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2.1 Systeme und Systemwandel
ОглавлениеEin Grundmodell der globalen Massenkommunikation
Massenmedien bilden komplexe Systeme, die aus den Journalisten und Journalistinnen und ihren professionellen Beziehungen einschließlich der Professionsethik (Mikroebene), den Medienhäusern und ‑redaktionen (Mesoebene) sowie den für das Mediensystem bedeutsamen Umweltbeziehungen zu anderen Teilsystemen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft (v.a. Publika) bestehen (Makroebene). Innerhalb der Mesoebene existieren Austauschbeziehungen zwischen den Medien, etwa durch ökonomische Verflechtungen, Informationsbeschaffung oder der Orientierung an journalistischen Meinungsführern, wobei etwa Nachrichtenagenturen eine herausragende Stellung einnehmen. Zwischen den Medienorganisationen und ihren Umweltsystemen der Politik und der Wirtschaft sowie ihren nicht-organisierten Systemumwelten des Publikums herrschen Interdependenzbeziehungen. Die Politik zum Beispiel agiert insofern als gesellschaftliches Supersystem (Gerhards/Neidhardt 1990, S.8f.), als es das Mediensystem rechtlich und politisch reguliert und kontrolliert, wobei allerdings auch die Politik von ihrer Darstellung in den Medien abhängig ist. Die Wirtschaft ist in einer Doppelrolle, da sie einerseits über die Besitzverhältnisse Teil des inneren Mediensystems ist, zugleich jedoch dem Mediensystem, ähnlich wie das zahlende Publikum, ökonomische Ressourcen zuführt, etwa über Werbeeinnahmen. Die Beziehungen des Mediensystems zu seinen Umwelten sind nicht zuletzt abhängig vom Charakter des jeweiligen politischen Systems und sind in einem freiheitlichen System (Demokratie) am besten durch ein Fließgleichgewicht von Autonomie und Anpassung zu beschreiben. Das Mediensystem erbringt eine eigenständige (kritische) Beobachtungsleistung für die Gesellschaft, ist zugleich aber Einflüssen seiner Umwelten ausgesetzt, die seine Autonomie einschränken (Kunczik 1984, Marcinkowski 1993, Hafez 2002a, Bd.1, S.123ff.).
Während im nationalstaatlichen Rahmen auf diese Art integrierte Mediensysteme entstehen, existiert ein globales Mediensystem (bisher) nicht. Die allermeisten Massenmedien dieser Welt sind auf nationale oder noch kleinere lokale Publika ausgerichtet und sprachlich eingeschränkt. Dies gilt auch für die globale Massenkommunikation, wo diese als „Auslandsberichterstattung“ Teil der nationalen Mediensysteme ist, da hier nationale Medien die Welt für nationale Publika aufbereiten. Nationale Auslandsberichterstattung, bei der nationale Heimatredaktionen mit Hilfe von Auslandskorrespondenten und -korrespondentinnen und den ihnen zur Verfügung gestellten Informationen von Nachrichtenagenturen Auslandsnachrichten produzieren, ist noch immer die dominante Form des globalen Journalismus und der Mediennutzung (siehe unten). Die Synchronisation der „Weltöffentlichkeit“ wird also grundlegend von „egozentrischen“, das heißt dezentralen nationalen Mediensystemen geleistet. Mediensysteme – und dies hängt eng mit ihrem Hang zur diskursiven statt zur interaktiven Kommunikation zusammen – sind tendenziell egozentrischer als politische oder wirtschaftliche Systeme. Organisierte Sozialsysteme haben, wie wir noch sehen werden, einen Teil ihrer Souveränität zugunsten transnationaler Diplomatieräume, globaler Governance-Strukturen und transnationaler Produktions- und Eigentumsverhältnisse aufgegeben.
Auch dort, wo Rezipienten und Rezipientinnen (auf der Makroebene) über technische Wege wie etwa den direktempfangbaren Satellitenrundfunk Grenzen überschreiten und die Medien anderer Länder nutzen, haben sich zwar die Medienräume des Publikums über Staatsgrenzen hinaus ausgedehnt. Die politische Regulierung wird aber – ungeachtet gewisser grenzüberschreitender medienpolitischer Bestrebungen und politischer PR, die über Nachrichtenagenturen weltweit verbreitet wird – weiterhin vom jeweiligen Nationalstaat ausgeführt, nicht aber von einem transnationalen Staat, den es ja lediglich in Ansätzen etwa im Rahmen der Europäischen Union gibt. Auch auf der Mesoebene können Medien durch Im-/Export Austauschbeziehungen pflegen, es kann internationale Leitmedien (wie die New York Times) geben und es können sogar, wie im Cross-Border-Journalismus, grenzüberschreitende Gemeinschaftsprojekte durchgeführt werden. Aber auch hier bleiben die regulierenden Umweltsysteme stets national geprägt. Auf der theoretischen Mikroebene können Journalisten und Journalistinnen sich an universellen Ethiken und Professionsverständnissen, einschließlich ästhetischer und stilistischer Standards, orientieren (siehe unten) – sie bleiben dennoch Angestellte im rechtlichen Rahmen eines bestimmten Nationalstaats.
