Читать книгу Schwarz wie dein Herz - Julie Craner - Страница 8

Оглавление

3

Fast hatte sie das Kino erreicht. Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sie wirklich hier war. Dabei hätte sie nach der Enttäuschung mit Eric jetzt lieber in ihrer Wohnung vor sich hin gedämmert.

Markus sah sie schon von weitem und rannte auf sie zu. Stürmisch riss er sie in die Arme und gab ihr einen Kuss auf den Scheitel.

„Schwesterchen, ich hatte schon Angst, du kommst doch nicht!“

Neckend schaute sie zu dem schlanken jungen Mann hoch, der sie um einen Kopf überragte. „Ich habe auch mit dem Gedanken gespielt.“

Lachend fuhr er sich durch die kurzen, braunen Haare. „Wie gut, dass du es dir anders überlegt hast.“ Schalkhaft blitzten seine grauen Augen auf. „Gregor hat schon nach dir gefragt!“

Stöhnend blieb sie stehen und sah ihn vorwurfsvoll an. „Markus, bitte! Tu mir das nicht an!“

„Wieso? Er ist doch sehr nett und du verstehst dich gut mit ihm!“ Schulterzuckend schaute er auf sie herunter. Manchmal hasste sie es, dass ihr vier Jahre jüngerer Bruder fast einen Kopf größer war als sie.

„Das klingt, als wolltest du mir etwas verkaufen.“

„Ich mach mir einfach Sorgen. Seit du dich von Sascha getrennt hast, ziehst du dich noch mehr zurück. Mal ehrlich, wann warst du das letzte Mal aus?“ Mit einem angedeuteten Lächeln wuschelte er durch ihre langen Haare.

Schnaufend schlug sie seine Hände zur Seite. Warum musste er gerade jetzt mit ihrem untreuen Ex-Freund kommen? Das hatte rein gar nichts damit zu tun. „Ich war letzten Monat erst mit meiner Kollegin Silvie in einem Feierabendclub.“

„Was? Ein Monat? Du bist Mitte zwanzig und Single. Du solltest jedes Wochenende feiern gehen und dein Leben genießen.“ Ihr Bruder klang fast empört und sie konnte sich ein Lachen nicht mehr verkneifen.

„Markus, vergleiche dein ausschweifendes Studentenleben nicht mit mir. Nach vierzig Wochenstunden, in denen ich fast ausschließlich mit Menschen rede, freue ich mich über Ruhe.“ Sie hängte sich lächelnd an seinen Arm. „Also tue nicht so, als würde ich komplett vereinsamen.“

„Aber immer in deiner Wohnung zu bleiben, ist auch nicht gut. Mit einem Mann wie Gregor wärst du nicht mehr allein.“

„Das heißt doch aber nicht, dass ich mit ihm zusammenkommen muss.“

Seufzend legte ihr Markus den Arm um die Schulter. „Jetzt block nicht gleich ab. Er mag dich und ich glaube, er kann dich glücklich machen. Gib dem armen Kerl wenigstens eine Chance.“

„Das sagst du nur, weil er dein bester Kumpel ist.“ Sie versuchte die Rührung zu überspielen, die seine Sorge in ihr auslöste.

„Nein, das sage ich, weil du meine Schwester bist. Du vereinsamst noch!“ Er zwinkerte ihr zu und drückte ihre Schulter. „Ich kann doch nichts dafür, dass er zufällig auch mein bester Freund ist.“

„Aber er arbeitet in einer Bank“, jammerte sie. Gregor war lieb, aber es gab nichts, was sie gemeinsam hatten.

Belustigt schaute ihr Bruder sie an. „Und du arbeitest in einer Apotheke.“ Spielerisch zog er an einer ihrer Strähnen. „Auch nicht gerade ein Job mit Nervenkitzel.“ Sah man davon ab, dass sie sich heute irgendwie dazu bereit erklärt hatte eine Vampirjägerin zu werden, fügte sie in Gedanken hinzu. „Ihr habt euch seit einem halben Jahr nicht gesehen. Warte erst mal ab. Vielleicht überrascht dich Gregor ja!“

„Das bezweifle ich.“ Sie ignorierte Markus‘ Lachen neben sich. Es war länger als ein halbes Jahr her, seit sie Gregor gesehen hatte, sie wusste es genau. Allein der Gedanke daran ließ sie rot werden.

