Читать книгу Schwarz wie dein Herz - Julie Craner - Страница 13

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Ein verwirrender Traum, in dem die drei Romanows eine große Rolle spielten, ließ sie hochfahren. Draußen huschten die bekannten Lichter ihrer Stadt vorbei und erleichtert atmete sie auf.

„Wieder wach?“ Ein schiefes Lächeln hatte sich auf Erics Gesicht geschlichen. „Ich dachte schon, ich muss dich in deine Wohnung tragen, so fest hast du geschlafen.“

Sie rieb mit der Hand über ihr Gesicht. „Ich bin richtig weg gewesen. Normalerweise schlafe ich nicht so plötzlich ein.“ Irritiert hielt sie inne und schaute ihn anklagend an. „Du hattest nicht zufällig etwas damit zu tun?“

„Glaubst du das wirklich?“ Sie konnte sehen, wie es um seine Mundwinkel zuckte.

„Ja, das tue ich. Dabei habe ich dir gesagt, du sollst dich aus meinem Kopf heraushalten!“ Verärgert verschränkte sie die Arme vor der Brust.

„Du warst so verwirrt, dass ich es für das Beste hielt, wenn du erst einmal zur Ruhe kommst.“ Er schaute sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Ich habe dir nur einen kleinen Stoß gegeben und du hast dich nicht wirklich dagegen gewehrt.“

„Beim nächsten Mal lass es sein. Ich mag das nicht.“ Sie blickte aus dem Fenster. Alle Bilder des Abends drangen auf sie ein und sie brauchte einige Zeit, um sie in ihrem Kopf zu ordnen. „Die Romanows haben über einen Krieg gesprochen!“ Zögernd schaute sie zu Eric. „Und du hast dich mit dem König auch über so etwas unterhalten!“ Schweigend sah er sie an. „Versteh mich nicht falsch, ich wollte euch nicht belauschen, aber ihr habt direkt neben mir gesessen.“

Seufzend richtete er seinen Blick wieder auf die Straße. „Du musst wissen, wir leben seit langer Zeit relativ unbemerkt unter den Menschen. Doch einige Vampire glauben, dass unsere Fähigkeiten dazu gedacht sind, uns über die Menschen zu erheben. Es gab in letzter Zeit viele Morde und die blutleeren Leichen wurden einfach liegen gelassen. In der Presse fängt man schon an, von Vampirmorden zu reden.“

„Ich habe von einem ungewöhnlichen Mord gelesen. Aber sind es wirklich so viele?“

Schmunzelnd schaute er sie an. „Du guckst wohl nicht häufig die Nachrichten?“

„Nein.“ Grübelnd rieb sie sich die Stirn. „In letzter Zeit habe ich nicht so viel mitbekommen. Kein Wunder, dass sich mein Bruder Sorgen macht, dass ich vereinsame.“ Wieder sah sie Markus vor sich in dem Krankenhausbett liegen und kniff die Augen zusammen.

„Keine Angst, es wird ihm nichts mehr geschehen.“

„Aber wenn die anderen Vampire wirklich Krieg wollen, wäre das doch der beste Weg, einen anzuzetteln.“

„Sie werden sich an unsere Gesetze halten müssen.“ Kurz schaute er eigentümlich zu ihr. „Du scheinst deinen Bruder sehr zu lieben!“

„Ja, natürlich. Als unser Vater starb, hielten wir zueinander. Und als unsere Mutter vor einigen Jahren mit ihrem neuen Mann aus der Stadt zog, gab es nur noch uns beide. Wir passen aufeinander auf, so wie es sein sollte.“ Neugierig blinzelte sie aus den Augenwinkeln zu ihm. „War das bei deiner Schwester und dir nicht genauso? Es macht den Eindruck, als würdest du sie immer noch sehr gern haben.“ Eine Zeit lang war es still und Aurora hielt den Atem an. War sie zu weit gegangen?

