heute noch später, außer Sie stellen eine ernste Bedrohung für ihn dar. Selbst wenn es meinen Anhängern nicht gefällt, werden sie Erics Schutz akzeptieren.“
Sie atmete tief ein. „Auch die Romanows?“
Erstaunt zog er die Augenbrauen nach oben. „Eric hat Ihnen von uns erzählt?“
„Schließlich haben sie mich überfallen!“ Langsam schlug sie ihre Beine übereinander und versuchte Ruhe zu bewahren.
„Ah, verstehe.“ Er nickte ihr zu. „Und ja, auch sie werden sich daran halten. Sie sind schließlich nicht dumm und haben Erics Worte gehört.“
Erschrocken blickte Aurora in den Saal. „Sie sind hier?“ Schnell versuchte sie die Gesichter zwischen den geisterhaft tanzenden Paaren zu entdecken, aber es prasselten zu viele Eindrücke auf sie ein.
„Sie sind in einem der Nebenräume. Sie werden sie hier nicht finden!“ Vlad hatte sich wieder zu ihr herübergebeugt und Aurora lehnte sich so weit wie möglich in die Polster, um ihm auszuweichen. Seine Nähe machte sie nervös, ganz anders als bei Eric. Bei ihm fühlte sie sich sicher.
„Das ist höchst interessant!“ Er grinste sie breit an und entblößte eine Reihe strahlend weißer Zähne. Aurora hob ihre Augenbraue. Ganz offensichtlich hatte er ihre Gedanken gelesen.
Der König ließ sich in seinen Sitz zurückfallen und senkte kurz den Kopf. „Entschuldigen Sie, Aurora! Aber es war zu verführerisch, in Ihre Gedankenwelt einzudringen.“ Er tätschelte ihre Hand. „Und ich muss sagen, es hat sich gelohnt.“
Auroras Nerven lagen blank und sie zog ihre Hand aus seinem Griff. „Lassen Sie es lieber!“ Das Zittern in ihrer Stimme verriet nur zu gut, dass es ihr unheimlich war, wenn ein Fremder ihre Gedanken las.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und kurz blieb ihr das Herz stehen, bis sie die Stimme erkannte. „Was soll Vlad sein lassen?“ Aurora schaute in Erics Gesicht. Er sah zum Fürchten aus, wie er mit kalten Augen streng auf seinen Freund blickte.
„Nur eine kleine Indiskretion!“ Der König winkte ab. „Und ich habe mich bei deiner Begleitung schon dafür entschuldigt, ungebeten ihre Gedanken gelesen zu haben.“ Er musterte Eric lange, der mit zusammengepressten Lippen halb vor ihr stand. Schließlich schüttelte Vlad den Kopf und lachte auf. „Du überraschst mich immer wieder, mein alter Freund!“
Man konnte sehen, wie die Spannung aus Eric wich. Er ließ sich geschmeidig neben ihr auf der Sitzbank nieder und hielt ihr ein volles Glas vor die Nase. „Hier ist dein Wasser.“ Er schenkte ihr ein kleines Lächeln, welches Aurora zusammen mit dem Getränk dankbar annahm.
Vor Anspannung zitterte ihre Hand so sehr, dass sie den ersten Schluck verschüttete. Schnell legte sie ihre andere Hand stützend daran und konzentrierte sich darauf, das Glas an den Mund zu führen. Das Wasser fühlte sich wunderbar in ihrer trockenen Kehle an. Im nächsten Moment sah sie in Richtung Saaleingang, von wo unruhiges Gemurmel zu vernehmen war und stellte das Glas auf dem Boden neben sich ab.
„Ah, gleich kann ich euch Sarah vorstellen.“ Erstaunt schaute Aurora zu Vlad, der weich lächelte. Ihm schien etwas an dieser Frau zu liegen.
Vor ihnen teilte sich die Menge und eine zierliche Frau mit langen blonden Haaren schritt in einem weißen Kleid elegant auf sie zu. Aurora musste an eine Fee aus einem Märchen denken. Eric atmete zischend aus.
Mit zärtlichem Blick stand Vlad auf, nahm die kleine Frau vor aller Augen in die Arme und schenkte ihr einen langen Kuss. „Sarah, du hast mich warten lassen!“
Schüchtern lächelte sie ihn an. „Mein König, ich wollte nur besonders schön für dich aussehen!“
„Das ist dir gelungen, mein Engel!“ Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann drehte er sie zu Eric, der sie mit Schrecken in den Augen musterte.
