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Buch 20

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1 (1) Nachdem Dionysios29 die Karthager aus Sizilien vertrieben und sich der Herrschaft über die ganze Insel bemächtigt hatte, war er der Meinung, dass Müßiggang seiner Herrschaft schade und es gefährlich sei, wenn ein so großes Heer untätig bleibe. Deshalb setzte er seine Truppen nach Italien über, (2) um die Kräfte seiner Soldaten durch ständige Anstrengung zu stählen und zugleich die Grenzen seines Königreiches auszuweiten. (3) Sein erster Feldzug richtete sich gegen diejenigen Griechen, welche die am nächsten gelegenen Küsten des italischen Meeres bewohnten.30 (4) Er besiegte sie, griff dann jeweils ihre Grenznachbarn an und bestimmte all die zu seinen Feinden, die griechischer Abstammung waren und Italien besiedelten. (5) Diese Völker hatten Italien in jener Zeit nicht nur teilweise, sondern nahezu in seiner Gesamtheit in Besitz genommen. (6) Schließlich zeigen auch heute noch, nach so langer Zeit, viele Städte Spuren griechischer Kultur. (7) Denn die tuskischen Völker31, welche die Küste des Tyrrhenischen Meeres besiedeln, kamen aus Lydien (8) und die Veneter32, die wir heute als Anwohner des Adriatischen Meeres sehen, sandte Troia nach seiner Einnahme und Eroberung unter der Führung des Antenor33. (9) Auch Adria34, das dem Illyrischen Meer eng benachbart ist und dem Adriatischen Meer seinen Namen gab, ist eine griechische Stadt. (10) Arpi wurde von Diomedes35 gegründet, der nach der Zerstörung von Ilion durch einen Schiffbruch in diese Gegend verschlagen wurde. (11) Aber auch Pisa36 in Ligurien geht auf griechische Gründer zurück. Tarquinii37 bei den Tuskern und Spina38 in Umbrien leiten ihren Ursprung von den Thessaliern her, die Perusiner39 wiederum von den Achaiern40. (12) Wozu soll ich die Stadt Caere41 erwähnen und die latinischen Völker, die – wie es scheint – von Aeneas42 begründet worden sind? (13) Und sind denn nicht die Falisker, die Nolaner und die Abellaner allesamt Siedler aus Chalkis?43 (14) Was ist mit der Gegend von ganz Kampanien44, den Bruttiern45 und den Sabinern46 sowie den Samniten47? (15) Was mit den Tarentinern48, die – wie wir erfahren haben – aus Sparta kamen und Bastarde genannt wurden? (16) Die Stadt der Thuriner49 soll von Philoktet gegründet worden sein, und bis heute kann man dort sein Grabmal besichtigen sowie im Tempel des Apollon die Pfeile des Herakles, die Troja zum Verhängnis wurden.

|33|(2,1) Die Metapontiner50 wiederum stellen im Tempel der Minerva die eisernen Werkzeuge aus, mit denen ihr Ahnherr Epeios51 das trojanische Pferd gezimmert hat. (2) Daher wurde dieser ganze Teil von Italien maior Graecia genannt.52

(3) Doch zu Beginn dieser Städtegründungen beschlossen die Metapontiner zusammen mit den Sybaritanern53 und den Krotoniaten54, die übrigen Griechen aus Italien zu vertreiben. (4) So nahmen sie zuerst die Stadt Siris55 ein und metzelten bei der Erstürmung mitten im Altarbezirk 50 junge Männer nieder, die sich an das Standbild der Minerva klammerten, und auch den Priester der Göttin, der seine priesterlichen Rangabzeichen trug. (5) Als sie deshalb unter einer Seuche und innenpolitischen Unruhen zu leiden hatten, wandten sich zuerst die Krotoniaten an das Orakel von Delphi. (6) Sie erhielten die Antwort, das Unheil werde dann enden, wenn sie Minerva, deren göttliche Hoheit sie entweiht hätten, und die Totengeister der Ermordeten versöhnt hätten. (7) Nachdem die Krotoniaten nun damit begonnen hatten, Standbilder von beträchtlicher Größe für die jungen Männer und insbesondere für Minerva anzufertigen, vernahmen auch die Metapontiner den Orakelspruch der Götter. Und da sie glaubten, sie müssten sich die Gnade der Totengeister und der Göttin als Erste sichern, stellten sie für die jungen Männer steinerne Standbilder von mäßiger Größe auf und besänftigten die Göttin mit Opferkuchen. (8) Auf diese Weise wurde die Seuche bei beiden Völkern eingedämmt, weil sie miteinander gewetteifert hatten – die einen durch Pracht und die anderen durch Schnelligkeit. (9) Nachdem die Krotoniaten ihre Gesundheit wiedergewonnen hatten, hielten sie nicht lange Frieden. (10) Denn sie ärgerten sich darüber, dass die Lokrer den Einwohnern von Siris während der Belagerung Hilfe gegen sie geschickt hatten, und begannen deshalb einen Krieg gegen sie. (11) Verängstigt und erschrocken wandten sich die Lokrer an die Spartaner und baten demütig um Hilfe. (12) Weil den Spartanern ein Feldzug in der Ferne zu beschwerlich war, forderten sie die Lokrer auf, Castor und Pollux56 um Hilfe zu bitten. (13) Und die Gesandten missachteten diese Antwort ihrer Bündnisstadt nicht: Sie gingen in den nächstgelegenen Tempel, brachten ein Opfer dar und flehten die Götter um Hilfe an. (14) Als das Opfer günstig verlief und sie ihre Bitte damit erfüllt glaubten, waren sie so frohgemut, als ob sie die Götter selbst mit nach Hause nähmen. Sie richteten ihnen auf dem Schiff Götterpolster, segelten unter Glück verheißenden Vorzeichen ab und brachten ihren Landsleuten Trost statt Hilfstruppen.