„Geliebte Personen verschwinden nie aus deinem Leben, auch wenn sie sterben. Ein Teil von ihnen bleibt in deiner Erinnerung und lässt dich auf schönere Tage hoffen. Ich habe lange auf Diana aufgepasst. Sie liebte Musik und konnte wundervoll auf der Laute spielen. Dann trafen Vlad und sie in einer schweren Zeit aufeinander und verliebten sich. Doch auch während sie als Königin an seiner Seite regierte, habe ich sie im Auge behalten. Oft habe ich sie besucht und sie hat mir wie in alten Zeiten vorgespielt. Das hat mich immer sehr beruhigt und für einen kurzen Moment waren wir wieder Geschwister und nicht Königin und Ritter.“

Aurora griff erstaunt nach einer langen Haarsträhne und wickelte sich diese fahrig um den Zeigefinger. Hatte sie das gerade richtig verstanden und Eric hatte Ritter gesagt? Wie lange lebte er denn schon? Sie war versucht ihn zu fragen, doch dann sah sie die Sehnsucht auf Erics Gesicht. Lange starrte er nach draußen und schien in eine andere Epoche abzutauchen.

Das Klingeln seines Handys brachte ihn schließlich in die Gegenwart zurück. Er zog es aus der Jacketttasche und blinzelte das Display an. „Hallo, Lorenzo, was gibt’s?“ Als er zischend die Luft einsog, schaute Aurora besorgt auf. „Bist du dir sicher?“ Wieder konnte sie nicht hören, was der andere sagte und versuchte die Antwort in Erics Gesicht zu lesen. „Nein, bleibt, wo ihr seid, und behaltet Vlad im Auge, aber unauffällig. Ich kümmere mich darum. Wenn ihr etwas Neues hört, sagt mir Bescheid.“ Mit gerunzelter Stirn legte er auf.

Aurora rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her. „Was ist los?“

„Francesca und Lorenzo haben eine kleine Gruppe auf der Party belauscht. Sie wollen heute noch in der Innenstadt auf Jagd gehen und ein bisschen Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Ich muss sie aufhalten.“

„Können deine Freunde nicht einfach deinem König sagen, was sie vorhaben und er nimmt die Vampire fest?“

Eric schüttelte mit einem bitteren Lächeln das Gesicht. „So einfach ist das nicht. Wir bräuchten echte Beweise und außerdem suchen wir die Drahtzieher dieser kleinen Revolte.“ Seine Hände griffen fester um das Lenkrad. „Es ist verboten, Menschen ohne Einverständnis anzugreifen, aber in letzter Zeit passiert es immer wieder. Irgendwer will die Gesetze des Königs unterwandern und wir müssen heraus bekommen, wer.“

„Dann komme ich mit.“ Nachdem er heute Abend so offen zu ihr gewesen war, wollte sie ihn nicht alleine ziehen lassen.

„Nein!“ Scharf sah er sie an. „Du hast keine Ahnung, worauf du dich einlässt!“

Trotzig blickte sie zurück. „Vampire, ich weiß. Schließlich habe ich schon gegen sie gekämpft.“

„Du hast sie nur überrascht. Du hattest Glück, dass sie so unerfahren waren. Hier haben wir es mit älteren Vampiren zu tun. Sie werden nicht einfach wegrennen, wenn sie dich mit dem schwarzen Dolch sehen.“

Sie dachte kurz über seine Worte nach. Es war verführerisch, ihn gehen zu lassen und sich einfach mit einem Buch auf ihr Sofa zu kuscheln. Aber vielleicht hatte sie die Chance, bei diesem Einsatz die restlichen zwei Angreifer von Markus zu erledigen. Auch wenn Eric betonte, dass ihrem Bruder und ihr nichts geschehen konnten, traute sie diesen anderen Vampiren nicht. Wenn sie das Gesetz ihres Königs missachteten, wie sicher war dann Erics Schutz wirklich?

