Читать книгу Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen - Kai Fritzsche - Страница 36

2.6.4Erlebensebenen

Оглавление

Die verschiedenen Erlebensebenen bieten sich ebenfalls zur Orientierung innerhalb von Behandlungen von Traumafolgestörungen an. Manche Verfahren zielen explizit auf eine spezifische Ebene menschlichen Erlebens und fokussieren zunächst ausschließlich darauf, wie beispielsweise die Interventionen der kognitiven Verhaltenstherapie (Fokussierung auf Kognitionen) oder das Somatic Experiencing® (Fokussierung auf körperliche Prozesse). Viele Verfahren weisen eine integrative Prägung auf und beziehen weitere Erlebensebenen mit ein. Je nach Arbeitsfokus wird in der Praxis beispielsweise erforscht, wie sich die neu entwickelten Kognitionen auf die Gefühle oder den Körper auswirken bzw. welchen Einfluss die körperlichen Behandlungsprozesse auf das Verhalten oder das Denken haben. Traumatherapeutinnen und Traumatherapeuten sind entsprechend dem von ihnen bevorzugten Verfahren häufig auf eine Erlebensebene fokussiert, der in der Behandlung eine besondere Rolle zugeteilt wird. Wir könnten uns an dieser Stelle gegenseitig fragen, mit welcher Erlebensebene wir in die Behandlung starten und auf welche wir am meisten achten. Es erscheint mir wichtig hervorzuheben, dass es keine Rangliste von Erlebensebenen gibt. Über den Weg der Bevorzugung verschiedener Erlebensebenen wären wir sehr schnell wieder mitten im Schulenstreit und würden darüber diskutieren, ob nun die körperorientierten oder die kognitiven Interventionen wirksamer sind. Höchstwahrscheinlich macht es die Mixtur aus Interventionen mit unterschiedlichem Fokus. Dies würde eine integrative Behandlung auszeichnen.

Braun (1988, S. 4 ff.) hat das BASK-Modell der Dissoziation vorgelegt, um beschreiben zu können, wie dissoziative Zustände die Erfahrung beeinträchtigen können (Phillips u. Frederick 2003, S. 200). Er geht davon aus, dass Menschen in nicht dissoziativem Zustand Ereignisse fast gleichzeitig in vier Dimensionen wahrnehmen: Verhalten (Behaviors), Affekte (Affects), Empfindungen (Sensations) und Wissen (Knowledge). In dissoziativen Zuständen können diese Elemente einzeln oder gesamt von der Patientin abgetrennt sein. Die Nützlichkeit des Modells liegt in der Möglichkeit, einen Plan für die Wiederherstellung der Kontinuität der Erfahrung abzuleiten.

Levine (2011, S. 179) entwickelte dazu das SIBAM-Modell mit den Elementen: Empfindung (Sensation), Bild/Eindruck (Image/Impression), Verhalten (Behavior), Gefühl (Affect) und Bedeutung (Meaning), um die sensomotorische Bottom-up-Verarbeitung zu unterstreichen. Patienten werden nach seinem Modell durch verschiedene »Sprach-« und Gehirnsysteme geleitet, von den primitivsten bis zu den komplexesten. Patienten folgen demnach der Spur von Empfindung, (inneren) Bildern, Gefühlen und Bedeutungen.

In der Verhaltenstherapie wird die Verhaltens- und Problemanalyse als wichtigstes diagnostisches Verfahren definiert (Hautzinger 2000, S. 40). Ziel der Verhaltensanalyse ist die funktionale und strukturell-topografische Beschreibung von Verhalten. Die Erlebensebenen sind darin enthalten. Die ausgewählten Informationen sind:

•konkrete Merkmale der Situation

•Erwartungen, Einstellungen und Regeln, somatische biologische und physiologische Variablen

•Verhaltensausprägungen (Motorik, Emotionen, Kognitionen, physiologische Variablen, Häufigkeiten, Defizite, Exzesse, Kontrolle)

•Konsequenzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten (kurz- und langfristig) mit unterschiedlicher Qualität (positiv, negativ) und mit unterschiedlichen Loci (intern, extern).

Alle drei Modelle wurden hinsichtlich spezifischer Fragestellungen und Ziele entwickelt. Das BASK-Modell dient der Behandlung dissoziativer Störungen, das SIBAM-Modell unterstreicht die Bottom-up-Verarbeitung und mithilfe der Verhaltensanalyse wird die Topografie von Verhalten realisiert. Alle drei Modelle lassen sich in ihrer spezifischen Funktion und Zielsetzung in die Behandlung von Traumafolgestörungen integrieren. Sie lassen sich zusätzlich unspezifisch einbinden, das heißt als Erinnerung an die Bedeutung sowie an die Nutzung der verschiedenen Erlebensebenen. In der Begegnung mit traumatisierten Menschen bietet die Unterscheidung der Erlebensebenen ein hohes Potenzial für das Verständnis der individuellen Störung sowie für die Entwicklung eines individuellen Behandlungsplanes. Die Symptome unserer Patientinnen und Patienten sind nicht einheitlich über die Erlebensebenen verteilt und nicht in gleichem Maße zugänglich oder bewusst. Manche stechen hervor, sind deutlicher ausgeprägt als andere. Die Behandlungsplanung ließe sich nun beispielsweise aufgrund der für einen Patienten »prominentesten« Erlebensebene gestalten. In diesem Fall würde sie auf der Ebene starten, die am deutlichsten repräsentiert ist. Sie könnte jedoch genauso auf die nicht gut repräsentierten Ebenen fokussieren, nach dem Motto: Welche Ebenen sind »unterbelichtet«? Insgesamt erscheint es wichtig, den Patientinnen einen Zugang zu im besten Fall allen Erlebensebenen zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass wir alle Ebenen in die Behandlung einbeziehen sollten.

Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen

Подняться наверх