Aurora folgte seinem Blick und zuckte erschrocken zusammen. Der Hals und die Arme dieser Frau waren übersät mit Bissen, um die sich blaue Flecke gebildet hatten. Auch die edle Halskette mit dem großen Saphir konnte davon nicht ablenken.
Eric räusperte sich mehrmals, bevor er seine Sprache wiedergefunden hatte. „Sarah, es freut mich Sie wieder zu sehen.“ Er deutete eine Verbeugung an und blickte ihr scharf in die Augen. „Die Kette, die Sie tragen, kommt mir sehr bekannt vor.“ Er warf Vlad einen anklagenden Blick zu.
Dieser legte schützend einen Arm um Sarahs Taille und zuckte mit den Schultern. „Du solltest der Vergangenheit nicht ewig nachtrauern.“
„Und du solltest sie nicht einfach vergessen!“ Funken schienen zwischen den Männern zu sprühen.
„Das habe ich nicht!“, erklang Vlads Stimme gefährlich leise. „Komm, mein Engel! Wir wollen tanzen.“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, führte Vlad die Frau von einem angespannten Eric fort.
Dieser fuhr sich fluchend durch die Haare. „Ich brauche dringend frische Luft!“ Er rauschte die Treppe hinunter und zu einer der großen Balkontüren hinaus.
Aurora starrte ihm hinterher. Am liebsten hätte sie Eric ein wenig Zeit für sich gegeben, aber unter all den fremden Vampiren wollte sie nicht allein bleiben. Sie rannte ihm nach in die kühle Nacht, die sanft ihre Haut streichelte. Kurz blieb sie stehen, damit ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen konnten. Außer ihr schien keiner auf dem weitläufigen Balkon mit der Marmorbalustrade zu sein. Ein Hauch von Panik stieg in ihr auf. Eric würde doch nicht einfach ohne sie gegangen sein und sie hier zwischen all den Vampiren allein lassen? Sie konnte sich nicht einmal ein Taxi rufen, sie wusste ja gar nicht, wo genau sie war. Was sollte sie sagen? „Holen Sie mich einfach beim Haus des Königs der Vampire ab?“
Doch dann entdeckte sie im Schatten eine Gestalt. Zögernd ging sie darauf zu. „Eric, bist du das?“
Durch die Fensterscheiben fiel Licht auf seine zornigen Züge, als er sich ihr zudrehte. Aurora blieb augenblicklich stehen. Seine dunklen Augen nahmen sie ins Visier, wie eine Schlange ein Kaninchen. „Er hat seiner kleinen Sklavin einfach die Halskette meiner Schwester gegeben. Kannst du dir das vorstellen?“
Unruhig lief er vor ihr auf und ab. Schließlich blieb er vor einer großen Marmorvase stehen. Mit einem kurzen Aufschrei holte er mit dem Arm aus und schlug darauf. Mit lautem Gepolter zerfiel die Vase zu kleinen Steinen. Aurora zuckte zusammen und schlang zitternd ihre Arme um den Oberkörper. So außer sich hatte sie Eric noch nicht gesehen. „Das Erbstück meiner Familie, von Generation zu Generation weitergegeben und er schenkt es einfach seiner kleinen Schlampe!“
Aurora ging vorsichtig auf ihn zu. „Aber er scheint sie doch gern zu haben!“
Schnaubend drehte er sich zu ihr um. „Von wegen. Hast du nicht ihren Körper gesehen?“ Er hob die Arme und fasste sie hart an den Schultern. „Er nährt sich von ihr!“ Seine Nägel bohrten sich in ihre Haut. „Sei nicht so dumm und denke, er wäre romantisch veranlagt. Wenn er sie wirklich gern hätte, wäre sie kein Mensch mehr, sondern eine von uns!“
Aurora hielt die Luft an. „Du meinst . . . ?“
„Ja, er hätte sie in einen Vampir verwandelt. Aber sie ist nur ein Spielzeug für ihn.“
Ihr lief ein Schauer über den Rücken. „Was ist, wenn sie gar kein Vampir werden will?“
Er schüttelte sie leicht. „Sei nicht albern! Jeder Mensch würde zu einem Vampir werden wollen, weil er uns nicht widerstehen kann!“
Trotzig hob sie das Kinn. „Ich will nicht so werden wie ihr.“ Sie versuchte sich aus seinem harten Griff zu winden.