„Aber ich muss es lernen. Wenn sie sich auf die Jagd nach Unschuldigen machen, ist es meine Aufgabe, sie zu töten. Wie du gesagt hast, es ist mein Schicksal.“

Er hielt vor ihrem Haus an. „Aber sie werden dich angreifen. Und in einem Kampf werde ich nicht auf dich aufpassen können.“

Sie seufzte, während Eric das Auto einparkte. „Du kannst mich nicht aufhalten. Ich würde mich gern noch umziehen. Aber wenn es nötig ist, werde ich hier im Auto auf dich warten und mich nicht von der Stelle rühren.“

Gequält schaute er sie an. „Ich will nur, dass du sicher bist.“

Schnaubend schüttelte sie den Kopf. „Ich werde solange nicht sicher sein, wie Vampire Jagd auf Menschen machen und die Macht an sich reißen wollen. Und das weißt du genau.“

Er fuhr sich durch die Haare und schwieg lange Zeit. „Also gut, zieh dich um und komm dann zu mir rüber. Aber beeil dich.“

Sie rannte vor ihm die Treppe hoch und schloss ihre Wohnungstür auf. „Ich bin gleich bei dir!“

Schnell pellte sie sich aus ihrem Kleid und zog sich ihre dunkelblauen Jeans über. Dann griff sie nach einem schwarzen Shirt und zog sich ihre Lederjacke an. Die dunklen Farben könnten zu dieser Tageszeit eine gute Tarnung sein. Ihre langen Haare knotete sie im Nacken zusammen. Im Spiegel sah sie, dass sie immer noch das Samthalsband trug. Einen Moment nestelte sie am Verschluss, dann konnte sie es abnehmen. Eilig hängte sie sich das Amulett ihrer Großmutter um. Sie schnappte sich ihren Ausweis, ihre Schlüssel und den schwarzen Dolch und versteckte alles in der Innentasche ihre Jacke. Dann schlüpfte sie in ihre schwarzen Turnschuhe und klingelte schon an Erics Tür als ihre gerade hinter ihr ins Schloss fiel.

Er öffnete sofort. „Du bist ja schon da. Ich dachte immer, Frauen brauchen ewig zum Umziehen. Komm rein.“ Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und musterte ihn kurz. Er hatte sich einen schwarzen Rollkragenpullover und eine schwarze Lederhose angezogen. In dieser sah sein Hintern besonders knackig aus. Aurora versuchte den Gedanken sofort zu verdrängen und schaute ablenkend auf seinen Rücken. Unter dem Pullover konnte man seine kräftigen Rückenmuskeln gut erkennen und sofort fing ihr Herz schneller an zu schlagen. Verdammt, das war nicht besser. Er war einfach zu anziehend. Nicht nur sein gutes Aussehen und seine durchtrainierte Statur waren dafür verantwortlich, sondern auch die Art, wie er sich sofort um sie gekümmert hatte, als sie um seine Hilfe bat. Und wie offen er über seine Schwester mit ihr geredet hatte. Ganz kurz hatte er ihr erlaubt, seine verletzliche Seite zu sehen.

„Ich habe hier etwas für dich.“ Eric drückte etwas Metallenes in ihre Hand.

Mehrmals blinzelte sie und versuchte sich zu fangen, während das befremdliche Ding ihre Haut kühlte. „Eine Waffe? Du gibst mir eine Pistole? Aber ich dachte, Kugeln können euch nichts anhaben?“

„Eine Glock 18, Vollautomatik, um genau zu sein!“ Schmunzelnd schaute er auf sie hinab. „Kugeln können uns sehr wohl verwunden, aber diese hier ist besonders.“ Er hielt eine kleine Patrone hoch, die am Ende aus Glas bestand. „Ich habe die Ladung ein wenig modifiziert. Sie enthält Silbernitrat. Dadurch werden Vampire für einen kurzen Moment bewegungslos.“ Er legte seine Hand über ihre und schloss ihre Finger um die Waffe. „Wenn ein Vampir auf dich zukommt, schießt du damit auf ihn und tötest ihn dann mit deinem Dolch. Entweder du triffst sein Herz oder du schneidest ihm den Kopf ab. Hast du den Dolch dabei?“

Nickend holte sie ihn aus der Jacke und hielt ihn Eric hin. „Am besten du triffst ihn ins Herz, die Klinge ist ein wenig zu kurz, um mit einem Schnitt einen Kopf vom Körper zu trennen. Dass du ihn in der Jackentasche trägst, ist keine gute Idee. Warte hier!“ Er ging aus dem Raum und ließ sie mit den beiden Waffen in der Hand stehen.