3 (1) Als die Krotoniaten davon erfuhren, schickten auch sie selbst Gesandte zum Orakel nach Delphi und baten um die Gelegenheit zum Sieg und um einen erfolgreichen Ausgang des Krieges. (2) Die Antwort lautete, sie müssten ihre Feinde eher mit Gelübden als mit Waffengewalt besiegen. (3) Nachdem sie nun gelobt hatten, Apollon ein Zehntel der Kriegsbeute zu weihen, erfuhren die Lokrer von dem Gelübde ihrer Feinde wie auch von der Antwort des Gottes und versprachen Apollon daraufhin den neunten Teil der Beute; und |35|dieses Versprechen hielten sie geheim, damit man sie nicht durch weitere Gelübde überbieten konnte. (4) Als sie nun in die Schlacht zogen und aufseiten der Krotoniaten 120.000 Bewaffnete in Stellung gingen, sahen die Lokrer ihre eigene geringe Anzahl – sie hatten nämlich nur 15.000 Mann –, und da verloren sie jede Hoffnung auf den Sieg und vereinbarten, gemeinsam in den sicheren Tod zu gehen. (5) Doch die Verzweiflung entflammte in jedem Einzelnen solchen Mut, dass er sich schon für den Sieger hielt, wenn er nur nicht ungerächt sterben müsse. (6) Und während sie nun ehrenhaft zu sterben suchten, errangen sie glücklich den Sieg, und nichts anderes war der Grund für diesen Sieg als eben ihre Verzweiflung. (7) Als die Lokrer kämpften, kreiste ein Adler ständig über ihrer Schlachtreihe und flog so lange um sie herum, bis sie siegten. (8) An den Heeresflügeln wiederum sah man zwei junge Männer kämpfen: Sie hatten eine andere Bewaffnung als die Übrigen und waren außerordentlich groß, saßen auf weißen Pferden und trugen scharlachrote Mäntel. Und sie waren nur so lange sichtbar, wie der Kampf dauerte. (9) Die Verwunderung über diese Erscheinung vermehrte sich noch dadurch, dass sich die Kunde von dem Kampf mit unglaublicher Geschwindigkeit verbreitete. Denn an demselben Tag, an dem man in Italien kämpfte, wurde in Korinth, in Athen und in Sparta der Sieg verkündet.

4 (1) Danach trainierten die Krotoniaten ihre Kräfte nicht länger und kümmerten sich auch nicht mehr um das Waffenhandwerk. (2) Denn sie verabscheuten das, was sie so unglücklich unternommen hatten, und hätten ihre bisherigen Gewohnheiten zugunsten eines zügellosen Lebens aufgegeben, wenn nicht der Philosoph Pythagoras57 gewesen wäre. (3) Er war auf Samos als Sohn des begüterten Kaufmanns Marathos58 geboren worden und hatte sich immer umfassendere philosophische Kenntnisse angeeignet. Dann war er zuerst nach Ägypten und bald darauf auch nach Babylonien gereist, um den Lauf der Gestirne genau zu erkunden und den Ursprung der Welt zu erforschen, und hatte auf diese Weise größtes Wissen erworben. (4) Nach seiner Rückkehr war er nach Kreta und Sparta gegangen, um die zu dieser Zeit berühmten Gesetze des Minos59 und des Lykurgos60 kennenzulernen. (5) Auf all diesen Gebieten bewandert, kam er nach Kroton und veranlasste das Volk, das in den Luxus abgeglitten war, durch seine Autorität wieder zu einem genügsamen Lebenswandel. (6) Er pries täglich die Tugend, zählte die mit dem Luxus einhergehenden Laster auf und berichtete über den Niedergang derjenigen Gemeinden, die durch dieses Übel zugrunde gegangen waren. (7) Und dadurch weckte er bei der Menge ein solches Streben nach Sparsamkeit, dass man gar nicht glauben konnte, dass manche von diesen Leuten jemals verschwenderisch gewesen seien. (8) Häufig unterwies er auch die verheirateten Frauen getrennt von ihren Männern und die Kinder getrennt von ihren Eltern. (9) Bald lehrte er die Frauen die Keuschheit und den Gehorsam gegenüber ihren Männern, bald die Kinder die Mäßigung |37|und das Bemühen um Bildung. (10) Dabei schärfte er allen ein, die Genügsamkeit sei gleichsam die Mutter aller Tugenden. (11) Und schließlich erreichte er durch seine ständigen Vorträge, dass die verheirateten Frauen ihre golddurchwirkten Gewänder und die anderen Insignien ihres Standes als überflüssige Luxusgegenstände ablegten. All das trugen sie zum Tempel der Juno und weihten es der Göttin selbst (12) und zeigten damit deutlich, dass der wahre Schmuck der verheirateten Frauen ihre Keuschheit und nicht ihre Kleidung sei. (13) Wie viel Pythagoras auch bei der Jugend erreichte, wird daran sichtbar, dass er sogar die Halsstarrigkeit der Frauen bezwingen konnte. (14) Doch dann schlossen sich 300 junge Männer durch einen Eid zu einer Art Gemeinschaft zusammen und lebten abgesondert von den anderen Bürgern, als ob sie heimlich verschwörerische Versammlungen abhielten. Dadurch brachten sie die Gemeinde gegen sich auf, (15) und als sie sich in einem Haus versammelten, wollte die Bürgerschaft sie verbrennen. (16) In diesen Wirren kamen etwa 60 Männer ums Leben, die Übrigen gingen in die Verbannung. (17) Pythagoras aber verbrachte 20 Jahre in Kroton; dann wanderte er nach Metapont aus und starb dort. (18) Man zollte ihm solche Bewunderung, dass man sein Haus zu einem Tempel machte und ihn selbst als Gott verehrte.

