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2.5.2Die wissenschaftliche Perspektive

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Die wissenschaftliche, akademische (universitäre) Welt ist federführend in der Entwicklung effektiver Interventionen und Behandlungskonzepte. Die wissenschaftlichen Untersuchungen und die daraus abgeleiteten Behandlungsempfehlungen bezogen sich bisher meist auf die PTBS Typ I. Erst in einem zweiten Schritt wurde die Betrachtung auf komplexe posttraumatische Belastungsstörungen ausgeweitet.

Hecker und Maercker (2015, S. 557) nennen in einem Übersichtsartikel für die Behandlung der PTBS drei Interventionen:

a)Prolongierte Exposition als eine Exposition in sensu, bei der das Trauma mittels der eigenen Gefühle nacherlebt und nacherzählt wird

b)kognitive Therapie, bei der der Fokus auf der Bearbeitung von Bewertungsund Wahrnehmungsprozessen (kognitive Umstrukturierung) und damit einhergehenden körperlichen Reaktionen liegt, und

c)EMDR, ebenfalls eine Methode der Exposition.

Hinsichtlich der Verhaltenstherapie werden zwei weitere gut untersuchte Interventionen hervorgehoben (Michael, Sopp u. Schäfer 2019, S. 16 f.):

a)In-vivo-Konfrontationen, die besonders auf das Vermeidungsverhalten als Symptom der Traumafolgestörung fokussieren

b)kognitive Therapie nach Ehlers und Clark, der ein kognitives Modell der Entstehung und Aufrechterhaltung der chronischen PTBS zugrunde liegt, sowie weitere Verfahren, die zum Einsatz von spezifischen Patientenpopulationen entwickelt wurden:

a.Narrative Expositionstherapie (NET) nach Schauer, Neuner und Elbert, die als Kurzzeitintervention in der Behandlung von Überlebenden interpersoneller Gewalt sowie von Kriegen und Naturkatastrophen zum Einsatz kommt

b.Cognitive Restructing and Imagery Modification (CRIM), die sich auf die Behandlung des Beschmutztseins bei Opfern sexueller Gewalt konzentriert, und

c.Cognitive Processing Therapy (CPT), die sich vor allem um die Integration des traumatischen Ereignisses in bestehende kognitive Schemata bemüht.

Wo bleiben die anderen Behandlungsverfahren? Wo bleiben psychodynamische, systemische, humanistische/gesprächspsychotherapeutische, hypnotherapeutische, logotherapeutische, psychodramatische und vor allem körpertherapeutische Ansätze? Allein die Reihenfolge bereitet mir Bauchschmerzen und noch mehr die Vorstellung, wen ich alles unterschlagen habe.

Psychodynamische Ansätze zur Behandlung von Traumafolgestörungen haben eine lange wissenschaftliche Tradition und stellen spezifische Methoden zur Verfügung, deren Wirksamkeit in kontrollierten Studien gezeigt werden konnte (Reddemann u. Wöller 2011, S. 580 ff.). Im Handbuch der Psychotraumatologie (Seidler, Freyberger u. Maercker 2011) werden drei dieser Konzepte erläutert:

a)die psychodynamisch imaginative Traumatherapie (PITT) nach Reddemann, die aufbauend auf einer resilienz- und progressionsorientierten Grundhaltung die psychodynamische Beziehungsorientierung mit imaginativen Verfahren verbindet und ein Konzept der Selbstbegegnung verfolgt

b)die mehrdimensionale psychodynamische Traumatherapie (MPTT), der ein psychodynamisch-dialektisches Veränderungskonzept zugrunde liegt, und

c)das integrative Konzept zur Behandlung traumaassoziierter Persönlichkeitsstörungen auf psychodynamischer Grundlage nach Wöller.

In der personzentrierten Psychotherapie/Gesprächspsychotherapie (Biermann-Ratjen u. Eckert 2011, S. 590) sowie der Systemischen Therapie (Hanswille 2019, S. 20) sind konkrete Ansätze zur Behandlung von (komplexen) Traumafolgestörungen entwickelt worden, ebenso im Psychodrama (Krüger 2015, S. 168).

Hinsichtlich des Vorgehens in der Behandlung der komplexen Traumafolgestörungen existieren viele offene Fragen. Sie stellt die Psychotherapeutinnen vor besondere Herausforderungen. Innerhalb der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie besteht zumindest darüber Einigkeit, dass in der Behandlung eine Exposition in sensu enthalten sein soll (Hecker u. Maercker 2015, S. 557). Sack und Sachsse (2013, S. 251 ff.) geben eine gute Übersicht über verfügbare Therapiemethoden zur Behandlung komplexer Traumafolgestörungen und betonen, dass ihre Zusammenstellungen keinen Leitliniencharakter haben:

(A)Vorrangig konfrontative Methoden zur Behandlung von Traumafolgesymptomen:

•Prolongierte Exposition

•Kognitiv-Behaviorale Traumatherapie

•Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR)

(B)Psychodynamische und imaginative Methoden:

•Psychodynamische Traumatherapie

•Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT)

•Katathym Imaginative Psychotraumatherapie (KIP-T)

•Mehrdimensionale Psychodynamische Traumatherapie (MPTT)

(C)Narrative Methoden

•Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT)

•Narrative Expositionstherapie (NET)

•Testimony Therapy (TT)

•Life Review Therapy (LRT)

•Imagery Rehearsal Therapy (IRT)

(D)Hypnotherapeutische Methoden:

•Hypnotherapeutische Techniken zur Konfrontation in sensu

•Ego-State-Therapie (EST)

•Behandlung nach dem Modell der strukturellen Dissoziation

•Trauma Recapitulation with Imagination, Motion and Breath (TRIMB)

(E)Techniken zur Ressourcenaktivierung und Stabilisierung:

•Training von Fertigkeiten

•Imaginationsübungen

•Achtsamkeitsbasierte Stabilisierung

•Tiergestützte Stabilisierung

(F)Kombinationen verschiedener Verfahren:

•Brief Eclectic Psychotherapy (BEP)

•Integrative Gestalttherapie

•Emotionsfokussierte Therapie (EFT)

•Integrative Systemaufstellung (ISA)

•Techniken Ressourcenfokussierter und Symbolischer Traumabearbeitung (TRUST)

(G)Traumaspezifisch adaptierte körperpsychotherapeutische Methoden:

•Traumaadaptiertes Yoga

•Konzentrative Bewegungstherapie (KBT)

•Pesso-Therapie

•Somatic Experiencing

•Hakomi

(H)Weitere körperpsychotherapeutische Verfahren:

•Qigong

•Tai-Chi

•Feldenkrais

•Energetische Psychologie

•Wen Do

(I)Entspannungsverfahren:

•Autogenes Training (AT)

•Progressive Muskelrelaxation (PMR)

•Atemtherapie

(J)Traumaadaptierte Behandlungskonzepte in:

•Kunsttherapie

•Tanztherapie

•Musiktherapie

Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen

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