Die lokale Restbindung bei allen Formen der globalen Massenkommunikation ist prinzipiell auch bei Medien vorhanden, die sich programmatisch als „globale Medien“ verstehen und die vielfach als Ausweis eines transnationalen Mediensystems betrachtet werden – es aber letztlich nicht sind. Die Fernsehsender CNN, Al-Jazeera English oder BBC World News agieren beispielsweise weltweit, sind aber politisch an ihre Heimatsysteme gebunden. Noch deutlicher wird dies beim sogenannten „Auslandsrundfunk“, also von Staaten etablierten Medien, die in verschiedenen Sprachen senden (z.B. Deutsche Welle, Voice of America, RT, BBC World Service) und die ihren politischen Auftrag als Teil der Public Diplomacy ihrer Heimatländer nicht leugnen können. Ein globales Mediensystem, das nicht in der einen oder anderen Weise an bestimmte Nationalstaaten gebunden wäre, bleibt auch im 21.Jahrhundert weitgehend eine Utopie (Hafez 2005, S.25).
Um den Grundaufbau globaler Massenkommunikation zu verstehen, ist es daher sinnvoll, drei verschiedene Dimensionen zu unterscheiden (Abbildung 2.1). Globale Massenkommunikation ist kein geschlossenes globales System, sondern es besteht aus:
nationalen Mediensystemen (v.a. Auslandsberichterstattung),
die sich internationaler Kommunikationsflüsse bedienen (z.B. durch Nachrichtenagenturen, Auslandskorrespondenten, Im-/Exporte) und
die durch einzelne transnationale Medienstrukturen (globale Ethiken, gemeinsame Produktionen, grenzüberschreitende Rezeptionen und Regulationen) ergänzt werden.
Globale Kommunikationsflüsse bilden kein globales Mediensystem aus, sondern die lokalen/nationalen Systeme bleiben intakt, sind aber globalen Einflüssen ausgesetzt und bilden zusätzlich transnationale Netzwerkstrukturen aus.
Abb. 2.1:
Dimensionen der globalen Massenkommunikation
Als Leitsatz lässt sich formulieren, dass die nationalstaatliche Systemprägung der Massenmedien und des Journalismus auf allen Ebenen noch immer stärker ist als die globale (Hafez 2002a, Bd.1, S.134ff.). Es dominieren in aller Regel nationale Ethiken und Sozialisationen des Journalismus (Mikroebene), nationale Organisationsformen und Besitzverhältnisse (Mesoebene) und nationale Publika und Umwelteinflüsse (Makroebene). Die Globalisierung ist im Bereich der Massenmedien zumeist strukturschwach geblieben und von einem grenzüberschreitenden Zusammenwachsen der Mediensysteme kann generell nicht die Rede sein.
Zugleich können sowohl die internationalen Kommunikationsflüsse als auch die transnationalen Teilstrukturen durchaus dynamisch sein. Ob sich national geprägte Systeme oder global beeinflusste Prozesse stärker auf den Mediendiskurs auswirken, ist nach unserem theoretischen Grundmodell des System-Lebenswelt-Netzwerk-Ansatzes nicht ohne empirische Prüfung nachweisbar. Zudem ist es zwar unwahrscheinlich, dass der Primat nationaler Mediensysteme beendet wird, bevor sich der Nationalstaat weltweit auflöst, was derzeit nicht zu erwarten ist. Dennoch ist selbst ein Systemwandel im Feld der Massenmedien in der Zukunft nicht ausgeschlossen.
Erste Anzeichen hierfür zeigten sich in der Debatte über die „Neue Weltinformationsordnung“ an der Wende zu den 1980er Jahren. Hier wurde der dominante Informationsdruck beklagt, den vor allem die großen westlichen Nachrichtenagenturen sowie die Musik- und Filmindustrien auf den Rest der Welt ausüben (Many Voices – One World 1980). Zwischen diesem vor allem durch die Supermacht USA geprägten Einfluss und den „subalternen Gegenflüssen“ (Contra Flows) durch die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas besteht bis heute ein erhebliches Gefälle (Thussu 2010, S.222f., 234). Angesichts der ungleichen kulturellen Machtverhältnisse von einer „multi-zentrierten“ (multi-centered) Globalisierung zu sprechen (Butsch 2019, S.214ff.), scheint daher verfrüht. Die starke weltweite Präsenz vor allem westlicher Kommunikate ist kein Widerspruch zur Nichtexistenz eines globalen Mediensystems, sondern verweist auf die möglicherweise zunehmende Wirkung internationaler Systemumwelten, die zwar nicht als organisierte Umweltsysteme mit formaler politischer und rechtlicher Regulationsmacht in Erscheinung treten (siehe unten), aber die Informationsumwelt nationaler Mediensysteme prägen. Die noch immer vorhandene Dominanz nationaler Systeme, aber auch die internationalen Kommunikationsflüsse und transnationalen Teilstrukturen der globalen Massenkommunikation sollen im Fortgang des Kapitels auf allen Ebenen – von der Professionsethik, der medialen Produktion und Rezeption bis zu politischen und wirtschaftlichen Umweltfaktoren der Mediensysteme – erörtert werden.