Vorsichtig hielt sie die Pistole vor sich und versuchte auf einen Punkt an der Wand zu zielen. Sie hielt den Finger über dem Abzug. Früher hatte sie sich oft mit ihrem Bruder Wasserschlachten mit kleinen Plastik-Wasserpistolen geliefert, aber das hier war etwas völlig anderes. Sie konnte fühlen, wie sich das harte Metall in ihrer Hand langsam erwärmte. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn sie wirklich damit schoss? Würde der Rückstoß sie von den Beinen reißen?

„Sieht gar nicht so schlecht aus.“ Ertappt drehte sie sich zu Eric um, der sich lautlos in sein Wohnzimmer zurückgeschlichen hatte. „Warte, ich zeige es dir!“ Er trat dicht an sie heran und nahm ihr den Dolch aus der Hand. Vorsichtig legte er ihn auf dem Wohnzimmertisch ab, dann trat er hinter sie. Sie konnte spüren, wie seine harte Brust sich gegen ihre Schultern lehnte. Seine Arme umfingen sie. „Deine linke Hand muss deine rechte stützen.“ Sanft hob er ihren linken Arm an und legte ihre Hand unter die andere. „Siehst du.“, flüsterte er ihr leise ins Ohr und jagte damit einen Schauer über ihren Rücken. „Drück deine Ellenbogen nicht ganz durch, sonst reißt dich der Rückstoß von den Füßen. Sobald du abgedrückt hast, ziehst du die Waffe ein Stück nach oben, dann merkst du ihn kaum.“ Er ließ ihre Hände nach oben schnellen und zog sie näher. „Ungefähr so.“ Aurora nickte zaghaft und versuchte nur auf Erics Worte zu achten, aber seine unmittelbare Nähe brachte ihr Blut zum Kochen. „Beim nächsten Mal solltest du dir eine Lederhose anziehen“, raunte er ihr ins Ohr.

Schnell trat sie aus seiner Umarmung und drehte sich nach ein paar Schritten um. „Was? Ich glaube nicht, dass mir so was steht.“

Mit einem kleinen Grinsen musterte er sie von oben bis unten und trieb ihr damit die Röte ins Gesicht. „Ich glaube, da irrst du dich. Aber vor allem schützt Leder dich besser vor Stichwaffen und Bissen, weil es mehr abhält.“

Peinlich berührt bückte sie sich nach ihrem Dolch, um ihr Gesicht zu verstecken. „Oh, verstehe.“ Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie geglaubt, aus Erics Richtung ein Kichern gehört zu haben, aber als sie aufsah, schaute er ernst auf sie herunter.

„Hier, damit du deine Waffen besser unterbringen kannst.“ Er reichte ihr einen Ledergürtel mit einem Pistolenhalfter auf der einen und einer Scheide für den Dolch auf der anderen Seite.

Neugierig schaute sie auf den schwarzen Gürtel. „Danke, aber das ist doch nicht nötig.“

Eric stellte sich ihr so nah gegenüber, dass kaum ein Papier zwischen sie passte. Während er ihre Augen mit seinem schrägen Lächeln gefangen hielt, band er ihr das Geschenk um. „Und ob. So kommst du schneller an deine Waffen und kannst sie besser wegstecken. Wie gesagt, ich werde keine Zeit haben, auf dich aufzupassen. Darum muss ich dafür sorgen, dass du gute Überlebenschancen hast, obwohl dir ganz eindeutig das Training fehlt.“ Sie nickte und versuchte gegen die Hitze in ihrem Gesicht anzukämpfen. Aber sie musste ihm Recht geben. Am Gürtel waren die Waffen besser aufgehoben als in ihrer Jackentasche.