5 (1) Der Tyrann Dionysios hatte – wie oben erwähnt – sein Heer von Sizilien nach Italien übergesetzt und einen Krieg gegen die Griechen begonnen. Nach der Eroberung von Lokroi griff er die Krotoniaten an, die in der langen Friedenszeit nach der Niederlage im vorherigen Krieg ihre Kräfte gerade erst wiedergewonnen hatten. (2) Doch nun widersetzten sie sich mit wenigen Mann dem großen Heer des Dionysios weitaus tapferer, als sie sich zuvor mit so vielen Tausenden der geringen Zahl der Lokrer widersetzt hatten. (3) Solche Tapferkeit kann Armut gegenüber maßlosem Reichtum aufbringen; und manchmal ist ein unerwarteter Sieg viel gewisser als ein erwarteter. (4) Als Dionysios jedoch gerade im Krieg stand, kamen Gesandte der Gallier, die vor einigen Monaten Rom in Brand gesteckt hatten, zu ihm und baten um ein Freundschaftsbündnis. (5) Sie versicherten ihm, dass sich ihr eigenes Volk mitten unter seinen Feinden befinde und ihm von großem Nutzen sein könne, entweder dann, wenn er in offener Schlacht kämpfe, oder aber im Rücken, wenn die Aufmerksamkeit der Feinde dem Kampf gelte. (6) Die Gesandtschaft war Dionysios willkommen. Daher schloss er ein Bündnis und begann, durch die gallischen Hilfstruppen gestärkt, gleichsam von Neuem einen Krieg. (7) Dass diese Gallier nach Italien kamen und dort neue Wohnsitze suchten, war auf den innenpolitischen Streit und die andauernden Spannungen in ihrer Heimat zurückzuführen. (8) Weil sie dessen überdrüssig waren, kamen sie nach Italien, vertrieben die Tusker aus ihren Siedlungsplätzen und gründeten Mediolanum, Comum, Brixia, Verona, Bergomum, Trient und Vincentia.61 (9) Die Tusker wiederum nahmen nach dem Verlust ihrer angestammten Wohnsitze unter ihrem Anführer Raetus die Alpen |39|in Beschlag und begründeten den Stamm der Raeter62, benannt nach ihrem Anführer. (10) Dionysios wurde durch die Ankunft der Karthager nach Sizilien zurückgerufen, denn sie hatten ihr Heer ergänzt und nahmen den Krieg, den sie zuvor aufgegeben hatten, mit verstärkten Kräften wieder auf. (11) Der Feldherr in diesem Krieg war der Karthager Hanno63. (12) Sein Feind Suniatos, zu dieser Zeit der mächtigste Punier, hatte aus Hass auf Hanno den Dionysios durch einen Brief, der auf Griechisch verfasst war, schon vorher von der Ankunft des Heeres und der Trägheit des Feldherrn vertraulich in Kenntnis gesetzt. Doch der Brief wurde abgefangen und Suniatos wegen dieses Verrats verurteilt. (13) Und der Rat erließ den Beschluss, dass künftig kein Karthager mehr die griechische Schrift oder Sprache erlernen sollte, damit er nicht ohne Dolmetscher mit dem Feind sprechen oder ihm schreiben könne. (14) Und nicht viel später wurde Dionysios, den kurz zuvor weder Sizilien noch Italien hatten fassen können, in ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen besiegt und gebrochen und zuletzt durch eine Intrige seiner eigenen Leute getötet.

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