„Du bist auch kein normaler Mensch. Das macht dich etwas resistenter gegen unseren Charme!“
„Eric, du tust mir weh! Lass mich los!“
Sofort nahm er seine Hände von ihr. „Entschuldige. Ich habe gar nicht bemerkt, wie fest ich zugegriffen habe!“ Seufzend drehte er sich zum Garten. „Es war wohl keine gute Idee, zu dieser Party zu gehen! Was hältst du davon, wenn wir uns verabschieden?“
"Du willst uns schon verlassen? Das finde ich sehr schade." Eine leise Stimme ließ Aurora fast in Erics Arme springen. Mit einer Hand hielt sie sich erschrocken an seinem Unterarm fest, während sie sich zu der Stimme drehte.
"Fürst von Ardelean, es ist schön euch wieder zu sehen." Eric strich ihr kurz beruhigend über die Hand, bevor er etwas Distanz zwischen sie brachte.
Von einer der Fenstersäulen löste sich ein Schatten. Als dieser ins herausfallende Licht trat, erkannte sie einen silberhaarigen älteren Mann mit aufrechtem Gang. Allein seine steife, elegante Haltung zeigte ihr, dass er schon sehr alt und vermutlich adlig sein musste.
„Was ist denn das für eine Begrüßung? Du tust gerade so, als würdest du mich nicht kennen. Nur weil wir uns ein paar Jahre nicht gesehen haben, musst du mich nicht wie einen Fremden behandeln, Neffe.“ Ein warmes Lächeln zeigte sich auf dem Gesicht des wie Mitte sechzig aussehenden Mannes, als er in einer willkommenen Geste seine Arme aufhielt.
Erstaunt hob Aurora eine Augenbraue und sah zu Eric hoch. Bei seiner Erzählung war sie davon ausgegangen, dass er keine Familie mehr hatte, aber er hatte ihr wohl noch nicht alles erzählt. Leicht hob er einen Mundwinkel, bevor er ihre Hand von seinem Unterarm löste. Ergeben seufzend umarmte er den Mann, der genauso groß und schlank war wie er. „Guten Abend, Onkel. Ich wusste gar nicht, dass Ihr hier seid.“
„Ich bin vor ein paar Stunden erst angekommen und hatte noch keine Zeit, mich bei dir zu melden. Ein paar Geschäfte haben mich hierher gebracht und ich wollte wissen, was es für Neuigkeiten gibt. Was ich auf dem Land so mitbekomme, klingt nicht gut.“
Eric nickte ihm zu. „Es ist ernst und ich hoffe, es wird nicht zu einem Krieg ausarten. Ich mache mir Sorgen um Vlad, auch wenn ich dem Sturkopf gerade den Kopf abreißen könnte.“
„Die Leibgarde ist doch von dir persönlich ausgesucht und trainiert worden. Ich denke, unser König könnte nicht sicherer sein.“ Viktor klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Aber warum schimpfst du so? Hast du dich mit ihm gestritten?“
Schnaubend fuhr Eric sich durch die Haare. „Er hat seinem kleinen Haustier Dianas Kette umgelegt, das stört mich.“
Leicht ermahnend schüttelte Viktor den Kopf. „Ich bin mir sicher, deine Eltern haben dich nicht zu solch respektlosem Gerede erzogen, selbst wenn es dir nicht gefällt, was der König tut. Was soll deine kleine Freundin von dir denken?“
Ertappt zuckte Aurora zusammen, als sich zwei Augenpaare auf sie richteten. Dabei war sie so still gewesen und hatte in den letzten paar Minuten mehr Sachen über Eric erfahren, als die letzten Stunden. Eingeschüchtert schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper und strich sich wärmend über die kalte Haut. Langsam wurde die Abendluft unangenehm für ihren menschlichen Körper. Etwas, was für Vampire kein Problem war, wenn sie dem Tagebuch ihrer Großmutter glauben konnte. Vampire konnten wohl ohne Schwierigkeiten in jeder Ecke der Welt überleben, solange sie Blut hatten.