„Wir sollten jetzt gehen, die Vampire werden bald zuschlagen.“

Nervosität begann sich in ihr breitzumachen, während sie langsam durch die Straßen der Stadt fuhren. „Wie willst du sie finden?“

„Es ist eine Art innerer Peilsender. Dein Amulett zeigt doch auch an, wenn Vampire in der Nähe sind.“

Vorsichtig griff sie nach dem warm schimmernden Stein. „Ja, aber ich glaube nicht, dass ich damit gezielt Vampire orten kann.“

Er zuckte mit den Schultern. „Das kommt vielleicht noch. Es ist mein Blut, das mir die Macht verleiht und genauso verhält es sich mit deinem Amulett.“

Grübelnd schaute sie auf den Stein. „Wie meinst du das?“

„Es ist das Vampirblut im Stein, das so warm wird. Das Leuchten kommt durch irgendeinen Zauber, den sich die Hexen ausgedacht haben.“

Erstarrt ließ sie das Amulett auf ihre Brust sinken. „Wie? Blut? Zauber? Hexen?“

Er schaute sie kurz aus den Augenwinkeln an. „Du weißt nicht, was es ist? Ich hätte es mir denken können.“ Er rieb sich kurz die Nasenwurzel. „In diesen Dingen bist du wirklich gefährlich unerfahren. Deine Familie hätte dich besser auf deine Aufgabe vorbereiten sollen.“

Langsam sog sie die Luft ein und versuchte Ruhe zu bewahren. Bis vor einigen Tagen hatte sie noch nicht gewusst, was ihr großes Familiengeheimnis war. „Das war nicht möglich. Also erklärst du mir nun, wovon genau du da redest?“ Aurora versuchte, nicht allzu frustriert zu klingen.

„Was du da um den Hals trägst, ist ein sehr altes Stück. Es besteht aus einem geschliffenen Diamanten, der ausgehöhlt wurde und mit Vampirblut gefüllt ist. Diese Art von Anhängern können nur von mächtigen Hexen hergestellt werden. Damit hat sich deine Art früher vor Angriffen geschützt. Ein ausgebildeter Jäger konnte so auf eine Entfernung von fünfhundert Metern einen Vampir ausmachen.“

Sie sah auf den Stein herab. Ein halber Kilometer, das war beeindruckend. Wenn sie nur wüsste, wie sie die Kette besser benutzen könnte, aber keiner aus diesem Zweig ihrer Familie lebte mehr, soweit sie wusste. Vielleicht konnte Bruder Michael ihr mehr verraten.

„Irgendwo hier muss es sein. Ich kann sie spüren!“ Aus ihren Gedanken gerissen sah sie zu Eric, der seinen Wagen am Straßenrand parkte. Während sie ausstieg, behielt sie ihn im Auge. Er deutete auf eine dunkle Seitenstraße. „In die Richtung, doch ich glaube wir kommen zu spät. Ich rieche Blut.“ Aus dem Kofferraum holte er einen langen Gegenstand, den er sich schnell auf den Rücken band. Bei näherem Hinsehen konnte sie es als Schwertscheide identifizieren. Eine weitere Waffe neben dem Gürtel voller Messer und Pistolen, der locker auf seinen Hüften ruhte.

„Verdammt!“ Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Auf ihr Gesicht fielen ein paar Tropfen. Regen! Das hatte ihr gerade noch gefehlt.

„Wenn du lieber hierbleiben willst, ist das völlig okay. Du kannst im Auto warten, bis ich die Sache geregelt habe!“ Erwartungsvoll sah er sie an und hielt ihr die Autotür auf.