(Trans-)Nationale Medienethik und Professionalismus
Professioneller Journalismus lässt sich durch Wertebezüge von Journalisten, Medien und journalistischen Standesvertretern (wie Presseräten) beschreiben, die das Medienhandeln beeinflussen. Diese Werte sind sowohl in der formalen Ethik (Ethikkodizes) wie auch in informellen Praktiken der Medienschaffenden nachweisbar. Vergleichende Länderstudien lassen Ähnlichkeiten wie auch Unterschiede zwischen nationalen und regionalen journalistischen Ethiken erkennen (u.a. Hanitzsch 2006, d’Haenens et al. 2014, Löffelholz/Weaver 2008, Hafez 2002b, 2003b). Ganz generell sind starke Übereinstimmungen formaler Ethik im Kernbereich der Objektivität und Wahrheitssuche und größere Unterschiede bei Freiheitsnormen sowie Individualitäts- und Gemeinschaftsbezügen des Journalismus feststellbar (Christians/Traber 1997). Die Differenzen der Medienethiken in Mediensystemen sind allerdings fluide und dynamisch und professionelle Rollenmodelle können interkulturelle „Ansteckungswirkungen“ und Demonstrationseffekte erzeugen, die auch bei journalistischen Routinen wie Nachrichtenwerten oder in der journalistischen Gestaltungsästhetik zu beobachten sind (Machin/von Leeuwen 2007, S.8f., Sklair 1995, S.159f.). Der transnationale Fernsehsender Al-Jazeera ist auch deshalb als „arabisches CNN“ bezeichnet worden, weil er eine ähnliche Präsentationsweise wie sein westliches Pendant benutzte.
Man darf die Harmonisierung von Professionsstandards allerdings nicht mit einer Harmonisierung von Inhalten verwechseln. Selbst bei identischen Objektivitätsstandards werden Themenselektion und -interpretation des Journalismus systemisch sehr unterschiedlich geprägt (vgl. Kap. 2.2.1). Gerade in Kriegs- und Krisenzeiten sind geradezu konträre Mediendiskurse keine Seltenheit und die Synchronisation der globalen Öffentlichkeit bleibt unterentwickelt. Nur eine Vorstellung wie die von Marshall McLuhan, wonach das Medium selbst die Botschaft ist (McLuhan 1964), kann die inhaltlichen Differenzen ausblenden und aus der transnationalen Konvergenz der journalistischen Profession eine Globalisierung von Massenkommunikation im „globalen Dorf“ ableiten (vgl. Kap. 1.1). Wie wenig eine solche Analyse allerdings trägt, wird daran deutlich, dass internationale Ethikkodizes bislang kaum existieren und nationale Werte wie Internationalismus oder Kosmopolitismus in nationalen Kodizes kaum erwähnt werden (Hafez 2008, S.160f.). Die Formulierung einer globalen, kosmopolitischen und/oder postkolonialen Medienethik bleibt also eine Zukunftsaufgabe (Ward/Wasserman 2010).
(G)lokale Medienproduktion
Es ist sinnvoll, zunächst einmal nationale und transnational ausgerichtete Massenmedien zu unterscheiden. Die durch nationale Medien produzierte Auslandsberichterstattung erzielt dabei größere Reichweiten als die transnationalen Medien. Nationale Auslandsberichterstattung steckt zwar weltweit in einer durch die Digitalisierung, Einnahmenrückgänge und Ressourcenknappheit entstandenen Krise, die sich vor allem in einem Abbau von Korrespondentenstellen bemerkbar gemacht hat (Lewis 2010). Dies ändert jedoch nichts an der prinzipiell starken Stellung der nationalen Auslandsberichterstattung. Transnational agierende Medien sind für die meisten Rezipienten eher Ergänzungen als ein Ersatz und der gesamte Marktanteil von Fernsehsendern wie CNN, Al-Jazeera English oder BBC World sowie für europäische Sender wie Euronews, Eurosports oder Fashion TV, um nur einige Beispiele zu nennen, kann auf maximal 10Prozent geschätzt werden (Chalaby 2009, S.118), dürfte jedoch tatsächlich noch niedriger liegen. Zwar sind transnationale Medien weltbekannt und verfügen als Leitmedien innerhalb des Journalismus und Referenzmedien von Informationseliten unter den Rezipienten (siehe unten) über einen gewissen meinungsführenden Einfluss (Samuel-Azran 2009), ihre Marktanteile sind aber oft sehr klein, was zur Folge hat, dass viele dieser Medien defizitär wirtschaften und von ihren Heimatstaaten subventioniert werden. Es wird zudem noch zu untersuchen sein, ob diese transnational agierenden Sender globale Diskurse besser repräsentieren können als nationale Massenmedien (Chalaby 2009, S.228, vgl. Kap. 2.2.1).