Zu Silvester hatte Markus eine große Party geschmissen. Als es Mitternacht geworden war, hatte sie zufällig neben Gregor gestanden und ihm einen harmlosen Kuss auf die Lippen gedrückt. Doch Gregor hatte sie fest in seine Arme gezogen und ihn stürmisch erwidert. Ihr Alkoholspiegel hatte sie dazu gebracht, ihn leidenschaftlich zurückzuküssen. Kurz hatte sie sich der Illusion hingegeben, dem Prickeln der Berührung, doch es hatte nichts in ihrem Inneren berührt und schnell hatte sie sich aus seiner Umarmung gelöst. Leider hatte ihr Bruder diese Szene mitbekommen und versuchte sie beide seither zu verkuppeln. Lange hatte sie Gregor aus dem Weg gehen können, doch heute war das Glück ihr nicht hold.

Tief atmete sie ein und betrat mit Markus das Kinofoyer. Der Erste, den sie sah, war natürlich Gregor. Mit seinen fast zwei Metern Körpergröße überragte er die meisten anderen Menschen ohne Schwierigkeiten. Er trug seine braunen Locken jetzt länger, es sah richtig verwegen aus, wie sich ein paar Strähnen in seinem Nacken kringelten. Warme braune Augen lächelten ihr zu. Erstaunt stellte sie fest, dass er gut aussah. Seine Schultern waren breiter geworden und seine Oberarme hatten richtige Muskeln bekommen. Irritiert musterte sie ihn. Markus hatte ihr gar nicht erzählt, dass Gregor Krafttraining machte. Es stand ihm. Langsam ging er in ihre Richtung. Da war kein Rest seiner jugendlichen Schlaksigkeit mehr zu finden, stellte sie erstaunt fest. Sein Blick richtete sich auf etwas auf ihrem Dekolleté und er schien verwirrt seinen Kopf zur Seite zu legen.

Eine kleine Gestalt mit schwarzen, fliegenden Haaren kam vor ihm auf sie zugerannt und warf stürmisch die Arme um ihren Hals. „Ich bin so froh, dass du hier bist. Endlich weibliche Verstärkung!“

Aurora drückte die kleine Frau an sich. Es war so lange her, dass sie Vera gesehen hatte. Sie musste sich unbedingt mehr Zeit für ihre Freunde nehmen. Vielleicht war an Markus‘ Befürchtung, sie würde vereinsamen, wirklich etwas dran. Auch wenn sie das nie offen vor ihm zugeben würde.

„Was denn? Ärgern dich die Männer?“ Mit hochgezogener Augenbraue schaute sie zu ihrem Bruder, der abwehrend die Hände hochhielt.

„Ich hab nichts gemacht! Wirklich, ich bin unschuldig!“

„Na, wer’s glaubt!“

„Diesmal hat er wirklich nichts damit zu tun. Die beiden sind schuld.“ Mit ausgestrecktem Finger deutete Vera auf Peter und Gregor, die sich zu ihrer kleinen Gruppe gesellt hatten.

Gespielt entrüstet stemmte Aurora die Hände in die Hüften und schaute die beiden grinsenden Männer an. „Also, was habt ihr meiner Kleinen angetan?“ Sowohl Gregor als auch der kleinere, schwarzhaarige Mann neben ihm schauten unschuldig an die Decke.

„Sie haben sich darüber lustig gemacht, dass ich mich zwischen Eiskonfekt, Nachos und Popcorn nicht entscheiden konnte und alles kaufen wollte“, erklärte Vera die Situation.

„Es sah sehr verfressen aus, wie du auf die Theke gesabbert hast!“ Sie konnte ein unterdrücktes Kichern von Markus und Gregor hören, während Vera ihren Mann schwungvoll in die Seite boxte.

„Deine blöden Kommentare kannst du dir sparen! Seit sechs Monaten komme ich das erste Mal wieder unter Leute. Du gehst arbeiten, aber ich bin zu Hause und kümmere mich um unseren Sohn. Ich liebe ihn sehr, aber ich bin froh etwas anderes zu sehen, als dreckige Windeln und Babykotze!“ Diese Bemerkung erntete einheitliches Stöhnen und gequälte Gesichter . Das waren wohl zu viele Informationen für die Männer.