Aurora schüttelte den Kopf. „Nein, ich will mit!“

Er warf die Tür ins Schloss und musterte sie kurz, als dachte er, dass sie es sich anders überlegen würde. Seufzend verriegelte er das Auto. „Wie du willst. Bleib hinter mir und halte deine Waffen griffbereit.“

Sie folgte ihm in die dürftig beleuchtete Straße. Nach ein paar Schritten hörte sie leises Zischen und Stöhnen. Angestrengt sah sie in die Dunkelheit und versuchte in den Schatten vor sich etwas auszumachen. Doch es war nichts zu entdecken. Sie konzentrierte sich so stark auf das Geschehen weiter vorne, dass sie nicht mitbekam, wie Eric anhielt. Ungebremst lief sie gegen seinen starken Rücken. Leise fluchend hielt sie sich die schmerzende Nase, während seine blitzenden Augen auf sie heruntersahen.

„Die anderen sind hundert Meter vor uns in einer Seitengasse. Mit etwas Glück sind sie mit ihren Opfern so abgelenkt, dass sie uns nicht bemerken“, flüsterte er, nachdem sie sich beruhigt hatte. „Ich möchte, dass du die Waffe in die Hand nimmst und auf den ersten Vampir schießt, den du siehst, wenn wir um die Ecke sind. Dann nimmst du sofort dein Messer und stichst ihm ins Herz. Verstanden?“ Sie nickte ihm zu. „Pass auf, dass du möglichst eine Wand im Rücken hast und versuche dich nicht ablenken zu lassen. Okay?“ Er legte seine Hand auf ihre Schulter und blickte ihr durchdringend in die Augen. Der Regen war stärker geworden und einige Wasserperlen tropften an losen Haarsträhnen herunter. Kurz war sie versucht, ihm die nassen Haare aus dem Gesicht zu streichen, als ungewöhnliche Laute von ihrem Ziel zu hören waren.

„Ja, ich habe verstanden.“, flüsterte sie zurück.

„Am liebsten hätte ich dich in deiner Wohnung gelassen.“

„Das war meine Entscheidung.“

„Nimm die Waffe.“ Er wartete, bis sie die Pistole in der Hand hatte, und ging dann langsam vorwärts. Die Geräusche vor ihnen wurden immer lauter. Aurora hörte gedämpfte Schreie, als würde man jemandem ein Kissen über den Mund halten. Zusätzlich vernahm sie ungewöhnliche Schmatzlaute wie beim Schlürfen einer Nudelsuppe. Ihre inneren Alarmglocken schrillten. Hoffentlich kamen sie noch rechtzeitig, um den Menschen zu helfen.

Für einen kurzen Moment zögerte Aurora. Sie war nur ein Mensch, wie sollte sie gegen Vampire kämpfen? Diese kleinen Hintergassen wurden nur von vereinzelten Lampen der Notausgänge beleuchtet. Nicht einmal Grafittis waren an die dunklen Wände geschmiert, so versteckt lagen diese Hinterhöfe. Der Geruch von Urin und dem Abfall der Müllcontainer tart dafür umso stechender in ihre Nase. Eric tastete nach ihrer Hand und drückte kurz ihr Handgelenk, da sie bereits die Pistole in der Hand hatte. Sie spürte , wie Adrenalin sie durchflutete, als sie nur einen Schritt vom Geschehen entfernt waren. Dann sprang Eric um die Ecke und riss sie mit.

Das Erste, was sie wahrnahm, war ein Zischen vor sich und mehrere rotglühende Augen, die sich auf sie richteten.

„Schieß!“, zischte Eric ihr zu und war von ihrer Seite verschwunden.