Die starke Stellung nationaler Medien wird allerdings durch globale Kommunikationsflüsse und neue transnationale Strukturen relativiert. Der nationale Nachrichtenjournalismus wird seit einiger Zeit durch verschiedene Projekte des grenzüberschreitenden „kollaborativen Journalismus“ ergänzt, der etwa anlässlich der „Panama Papers“ bekannt geworden ist (Alfter 2016, 2019, Heft 2019). Da diese Projekte eher Ausnahmen darstellen, bleibt der nationale Journalismus weiterhin dominant und der Cross-Border-Journalismus stellt ebenso wie die transnationalen Medien allenfalls eine Ergänzung als eine echte Alternative dar (Grieves 2012, S.169). Vor allem im Nachrichtengeschäft gilt die Regel, dass sich transnationale Medienstrukturen nur sehr schwer etablieren lassen, da immer die Notwendigkeit sprachlicher, personeller und inhaltlicher Anpassungen an die diskursiven Interessen und Gewohnheiten von Konsumenten in den jeweiligen Ländern zu bestehen scheint.
Zugleich zeigt sich – dies ist eine weitere wichtige Relativierung der nationalen Produktionsverhältnisse –, dass fiktionale Unterhaltung schon immer stärker vom Im- und Export geprägt gewesen ist als das Nachrichtenwesen. Bekanntestes Beispiel hierfür sind Hollywoodfilme, aber auch lateinamerikanische Telenovelas, die weltweit verbreitet sind. Im Vergleich zu dem durch nationale Präferenzen gekennzeichneten Nachrichtengeschäft kann man den Unterhaltungsbereich als Kernbereich der Globalisierung und einer hybriden Kulturentwicklung bezeichnen, da hier nationale Produktionen zwar stark bleiben, aber mitunter weniger vorherrschend sind (Hafez 2005, S.115ff., Straubhaar 2014). Allerdings sind auch die Unterhaltungsindustrien der Medien noch immer stark lokal ausgerichtet (Kawashima/Hye-Kyung 2018). Nationale Produktionen besitzen gerade im Fernsehbereich die größten Reichweiten, weswegen man die Internationalisierung der Unterhaltungsindustrie nicht überschätzen darf (Flew 2007, S.127, Hafez 2005, S.115ff., Straubhaar 2007). Die großen Filmindustrien in Indien (Bollywood), in der arabischen Welt, in China, Iran oder Trickfilmproduktionen aus ostasiatischen Ländern sind auf ihren lokalen Märkten jeweils dominant.
Es ist ihnen allerdings auch gelungen, im internationalen Exportgeschäft einen globalen Contra Flow zu etablieren, der der weiterhin bestehenden amerikanischen Filmdominanz immerhin Konkurrenz macht (Thussu 2019, S.191ff.). Die These von einem westlichen „Kulturimperialismus“ durch Globalisierung ist zu vereinfachend, da sie weder die gleichzeitig stattfindende Modernisierung nationalsprachlicher Kulturen noch die Globalisierungspotenziale des globalen „Südens“ berücksichtigt (Hafez 2005, S.128ff.).
Globale Rezeptionskluft: Informationsmassen und -eliten
Rezeption (Makroebene) ist neben der Ethik (Mikroebene) und der Produktion (Mesoebene) ein wesentliches Strukturmerkmal der globalen Massenkommunikation. Mediensysteme transnationalisieren sich schon deshalb nur sehr zögerlich, weil nationale Medien von den allermeisten Konsumenten noch immer bevorzugt werden. Die „relative Bedeutungslosigkeit“ (relative unimportance, Sparks 2016, S.61) transnational ausgerichteter Sender hat ihre Ursache im nationalen Rezeptionsverhalten eines Großteils des Publikums. An diesen Rezeptionsstrukturen hat sich auch in der Ära des direktempfangbaren Satellitenrundfunks seit den späten 1980er Jahren und des Internets seit den 1990er Jahren nichts Wesentliches geändert (Wessler/Brüggemann 2012, S.98ff.). Bei aller notwendigen Vorsicht gegenüber Zahlen der globalen Reichweitenforschung, die oft von den Unternehmen selbst verbreitet werden und nicht immer präzise sind (Zöllner 2004), lässt sich dennoch sagen: Sowohl die Nutzung transnationaler Medien (wie CNN, BBC World usw.) als auch die grenzüberschreitende Nutzung anderer nationaler Medienangebote bleiben ein Randphänomen der Mediennutzung (Hasebrink/Herzog 2009). Diese Erkenntnis ist keineswegs trivial, sondern eminent bedeutsam. Da, wie wir noch sehen werden, nationale Auslandsbilder häufig eine negative oder zumindest stereotype Prägung aufweisen, werden auch die Konsumenten durch den primär nationalen Medienkonsum verstärkt negativen Stereotypen ausgesetzt (vgl. Kap. 2.2.1). Die globale Rezeptionskluft ist zu einem nicht geringen Teil für die Problematik von Nationalismus und Rassismus bis hin zum rechtspopulistischen Angriff auf die Globalisierung verantwortlich.