Sie lehnte sich zu ihrer Freundin. „Das hast du doch jetzt extra gesagt, um die Männer zu ärgern.“

Ihre Freundin grinste frech. „Ja natürlich! Sie haben’s ja auch verdient. Zumindest einer von ihnen trägt eine starke Mitschuld an meiner jetzigen Situation!“ Aurora konnte unmöglich ein Kichern unterdrücken und Vera stimmte laut mit ein.

„Na toll, wir leiden und die Frauen amüsieren sich“, stöhnte Markus.

„Selbst schuld, wenn ihr uns unbedingt ärgern müsst!“ Sie grinste ihren Bruder spöttisch an, doch dieser war von irgendwas an ihrem Hals abgelenkt.

„Die Kette habe ich noch nie gesehen. Die scheint ganz schön teuer zu sein!“ Er trat einen Schritt näher, während sie schützend die Hand auf den Stein legte.

Sie konnte ihm unmöglich jetzt die Wahrheit sagen. „Das ist nur billiges Glas. Hab' die Kette letztens in einem Laden gefunden und weil ich sie so hübsch fand, hab ich sie gleich mitgenommen.“

Auch Vera trat jetzt näher heran. „Sieht aber aus wie echt.“

Ihr Bruder brummelte leise etwas vor sich hin, dann schnappte er sich ihre Hand. „Sag mal, was hast du denn hier gemacht?“ Er hielt ihr das verbundene Handgelenk vor die Augen und betrachtete sie prüfend.

„Nichts weiter!“ Sie entriss ihm ihre Hand und zuckte mit den Schultern. „Ich hab mich gestern an Papier geschnitten, direkt über dem Gelenk. Das hat vielleicht geblutet! Deshalb der Verband, damit es nicht gleich wieder aufgeht.“ Sie lächelte ihren Bruder an. „Nichts Schlimmes, ich war nur ungeschickt.“ Er nickte, aber seine zusammengekniffenen Augen zeigten ihr, dass er ihren Worten nicht traute.

Ablenkend schaute sie auf ihre Armbanduhr. „Sagt mal, wann fängt der Film eigentlich an?“

Markus ging darauf ein und grinste eigentümlich. „In zehn Minuten. Wir sollten langsam rein.“

Gregor hielt ihr eine Tüte Popcorn und einen Trinkbecher vor die Nase. „Hier, für dich. Cola und süßes Popcorn. Das magst du doch am liebsten.“

Erstaunt nahm Aurora die Sachen an sich. „Danke“ Sie konnte geradezu spüren, wie ihre Wangen rot wurden, und senkte schnell den Kopf.

„Dann würde ich sagen, dass Gregor neben Aurora sitzt!“ Mit hochgezogener Augenbraue schaute sie zu Markus, der nur grinsend die Schultern zuckte. „Dann kann er was von dem Popcorn essen, das er dir gekauft hat.“

„Nein, das ist nicht nötig, Markus!“ Verschüchtert hob Gregor die Hände. „Ehrlich, ich mag gar kein Popcorn!“

Aurora nickte ihrem Bruder zu. Auch wenn es nur eine seiner Kuppler-Fallen war, es war nur fair. „Vielleicht überlegst du es dir noch, also sitzt du neben mir.“ Sie lächelte ihm zu und Gregor wurde ganz rot im Gesicht.

„Und ich sitz auch neben dir. Dann können wir uns unterhalten.“ Vera hängte sich an ihren Arm und zog sie am Einlass vorbei.

„Na wunderbar, zwei quatschende Frauen neben mir. Wie in alten Zeiten!“ Peter legte kurz seine Hand auf Veras Schulter und drückte sie lächelnd.

„Du kannst dich ja auch woanders hinsetzen“, grinste sie ihren Mann an.

„Also ich setz mich nicht neben das turtelnde Ehepaar!“ Markus schlug seinem Kumpel auf die Schulter. „Gregor, ich sitze neben dir!“

Aurora hatte viel Spaß im Kino und konnte die Realität für zwei Stunden hinter sich lassen. Mit Vera unterhielt sie sich prächtig, während die Männer ihnen zu zischten, genervt von ihren Kommentaren während des Films waren. Sogar Gregor begann sich neben ihr zu entspannen und stimmte in den Chor von Peter und Markus ein, den Vera und Aurora durch weiteres Geflüster übertönten.