Eric runzelte die Stirn, als sie ihr Zittern nicht ganz unterdrücken konnte.
„Wir waren wohl etwas zu lange hier draußen. Ich möchte nicht, dass die Jägerin krank wird.“ Mit einem höflichen Lächeln nickte der ältere Vampir ihr zu. „Ich melde mich morgen, dann können wir uns unterhalten. Aber denk daran, die Kette gehört Vlad, er kann damit machen, was er will. Und wenn er Dianas Schmuck unbedingt seiner Menschenfreundin umhängen möchte, dann musst du das akzeptieren.“ Er umarmte Eric kurz und nickte ihr zu. „Es war mir eine Ehre, Fräulein Zantoni.“
Mit klappernden Zähnen zwang sie sich ein Lächeln auf das Gesicht, doch der Vampir konnte es kaum gesehen haben, so schnell war er von der Terrasse des alten Herrenhauses wieder verschwunden.
„Bevor du mir erfrierst, sollten wir uns wohl auf den Heimweg machen. Im Auto kannst du dich aufwärmen.“
Sie spürte, wie Erleichterung sie umspülte. „Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Ich wollte sowieso nicht hierher. Das war ganz und gar deine Idee!“
Er drehte sich zu ihr um und schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Da hast du Recht. Und du stehst jetzt offiziell unter meinem Schutz, jeder auf diesem Ball hat es gehört und wird sich daran halten und es an andere Vampire weiter geben. Dir kann nichts mehr passieren.“
Skeptisch hob sie eine Augenbraue.
„Fürs Erste zumindest! Also lass uns gehen.“ Eric nickte ihr zu und ging vor ihr in den Saal zurück. Doch bevor sie die Hälfte der Strecke durch den großen Raum geschafft hatten, wurden sie von einer kleinen Frau mit hochgesteckten schwarzen Locken in einem langen schwarzen Kleid aufgehalten. „Eric, einen schönen Auftritt hast du vorhin hingelegt!“ Aurora erkannte die Vampirin wieder, die erst gestern an seiner Seite ihr Haus verlassen hatte. War das seine Freundin?
„Francesca, ich hätte mir denken können, dass du hier sein würdest.“ Er nahm die weiße Hand und hauchte einen Kuss darauf. Aurora betrachtete die andere, die lächelnd zu Eric hinauf sah. Ihre Haut war makellos und kein Gramm war zu viel an ihrem Körper.
„Natürlich! Lorenzo ist auch irgendwo in der Nähe.“ Sie drehte sich nach hinten, als im nächsten Moment auch schon ein gut aussehender, dunkelhaariger Mann an ihrer Seite erschien und ihren Hals küsste.
„Liebling, du hast mich gerufen?“ Sie schenkte ihm ein verzaubertes Lächeln, bevor er sich an Eric wandte. „Guten Abend Eric. Dein Auftritt war beeindruckend.“ Er machte einen Schritt auf Aurora zu. „Es ist mir eine Ehre, die Erbin der Zantoni-Familie kennen zu lernen.“ Schelmisch grinste er sie unter seinen Locken an. „Nachdem, was meine Frau mir erzählt hat, hätte ich nicht gedacht, Ihnen so schnell in der Gegenwart von Eric zu begegnen.“ Aurora lächelte ihn an und konnte nicht verstehen, warum sie sich so sehr darüber freute, dass Francesca mit ihm verheiratet war.
„Dann hast du Sarah also schon gesehen?“
Aurora schrak aus ihren Gedanken und schaute besorgt zu Eric. Dieser runzelte wütend seine Stirn. „Ja! Und dass sie Dianas Halskette trägt, ist mir auch nicht entgangen.“ Finster schüttelte er den Kopf. „Ich verstehe nicht, was Vlad sich dabei gedacht hat. Immerhin weiß er genau, was für eine Macht dieser Stein besitzt. Ich werde wohl noch einmal in Ruhe mit ihm darüber reden.“
Eric nickte Lorenzo zu. „Ich werde Aurora jetzt von hier weg bringen. Wenn ihr irgendwelche Hinweise aufschnappt zu den beunruhigenden Ereignissen der letzten Wochen, sagt mir Bescheid.“
Die Beiden blickten ihn ernst an. „Wir werden uns noch ein wenig unter die Leute mischen.“ Lorenzo wandte sich an Aurora. „Es war mir ein Vergnügen, der Vampirjägerin zu begegnen. Du siehst deiner Großmutter sehr ähnlich. Deshalb sage ich dir lieber gleich, dass wir keine Menschen aussaugen und umbringen. Es besteht also kein Grund für dich, Francesca oder mich zu köpfen. Deine Großmutter war in dieser Hinsicht sehr fair.“
Aurora legte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Gut zu wissen, ich werde es mir merken.“ Erics Hand schob sie aus dem Haus, noch während sie versuchte, die Eindrücke zu verarbeiten.