Allerdings gibt es auch hier einige bemerkenswerte Ausnahmen und Gegentrends zu der allgemeinen Regel der nationalen Mediennutzung, die sich an Sondersituationen (Sprachräumen und Auslandsrundfunk) sowie an Sondergruppen (Migranten und globalen Eliten) festmachen lassen. Medien werden grenzüberschreitend vor allem in geolinguistisch homogenen Sprachräumen genutzt, wenn diese mehrere Nationalstaaten umfassen, etwa im deutschsprachigen (Deutschland, Österreich, Schweiz) oder im arabischsprachigen oder spanischsprachigen Raum mit jeweils mehr als zwanzig Ländern (Sinclair et al. 1996). Die Entwicklung des Satellitenrundfunks und des Internets hat diese „kleine Grenzüberschreitung“ begünstigt, sie ist aber im Prinzip deutlich älter und hat mit gemeinsamer Geschichte und Sprachverwandtschaft zu tun. Da diese Nutzungsform nicht global ist, sondern in historisch tradierten Kulturräumen verbleibt, ist es fraglich, ob man diese Form der Regionalisierung als Globalisierung bezeichnen kann. Einerseits werden nationale Grenzen überschritten. Andererseits wird die Vorstellung von „Kulturkreisen“ technisch wiederbelebt, was einer kosmopolitischen und universellen Vorstellung von Globalisierung im Wege steht (Hafez 2005, S.98ff.).
Eine weitere Sondersituation der Mediennutzung entsteht durch den multilingualen Auslandsrundfunk, zum Beispiel BBC World Service (UK), RT (Russland), Voice of America (USA), Deutsche Welle (Deutschland), Radio China International (China) (Carvalho 2009). Auch die monolingualen Mittelschichten, die keine fremdsprachlichen Medien nutzen, können sich dem Auslandsrundfunk zuwenden (Chouikha 1992). Vor allem die Attentate des 11. September 2001 haben zu einer Vergrößerung der Angebote und zu einem neuen Wettlauf zwischen den Groß- und Mittelmächten geführt (Hafez 2005, S.159ff.). Trotz dieser Bemühungen ist grenzüberschreitende Mediennutzung allenfalls eine ergänzende Komponente im Medienmenu der meisten Menschen und kein Beleg für eine starke Globalisierung.
Eine solche kann sich allerdings bei Sondergruppen wie globalen Eliten einstellen, die im Bereich von Politik, Wirtschaft und Kultur permanent selbst Grenzen überschreiten und mobil sind und daher auch in einem höheren Maß als andere Menschen Medien außerhalb ihrer Herkunftsländer nutzen (Wessler/Brüggemann 2012, S.98f., Hafez 2005, S.87f.). Eine herausragende, zugleich aber sehr spezielle Rolle innerhalb der globalen Informationseliten nehmen Migranten ein, die oft regelmäßig Medien jenseits ihres Wohnortes – aus ihren Herkunftsländern oder im Rahmen der Diaspora – nutzen (Galal 2014, Robins/Aksoy 2015). Es ist schwer, die genaue Größe der globalen Informationseliten zu bestimmen, aber selbst bei geringer Zahl dürfte der qualitative Einfluss dieser „Kosmopoliten“ auf die Gesellschaft groß sein. Gerade Migranten können ihre multikulturellen Medienmenus dazu einsetzen, eine transkulturelle Subjektivität an der Schnittstelle von Medienglobalisierung und Postkolonialismus auszubilden, was bislang allerdings viel zu wenig erforscht ist (Merten/Krämer 2016, vgl. a. Brennan 2008). Dennoch liegt hier auch ein häufiges Missverständnis begründet, da solche mobilen Eliten dazu neigen, ihren eigenen kosmopolitischen Medienstil für eine generelle Entwicklungstendenz zur Globalisierung zu halten, während dieser in Wirklichkeit eine Besonderheit darstellt.
Umweltsystem Politik: Nationalstaatliche Hegemonie
Globale Medienpolitik ist ein Spiegelbild des noch immer stark national geprägten Rezeptionsverhaltens der meisten Menschen. Wo Medien nur selten über Grenzen hinweg genutzt werden, braucht es auch keine globale rechtliche und politische Medienregulierung. Transnationale rechtliche Regulierungen sind beschränkt auf wenige kommerzielle oder technikpolitische Felder. Das Abkommen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte in der Welthandelsordnung (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS) verbietet zum Beispiel Raubkopien. Die EU-Fernsehrichtlinie harmonisiert unter anderem nationale Vorschriften für Werbung, Sponsoring und Teleshopping. Die International Telecommunication Union (ITU) und die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) regeln technische Rahmenbedingungen des Satellitenrundfunks und des Internets. Eine steigende Anzahl der Akteure scheint vordergründig auf eine wachsende Bedeutung der globalen Medienpolitik zu verweisen. Es dominiert aber weiterhin eine „techno-funktionale Perspektive“ (Berghofer 2017, S.365), die zwar technische Fragen global regelt, Medienpolitik aber darüber hinaus im Wesentlichen als Kulturpolitik definiert und die Eigenständigkeit der Nationalstaaten nicht antastet. Sogar die Europäische Union, der wohl ambitionierteste Staatenbund der Erde, belässt die Regulierung der Medien weitgehend bei den Einzelstaaten (Michalis 2016), was zu seltsamen Verwerfungen insofern führt, als eine Reihe von europäischen Staaten in den internationalen Medienfreiheitsrankings (Freedom House, Reporter Ohne Grenzen) nur als „teilweise frei“ eingestuft werden (Italien, Polen, Ungarn usw.), weil die dortigen Regierungen die Medienfreiheit zu stark einschränken, Brüssel oder Straßburg aber kaum etwas dagegen unternehmen.