Wie gut, dass es so leer im Kinosaal war, sonst wären sie glatt wegen Ruhestörung hinaus gebeten worden.

Vor dem Kino verabschiedeten sie sich voneinander. „Sag mal Schwesterchen, bist du mit dem Auto hier?“

„Natürlich! Um die Zeit bräuchte ich ewig nach Hause. Wieso?“ Nachdenklich schaute sie ihren Bruder an.

„Sonst hätte dich Gregor nach Hause bringen können!“ Sie musste eine scharfe Antwort unterdrücken, schließlich konnte Gregor nichts für ihren nervenden Bruder. „Nein, ich komme alleine zurück. Tschüss, Gregor!“ Sie reichte ihm lächelnd die Hand und wandte sich Vera und Peter zu.

Ihre Freundin umarmte sie fest. „Nimm es Markus nicht übel. Er macht sich nur Sorgen um dich“, flüsterte Vera ihr zu.

„Der soll sich aus meinen Beziehungen raushalten und lieber an die eigene Nase fassen“, grummelte Aurora zurück. Tief blickte sie ihrer Freundin in die Augen. „Wir hören bald voneinander, nicht wahr?“

Diese drückte ihre Hände. „Natürlich! Langsam habe ich die Sache mit dem Baby im Griff und kann mich auch mal auf was anderes konzentrieren.“

Markus begleitete sie schweigend zu ihrem Auto. „Also was ist los?“ Verwirrt schaute sie ihn an, worauf er gereizt mit den Augen rollte. „Jetzt rede schon. Irgendwas stimmt doch nicht!“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, wovon du redest!“

Er zerrte an ihrer Hand und zeigte auf den Verband. „Du könntest mir erklären, woher du das hier wirklich hast. Das mit dem Papier nehme ich dir nicht ab.“ Seine Finger schlossen sich um den roten Anhänger. „Und diese Kette hast du sicher nicht aus irgendeinem Billigladen.“ Er beugte sich vor, um den Stein besser betrachten zu können. „Der kommt mir irgendwie bekannt vor!“

Sie hielt den Atem an. Sollte sie Markus von den Vampiren erzählen, die sie überfallen hatten? Würde er ihr überhaupt glauben oder sie gleich in eine Nervenheilanstalt einweisen lassen?

Normalerweise konnte sie ihrem Bruder alles anvertrauen. Aber wie hätte sie anfangen sollen? Mit zusammengepressten Lippen schüttelte sie den Kopf. „Es ist alles in Ordnung.“

Frustriert schlossen sich seine Hände um ihre Oberarme. Beschwörend sah er sie an. „Bitte Aurora, sag mir, wenn du in Schwierigkeiten steckst!“

Sie verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln. „Wenn es soweit ist, bist du der Erste, der es erfährt. Schließlich bist du ja bald unser Familienanwalt!“

Fast schienen Funken aus seinen Augen zu sprühen, so zornig sah er sie an. „Fein! Dann sag halt nichts!“ Er trat einen Schritt zurück. „Aber ich spüre, dass du mir etwas verschweigst und das es keine Kleinigkeit ist.“ Wütend drehte er sich um und ging davon.

Aurora setzte sich betroffen in ihr Auto. Sie wollte ihren Bruder nur schützen. Mit seinem Jurastudium hatte er genug um die Ohren. Doch war es richtig, diese Entscheidung für ihn zu treffen? Wenn sie ihm alles erklären würde, würde er sie vielleicht verstehen. Entschlossen stieg sie wieder aus dem Auto. Sie sollte Markus reinen Wein einschenken.

In diesem Moment begann der Stein warm zu leuchten. Alarmiert holte sie den Dolch aus der Tasche. Es mussten Vampire in der Nähe sein. Sie hielt den Atem an.

Markus! Hatten sie es auf ihn abgesehen?

Schnell rannte sie in die Querstraße, in die er wütend gestapft war. Sie musste ihn unbedingt warnen. Abrupt hielt sie inne, als sie das Bild vor sich sah.

Schwarz wie dein Herz

Подняться наверх