„Oh, ihr geht schon. Das finde ich aber schade.“ Aurora drehte sich erschrocken um und starrte auf die Gestalt an, die sich von der Hauswand löste.
„Prinzessin Romanow! Es ist mir eine Ehre, Sie wiederzusehen.“ Eric drängte sich eng an ihre Seite. Während er mit der Zarentochter sprach, schien er die Umgebung um sich herum abzusuchen. Schließlich nickte er in Richtung eines Punktes schräg hinter sich. „Sie natürlich auch, Großfürst!“
Lachend löste sich Alexander Romanow aus dem Schatten. „Immer auf der Hut, Prinz Ragenow? Aber habt Ihr nicht etwas übersehen?“
Eric knurrte in Auroras Richtung. Nur Zentimeter neben ihr wurde Dimitri Romanow sichtbar und lächelte ihr drohend zu. Er streckte die Hand nach ihrem Gesicht aus, während Aurora wie gelähmt dastand und nicht atmen konnte. Kurz bevor sie berührt wurde, zog Eric sie eng an seine Seite. „Ich warne euch. Sie steht unter meinem Schutz, sowie ihre gesamte Familie.“
Mit glockenhellem Lachen trat Anastasia vor ihn. „Aber natürlich, Eric. Wir wissen, was sich gehört. Du hast heute eine einmalige Show geboten. Eine Jägerin unter deinen Schutz zu stellen.“ Sie schüttelte den Kopf und schaute zu ihren beiden Begleitern, die sich zu ihr gesellt hatten. „Von so etwas habe ich noch nie gehört. Aber bedenke eins: Es kann nicht ewig so bleiben. Bald wird es Krieg geben zwischen den Menschen und uns. Auf welcher Seite wirst du dann stehen?“
Eric funkelte sie herausfordernd an. „Krieg ist nicht das Ziel unseres Königs. Oder stellst du dich gegen die Politik unseres Anführers?“
„So hat meine Schwester das nicht gemeint.“ Alexander trat vor Anastasia. „Doch habe ich gehört, dass die Jäger immer radikaler werden und auch unschuldige Vampire abschlachten. Irgendwann werden wir uns dagegen wehren müssen. Obwohl es schade wäre um diese dort!“ Alexander deutete auf Aurora und leckte sich die Lippen. „Sie sieht besonders reizvoll aus und dann die Süße ihres Blutes.“ Er hob eine Augenbraue und lächelte teuflisch. „Ich darf sie nicht zwingen, aber vielleicht möchte sie mir freiwillig ihr Blut geben?“ Alexander funkelte sie mit roten Flammen in den Augen an. Beunruhigt drückte sich Aurora an Erics Körper. Doch für einen kurzen Augenblick dachte sie darüber nach, ob sie Alexander nicht ihr Handgelenk reichen wollte.
„Nein!“ Erics bedrohliches Grollen brachte sie in die Realität zurück. „Du wirst sie nicht anrühren.“ Alexander antwortete ihm mit einem engelsgleichen Lachen.
Aurora wandte den Blick schnell von Alexander ab und betrachtete verstohlen seine Schwester. Ihre roten Haare waren kunstvoll hochgesteckt und betonten das schmale Gesicht einer jungen Frau. Abfällig sah sie zu Aurora hoch, die einen halben Kopf größer war. „Sie ist schwach! Was willst du mit ihr?“ Herausfordernd schaute sie zu Eric.
„Ihr Blut, Schwesterherz! Es schmeckt einfach köstlich und jetzt hat der Prinz dafür gesorgt, dass er es alleine auskosten kann. Eine Jägerin als Blutbank, wie amüsant!“ Aurora verspannte sich. Was, wenn Alexander Romanow Recht hatte?