Globale Medienpolitik bleibt also, abgesehen von einigen kapitalistischen und technischen Rahmenbedingungen der Medien, gerade im Kern der Medienfreiheits- und Konzentrationspolitik weitgehend in den Händen des Nationalstaates (Hafez 2005, S.189ff.). Dies führt in der „Ära der Globalisierung“ ironischerweise immer mehr dazu, dass Meinungs- und Medienfreiheit weltweit durch autoritäre Regimes und autoritäre Tendenzen auch innerhalb von Demokratien bedroht werden (Freedom House 2019). Die Synchronisation einer grenzüberschreitenden Weltöffentlichkeit wird strukturell durch die Hegemonie nationaler Medienpolitik gefährdet (Heft/Pfetsch 2012, S.158f.). Medienfreiheit bleibt daher letztlich ein Privileg vielsprachiger Informationseliten, die sich im Fall der Bedrohung der inneren Medienfreiheit durch Auslandsmedien informieren, wobei sich der Nationalstaat auch hier durch Internetzensur oder die Störung ausländischer Satellitenmedien Geltung verschaffen kann.
In der jüngeren Forschung findet angesichts der Beharrlichkeit des Nationalstaates ein Umdenken statt. Die bis dato verbreitete Kritik am „methodischen Essenzialismus“ (Couldry/Hepp 2009, Kleinsteuber 1994) einer auf den Nationalstaat fokussierten vergleichenden Mediensystemforschung wird nun ihrerseits als zu globalisierungsoptimistisch in Frage gestellt (Flew et al. 2016, S.5). Natürlich kann man einwenden, dass staatliche Medienregulierung nur begrenzt effektiv ist. Gerade im Bereich des Internets haben Unternehmen wie Google und Facebook immer wieder Kritik von nationalen Regierungen ignoriert, was für eine Vorherrschaft globaler Internetkonzerne zu sprechen scheint (Iosifidis 2016, S.23). Im Ernstfall aber, das hat das Beispiel der Türkei unter Präsident Erdogan gezeigt, als dieser YouTube und Facebook abschaltete, sitzt der Staat am längeren Hebel und kann sich durchsetzen. Die Gegenkritik am „methodischen Globalismus“ eines Teils der Kommunikationswissenschaft (Waisbord 2014, S.30) stützt sich auf diese ultimative Souveränität des Nationalstaats in Medienfragen. Dass der Staat mit globalen Herausforderungen im Medienbereich zu kämpfen und auch regulatorische Zugeständnisse gemacht hat, heißt nicht, dass die transnationalen Medienstrukturen das nationale Mediensystem und seine Kontrolle der internationalen Kommunikationsflüsse letztlich beseitigt haben.
Umweltsystem Ökonomie: Grenzen der Transnationalisierung
Globale Teilstrukturen lassen sich auch im Feld der Medienökonomie erkennen. Vor allem amerikanische Medienkonzerne (z.B. Walt Disney, News Corporation, Netflix, Thomson Reuters), aber auch französische (z.B. Vivendi) und deutsche (z.B. Bertelsmann) Global Players, sind aktive Exporteure von Unterhaltungskultur und tätigen Direktinvestitionen in vielen Mediensystemen dieser Welt. Hinzu kommen in den letzten Jahren oft rasant wachsende Firmen im Bereich der Telekommunikation, des Internets und der Informations- und Kommunikationstechnologie aus den USA (z.B. AT&T, Google, Facebook, Amazon) und China (z.B. Tencent, Baidu). Rechnet man die ohnehin starke Stellung am Weltnachrichtenmarkt durch die großen westlichen Nachrichtenagenturen wie Reuters, AFP, AP sowie die begrenzten, aber immerhin sichtbaren Reichweiten westlicher Sender wie CNN hinzu, dominieren Großmächte den globalen Medienmarkt. Bei Suchmaschinen als nicht-klassischen Massenmedien landen mehr als 60Prozent aller Anfragen bei Google, die zusammen mit Yahoo, Baidu und Microsoft 80Prozent Marktanteil besitzen (Winseck 2011, S.36f.). Insbesondere links-kritische Medienwissenschaftler und -wissenschaftlerinnen haben solche Zahlen immer wieder zum Anlass genommen, vor einem westlichen Medienimperialismus unter dem Deckmantel von Globalisierungspolitik zu warnen (Herman/McChesney 1997, McPhail 2010, Artz/Kamalipour 2003).