Aurora richtete die Waffe auf den nächsten Vampir vor sich und drückte ab. Taumelnd vom Rückstoß stützte sie sich an der Mauer ab. Im dämmrigen Licht der wenigen Lampen an den Wänden konnte sie sehen, wie der Vampir sie erstaunt ansah und dann in Zeitlupe den Kopf neigte, um auf die Wunde in seinem Bauch zu schauen. Ein Knurren drang aus seiner Kehle und langsam fast zombieartig ging er in ihre Richtung. Schnell zog sie ihren Dolch und rannte auf ihn zu. Wild stach sie auf seine Brust ein, während er die Hand langsam zu ihrem Arm hob. Als sie sein Herz endlich getroffen hatte, konnte sie für einen Augenblick die Bestürzung in seinen Augen sehen, während ein Blutstropfen an seinem Mundwinkel herab lief. Im nächsten Moment war er zu Asche zerfallen. Doch das Blut seiner Stichwunden Blut klebte immer noch an ihrer Hand. Schockiert starrte sie ihre rot beschmierte Hand an, als ein schmerzvolles Stöhnen sie in die Gasse zurückholte.

Es war der junge Mann, über dem einige der Vampire bei ihrer Ankunft gekniet hatten. Mit ängstlichen Augen sah er zu ihr hoch, während sein Blut in Bächen aus einer Halswunde auf den schwarzen Asphalt lief. Zittrig beugte sich Aurora zu ihm herunter, in der Hoffnung etwas für ihn tun zu können. Doch wie sollte sie ihm helfen? Mit einem Druckverband würde sie ihn erdrosseln. Sie lächelte ihn aufmunternd an, während sie versuchte mit ihrer Hand die Wunde leicht abzudrücken und nach dem Handy in ihrer Jackentasche griff.

„Es wird alles gut!“ Sie wusste nicht, ob diese Worte ihm oder ihr selbst galten, doch ein schwaches Lächeln antwortete ihr. Er musste dringend in ein Krankenhaus, sonst würde er nicht mehr lange leben.

Eine kalte Hand zog sie mit klauenartigem Griff am Nacken hoch und warf sie gegen die nächste Wand. Während sie zu Boden rutschte, nahm der Schmerz des Aufpralls ihr die Sinne. Nur das Pochen ihres Kopfes, der genau wie ihr Rücken gegen die Steinwand geschlagen war, hielt sie noch einigermaßen bei Besinnung. Verschwommen sehen, wie sich eine dunkel gekleidete Gestalt über den Jungen beugte. Sekunden danach übermannte sie der stechende Schmerz des Aufpralls, der sich besonders intensiv durch ihre linke Schulter zog. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen, ihr überreizter Körper wollte sich ihren Verletzungen ergeben. Kurz überlegte sie, sich in die einladende Bewusstlosigkeit zu stürzen. Dann kämpfte sie verzweifelt dagegen an. Wenn sie jetzt nachgab, wäre sie tot. Um den Nebel zu vertreiben, schüttelte sie langsam den Kopf, presste ihre Hände auf den nassen Asphalt und richtete sich langsam auf. Die zierliche Gestalt, die über dem jungen Mann gekauert hatte, ließ ihr Opfer zu Boden gleiten. Aurora starrte traurig auf den Mann, der mit dem Gesicht voran auf der Straße lag. Keine Bewegung ging durch seine Glieder. Spannungslos lag er vor ihr. Jetzt war es wahrscheinlich zu spät noch den Krankenwagen zu rufen. Eine kalte Hand legte sich um ihren Hals und drückte sie hart gegen die Wand. Verzweifelt schnappte sie nach Luft und klammerte sich an den schmalen Arm. Schockiert schaute sie der zierlichen Frau ins Gesicht, die sie mit solcher Leichtigkeit hochgehoben hatte. Der Griff um ihren Hals verstärkte sich, als sie mit ihren Händen am Arm der Vampirin zerrte. Scheinbar geschlagen ließ sie ihre Arme sinken.