„Das ist völliger Unsinn! Hier geht es nur darum, einen Krieg zu verhindern, den ihr beinahe mit der Ermordung einer Jägerin ausgelöst habt.“, beantwortete Eric ihre stumme Frage.
Dimitri Romanow lächelte Eric an. „Nein, mein Prinz, das war nie unsere Absicht. Es war nur ihr Blut, das uns angezogen hat.“
Eric verengte seine Augen zu Schlitzen. „Ich kann euch nichts nachweisen, aber lasst eure Spielchen. Irgendwann komme ich euch auf die Schliche!“ Die beiden Cousins beugten sich nach vorne und knurrten ihn an. Es sah aus, als würden sie ihn gleich angreifen. Erschrocken presste sich Aurora an Erics Rücken und griff nach dem Dolch in ihrer Handtasche. Diesmal würde sie sich nicht einfach beißen lassen.
Ein kurzes Händeklatschen und Anastasias glockenhelle Stimme unterbrachen die Spannung in der Luft. „Das ist genug. Alexander, Dimitri, ich langweile mich hier draußen. Lasst uns hineingehen und Prinz Ragenow nicht länger aufhalten.“
Aurora konnte spüren, wie sich Erics Muskeln unter ihrer Hand entspannten. Nachdem die Romanows im Haus verschwunden waren, drehte er sich langsam zu ihr um. „Wir sollten jetzt verschwinden, denkst du nicht auch?“ Stumm nickte sie ihm zu und hakte sich bei ihm ein. Dieser ganze Abend hatte sie etwas taumelig werden lassen und schwer stützte sie sich auf ihn.
Er lehnte sie gegen das Auto und strich ihr vorsichtig über die Wange. Besorgte Augen musterten sie lange. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
Krampfhaft versuchte sie, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. „Ja, es geht schon. War nur ein bisschen viel.“
Er nickte kurz und hielt ihr die Tür auf. „Steig ein. Schließ ein bisschen die Augen während der Fahrt und wenn du aufwachst, bist du schon zu Hause!“
Erschöpft ließ sie sich in den Sitz gleiten. Sie glaubte nicht, dass sie bei den ganzen Eindrücken in ihrem Kopf auch nur ein Auge zumachen könnte. Doch sobald sich Eric neben sie gesetzt hatte, senkte sich bleierne Müdigkeit über sie. Kurz versuchte sie, dagegen anzukämpfen, aber wozu eigentlich? Sie lehnte den Kopf nach hinten und versank in Dunkelheit.
15. April 1936
Vater und ich sind heute zur Sonntagsmesse gefahren. Mutter und Großmutter sind bei meinem Bruder geblieben. Mikhail schläft ruhig und kommt lange genug zu sich, um etwas zu essen und Wasser zu sich zu nehmen. Der Doktor meinte, wenn Gott es will, wird Mikhail es schaffen. Ich habe heute in der Messe für das Leben meines Bruders gebetet.
Zum Glück konnte der Doktor Vaters Bein gut zusammen nähen und er kann schon wieder darauf herum humpeln.
Nach der Messe hat Vater mit dem Pfarrer über den Überfall der Vampire gesprochen. Der Pfarrer will einen Brief an den Bischof schreiben und ihn um Hilfe bitten.
Er hat Angst, dass sich der Überfall in unserer Gemeinde wiederholen könnte. Offenbar will er jeden Hof besuchen und mit Weihwasser und Gebeten schützen. Nachdem ich gesehen habe, wie ungläubig diese Wesen sind, bin ich mir nicht sicher, ob es den Menschen wirklich helfen kann. Auch Vater schien nicht wirklich überzeugt, hat unserem Pfarrer aber nicht widersprochen.
Sobald wir wieder auf dem Hof waren, hat Vater mit Kampfübungen begonnen. Er meint, ich muss beim nächsten Überfall besser vorbereitet sein.
Jeden Tag nach unseren Aufgaben übt er mit mir bis zum Sonnenuntergang. Meine Muskeln schmerzen von dem schweren Schwert und ich kann im flackernden Kerzenlicht kaum meine Augen offen halten. Dabei will ich alles Wichtige in meinem Tagebuch festhalten.