Gegen die These der westlichen globalen Mediendominanz haben revisionistische Wissenschaftler eingewendet, dass die großen Weltkonzerne trotz ihres Einflusses in einzelnen Bereichen weit davon entfernt sind, ganze Medienmärkte zu beherrschen. Die Transnationalisierung des Medienkapitals kennt klare Grenzen und in den national geprägten Mediensystemen dieser Welt dominiert nach wie vor nationales (und zum Teil regionales) Medienkapital (Flew 2007, 2009, 2011, Hafez 2005, Compaine 2002, Rugman 2002), was im Übrigen sogar die Vertreter der westlichen Dominanzthese gelegentlich einräumen (Herman/McChesney 1997, S.9). Statt eines homogenen globalen Medienmarktes existiert heute ein Flickenteppich nationaler und regionaler Märkte, in die transnationale Teilstrukturen und Handelsbeziehungen eingebettet sind. Terry Flew spricht hier von einer „statistischen Illusion“ (2007, S.82), da die imposanten internationalen Gewinne mit noch größeren lokalen Gewinnen an den Stammsitzen der Konzerne (also vor allem in den USA und Europa) verglichen werden müssten. Medienkonzerne sind demnach weitaus weniger global als Unternehmen in anderen Branchen, weswegen die Branche eher ein „Nachzügler“ (laggard) als ein Vorreiter der Globalisierung ist (Flew 2007, S.87, 208, vgl. a. Hafez 2005, S.212).
Das zweite analytische Versäumnis besteht darin, dass der betriebswirtschaftliche Blick auf einzelne Mediengiganten noch nichts über volkswirtschaftliche Marktanteile aussagt. Letzteres ist aber entscheidend, um den realen Einfluss der Global Players zu messen, die den lokalen „Provinzfürsten“ des Medienkapitals in Wahrheit in den meisten Ländern unterlegen sind (Hafez 2005, S.213ff., vgl. a. Birkinbine et al. 2017, S.109ff.). Vieles spricht sogar dafür, dass trotz steigender ausländischer Direktinvestitionen auf Grund der rapide gewachsenen lokalen Medienmärkte US-Konzerne heute weniger einflussreich sind als am Ende des 20.Jahrhunderts: gerade im Presse-, Fernseh- und Nachrichtenbereich dominiert in aller Regel das „territorialisierte Kapital“ (territorialized capital) (Christophers 2014, S.369). Große indische Konzerne wie Doordashan haben auf globale Konkurrenz (z.B. Rupert Murdochs Sky TV) mit einer Ausweitung ihres regionalen Angebotes reagiert; Ähnliches ereignete sich in Hongkong, Malaysia und in Lateinamerika; Staaten wie China und Indonesien quotieren internationale Programmimporte (McMillin 2007, S.105ff.). In arabischen Ländern besitzen ausländische Medienkonzerne schon aus politischen Gründen eher stilles Medienkapital, keine Anteilsmehrheiten und sind daher weder inhaltlich noch politisch entscheidend (Sakr 2001, S.97). Selbst der globale Fernsehformathandel besteht aus Kooperationen von transnationalen Unternehmen mit lokalen Partnern (Grüne 2016). Insgesamt gesehen stößt die technisch mögliche Globalisierung in ökonomischer Hinsicht eindeutig an lokale Marktgrenzen.
Nicht ganz zu Unrecht ist gegen die Revisionisten eingewendet worden, dass nicht nur die Produzenten von Medieninhalten in die Rechnung einbezogen werden dürfen, sondern auch das Medieninfrastrukturkapital (Fuchs 2010). In der Tat sind im 21.Jahrhundert die internationalen Gewinne von Internet-, Telekommunikations- und Hardware-Giganten erheblich gewachsen und ihr Transnationalisierungsgrad – also der Anteil der internationalen Märkte an ihren Umsätzen – ist höher als der klassischer Medienkonzerne (Winseck 2011, S.6f.). Für Dell Inc. arbeiten mehr als hunderttausend Mitarbeiter weltweit (Gershon 2019, S.39). Die Bildagentur Getty Images macht immerhin etwa 40Prozent Umsatz außerhalb der USA und hat Kunden in mehr als fünfzig Ländern (Machin/van Leeuwen 2007, S.150ff.). Allerdings zeigt sich hier eine techno-funktionale Form der Kapitalglobalisierung: Ausländische Produkte und Dienstleistungen werden überall dort eingesetzt, wo sie nicht selbst produziert werden können oder wo Informationsbausteine – wie Fotos – gebraucht werden. Redaktionelle Angebote und Programme aber, vor allem im Informationssektor, kommen aus den Ländern selbst. Bei politisch wie kulturell komplexen Medienprodukten erweisen sich ausländische Produkte und Direktinvestitionen eher als Lückenfüller auf lokalen Märkten, als Ergänzung und Erweiterung, nicht aber als Ersatz für nationale Produkte.