Ein gefährliches Lächeln strahlte ihr aus einem schneeweißen Gesicht mit rot funkelnden Augen entgegen, während die Frau ihre langen Zähne aufblitzen ließ. Panisch griff Aurora mit der linken Hand nach der Pistole und schoss. In der Bewegung erstarrt, konnte die Frau vor ihr nur blinzeln. Aurora hatte gehofft, der Würgegriff an ihrem Hals würde sich lockern. Doch noch immer drückte er auf ihre Kehle, stahl ihr den Sauerstoff. Zittrig hob sie den Dolch und versuchte auf den Brustkorb einzustechen. Schwankend lehnte die Frau sie an die Wand und kam mit ihrem weit aufgerissenen Mund jetzt wieder langsam näher.

Ihre Gegnerin war ihr zu nah, um das Herz zu treffen. Mit zusammengekniffenen Lippen hob Aurora den Dolch weiter an und schnitt der Vampirin die Kehle durch. Blut kam im großen Schwall aus der Wunde. Sie hatte gehofft, der Haltegriff würde sich lockern, doch stattdessen krallte sich die Vampirin stärker in ihren Hals. Wollte ihr wohl das letzte bisschen Luft abdrücken. Gurgelnd und zischend kam die Frau ihr gefährlich nahe. Aurora unterdrückte ihr Würgen und stieß mit dem Dolch in die Wunde. Nach einem langen verzweifelten Schnitt hatte sie endlich den Kopf von der Wirbelsäule getrennt und ihre Feindin zerfiel zu Asche.

Aurora rutschte zitternd auf Hände und Knie und übergab sich. Keuchend atmete sie ein, versuchte das Brennen in ihrem Hals und das Protestieren ihrer angeschlagenen Rippen zu ignorieren. Bewegungslos lag der Körper des jungen Mannes nur einige Meter von ihr entfernt. Sein Kopf war in ihre Richtung gedreht und leblose Augen starrten sie an. Schluchzend senkte sie den Kopf. Dieser Anblick würde sie wohl für immer heimsuchen.

Die Kampfgeräusche vor ihr ließen sie schließlich aufsehen. Es war noch nicht vorbei. Langsam stützte sie sich an der Wand ab und stand auf.

Vor sich sah sie Eric mit zwei großen kräftigen Männern kämpfen. Er blutete aus mehreren Wunden und musste immer wieder Schnitte von seinen beiden Angreifern einstecken, aber er teilte ebenso hartnäckig aus. Bald hatte er mit einem sauberen Hieb seines Schwerts einen seiner Gegner geköpft. Während der Körper noch zu Boden fiel, löste sich die Gestalt in Asche auf. Zischend stürzte sich der andere Vampir mit doppelter Wut auf ihn.

„Aurora, pass auf!“, schrie Eric ihr zu und sah warnend in ihre Richtung. In diesem Moment geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Eric drehte sich in ihre Richtung und versuchte zu ihr zu rennen. Währenddessen nutzte sein Gegner seine Unaufmerksamkeit und rammte ihm ein Messer in den Bauch. Durch die Vorwärtsbewegung trieb Eric sich die Waffe noch weiter in den Körper.

Während sie gebannt auf Eric schaute, wurde Aurora von einem Schatten angesprungen. Plötzlich fand sie sich mit dem Rücken auf dem Boden wieder. Aus den Augenwinkeln sah sie wie Eric den Kopf seines Angreifers zwischen die Hände nahm und ihm ihm mit lautem Knacken das Genick brach.

Über sich fühlte Aurora den kalten Atem eines Vampirs. Zwei hasserfüllte Augen blickten sie starr an. „Jetzt stirbst du, Jägerin!“ Doch sie hatte bereits nach ihrem Dolch gegriffen, als ihr Angreifer den Mund aufriss und seine spitzen Reißzähne präsentierte. Mit einem festen Stoß durchbrach sie seine Haut, ohne an den Rippen abzuprallen, und traf auf Anhieb sein Herz. Der Vampir zerfiel er über ihr zu Asche.

Stöhnend blieb sie liegen und schloss kurz die Augen. Der sanfte Regen wusch die schwarzen Überreste des Feindes von ihrem Gesicht.

Schwarz wie dein Herz

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