Nicht-klassische Massenmedien: erweiterte Hypermedialität
Vor allem im Internet sind neue Angebotsformen entstanden, die man als Massenmedien bezeichnen kann. Das Internet verschafft nicht nur den etablierten Medien von Presse, Radio und Fernsehen neue technische Reichweiten. Es generiert auch so unterschiedlichen Medien wie Suchmaschinennachrichten, Sozialen Medien (wie Twitter), Weblogs, Podcasts und alternativen Nachrichtenportalen (wie WikiNews) eine neue Basis. Nicht jede Form der digitalen Kommunikation lässt sich als „massenmedial“ charakterisieren, vieles ist interpersonal oder gemeinschaftsorientiert (vgl. Kap. 6). Kommunikate allerdings, die öffentlich zugänglich sind und periodisch erscheinen, so dass sie journalistischen Angeboten ähneln, lassen sich als nicht-klassische Massenmedien einstufen.
Inwieweit sich die Produktions- oder Rezeptionsstrukturen sowie die Kommunikationsflüsse der globalen Massenkommunikation durch das Internet verändern, ist nicht einfach zu ermessen. Auch hier gibt es optimistische wie pessimistische Lesarten, die um die Frage ranken, ob das Internet wirklich einen Strukturwandel der globalen Massenkommunikation eingeleitet hat. Ethan Zuckerman hat verdeutlicht, dass auch im Internetzeitalter grenzüberschreitende und vor allem fremdsprachliche Mediennutzung ein Randphänomen geblieben ist. In keiner der mächtigsten zehn Nationen der Welt liegt der durchschnittliche Anteil der Auslandsnutzung von Medien durch die Bevölkerung im Netz höher als 7Prozent, oft sind die Nutzungszahlen kaum noch messbar und in anderen Teilen der Welt sieht es nicht anders aus (Zuckerman 2013, S.52ff., vgl. a. Elvestad 2009, Fenyoe 2010, Finnemann et al. 2012). Ein transnationaler Strukturwandel (der Mediennutzung) ist aus dieser Sicht nicht durch die Digitalisierung begünstigt worden; von einem Wandel zu einem „Weltmediensystem“ ganz zu schweigen. Historisch betrachtet scheinen analoge Medienrevolutionen wie die Einführung des Telegrafen für das globale Nachrichtenwesen viel revolutionärer gewesen zu sein als das Internet.
Hans-Jürgen Bucher hat allerdings darauf hingewiesen, dass gerade in Krisenzeiten eine verstärkte globale Mediennutzung zu beobachten ist (2005). Seit dem Kosovokrieg, den Attentaten des 11. Septembers 2001 und dem Irakkrieg 2003 suchen kritische Segmente des Publikums im Internet nach Informationen in digitalisierten klassischen wie auch in alternativen Massenmedien, die sie in ihren Heimatmedien nicht bekommen. Zwar ist die Qualität dieser erweiterten Hypermedialität umstritten, da die Quellen zum Teil dubios sind (Lewis 2010, S.123). Gerade soziale Bewegungen haben aber Medien gebildet, die nicht nur alternative globale Öffentlichkeiten erzeugen können, sondern auch als „Interlokutoren“ fungieren und Medienagenden grenzüberschreitend verbinden können (Volkmer 2014, S.141ff., vgl. a. Kap. 5). Zugleich sind die zeitlich begrenzten und auf Informationseliten beschränkten Reichweiten dieser Prozesse noch zu geringfügig, um von einem globalen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ (Bucher 2005, S.214) sprechen zu können.
Fazit: Interdependenzlücken und die Globalisierung der zwei Geschwindigkeiten
Resümierend lässt sich sagen, dass globale Massenmedienkommunikation heute immer noch sehr weitgehend durch nationale Mediensysteme geleistet wird. Der weltweite Flickenteppich aus egozentrierten Mediensystemen ist zwar auf Produktions- und Rezeptionsebene durch transnationale Produktions- und Rezeptionsstrukturen erweitert worden. Diese Komplementarität aber folgt der bestimmenden Regel der Subsidiarität, wonach nationale Systeme nicht nur den größten Teil der Nachrichtenproduktion, sondern auch weite Teile des Unterhaltungswesens beherrschen und durch internationale Produkte allenfalls ergänzen. Transnationale Produkte – CNN, Hollywood – sind zwar große Prestigeprojekte, die dem Medienkonsum eine wichtige globale Komponente hinzufügen, ohne aber die Vorherrschaft lokaler Strukturen zu beseitigen.
Im Bereich von Medienpolitik und -recht setzt der Nationalstaat zudem noch immer entscheidende Rahmenbedingungen, die durch technisch-funktionale globale Regelungen eher ergänzt als ersetzt werden. Medienmärkte sind nur sehr bedingt global interdependent. Anders als die interaktiven Sozialsysteme der Politik, Wirtschaft usw. verbleibt die massenmediale Kulturproduktion in ihrem primären Modus der (Welt-)Beobachtung strukturell hochgradig selbstreferenziell. Von dieser Tendenz ausgenommen sind alternative Informationsflüsse und Öffentlichkeiten, die auf eine Globalisierung der „zwei Geschwindigkeiten“ verweisen. Globale Massenkommunikation ist ein Minderheitenphänomen, wobei Informationseliten sowohl unter Produzenten wie auch Konsumenten systematisch versuchen, nationale Grenzen des Medienraums zu erweitern und eine stabile Weltöffentlichkeit zu erzeugen.