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2.2.2 Öffentlichkeitstheorie

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Theoretische Perspektiven auf die „Weltöffentlichkeit“

Die Diskurspraxis der globalen Massenkommunikation, wie wir sie bisher skizziert haben, lässt sich nicht nur aus diskursanalytischer, sondern auch aus medientheoretischer Sicht beurteilen. Die deliberative Öffentlichkeitstheorie, die vor allem auf Jürgen Habermas (1990, 1992, 1995) zurückgeht, aber auch zahlreiche andere Autoren inspiriert hat, stellt vergleichsweise hohe Anforderungen an den Diskurs. Öffentlichkeit besitzt demnach eine zentrale Legitimierungsfunktion für die Demokratie (Beierwaltes 2002). Sie muss zudem „ubiquitär“ sein, also Fragen allgemeiner Relevanz behandeln, „reziprok“, das heißt Hörer- und Sprecherpositionen simulieren, möglichst „offen“ gegenüber verschiedenen Themen und „diskursiv“ im Sinne der Berücksichtigung rationaler Einwände (Peters 1994, S.45ff.). Hinzu kommt der Aspekt der Konsensbildung zur Problemlösung und gesellschaftlichen Integration, der allerdings in der agonistischen Öffentlichkeitstheorie bestritten wird, da eine Einigung oft schwer zu erzielen ist und Integration durch den Diskurs an sich erfolgt (Mouffe 2005, S.69ff.). Die Kriterien beschreiben im Detail das, was wir bislang mit „Responsivität“ und „Interdiskursivität“ bezeichnet haben. Im globalen Raum geht es also um die grenzüberschreitende Reflexion anderer Positionen aus anderen Ländern. Die Kernfrage aus Sicht der Öffentlichkeitstheorie besteht somit darin, ob nationale Mediensysteme und wenige transnationale Medien trotz schwacher Systeminterdependenz ihre Systemumwelten – die Öffentlichkeiten anderer Länder – adäquat repräsentieren können.

Interessant ist hier, dass die meisten Empiriker der Konvergenz (vgl. Kap. 2.2.1), egal ob sie eher Pessimisten oder Optimisten sind, im Kern dieselben öffentlichkeitstheoretischen und normativen Konvergenzziele verfolgen, auch wenn sie die Umsetzung in der Gegenwart unterschiedlich bilanzieren. Auch Diskurspessimisten wollen also Konvergenz, sehen aber Domestizierung als vorherrschend an, da sowohl Thematisierung und Framing als auch visuelle Gestaltung stark lokal gefärbt sind. Eine funktionierende Weltöffentlichkeit kann bei einer derartig eingeschränkten Synchronisation auf diese Weise nicht entstehen (Sparks 1998, 2000, Couldry 2014).

Nancy Fraser hat darauf hingewiesen, dass das Konzept Öffentlichkeit für den globalen Raum insofern neu durchdacht werden muss, als zum Beispiel gar nicht unmittelbar klar ist, in welcher Sprache der Diskurs geführt werden soll und wer die relevanten Akteure (Staaten, Gegeneliten) und Publika sein sollen (Fraser 2014, S.27). Weltöffentlichkeit kann entweder durch die Synchronisierung nationaler Öffentlichkeiten in national getrennten Mediensystemen oder durch die Etablierung eines transnationalen Mediensystems geleistet werden (Ulrich 2016, S.111ff.). Beide Modelle haben Vor- und Nachteile, da ein transnationales Mediensystem sich die Filterung durch nationale Systeme ersparen würde, nationale Systeme aber auch als nationale „Übersetzungshilfen“ und Kontextualisierungen für internationale Probleme fungieren können. Die meisten Theoretiker neigen daher zum pragmatischen Verfahren der Synchronisierung durch nationale Systeme, das aber bislang in hohem Maße an der Interdiskursivität gescheitert zu sein scheint. Die Herausbildung eines „Konsenses“ in der Weltöffentlichkeit ist zudem im nationalen Modell technisch kaum möglich, so dass Transnationalismus zumindest als zweite Säule der Weltöffentlichkeit erhalten bleiben muss.

Aus der Perspektive einer anderen Theorie, nämlich der Systemtheorie, ist die deliberative Öffentlichkeitstheorie, egal ob optimistisch oder pessimistisch beurteilt, ohnehin nichts als ein Ausdruck des „Hyperglobalismus“ (Werron 2010, vgl. Kap. 2.2.1). Aus Sicht der Systemtheorie in der Tradition Niklas Luhmanns erscheint es nicht so wichtig, wie sich Nationen durch Mediendiskurse verbinden und ob sie sich synchronisieren, sondern dass sie sich verbinden, denn jede Form der Konnektivität birgt die Chance auf gesellschaftliche Anschlusskommunikation (Luhmann 1970, Axford 2012, S.38, 45). In der Systemtheorie geht es primär um eine Reduktion von Umweltkomplexität, die Themenstrukturierungsleistung der Medien an sich ist wichtiger als ein bestimmter partizipativer und demokratischer Modus (Böckelmann 1975). Bei Luhmann ist daher auch „Weltgesellschaft“ vergleichsweise offen definiert, sie entsteht durch beliebige grenzüberschreitende Kommunikation und hat keinerlei Verwandtschaft mit dem Konstrukt der globalen Zivilgesellschaft (global civil society) (vgl. Kap. 5). In der Systemtheorie ist weder Qualität des Journalismus noch die Frage, ob Information oder Unterhaltung vermittelt wird, von Belang. Vielmehr steht eine postmoderne Ansammlung disperser Individualmeinungen im Vordergrund. Aus dieser Sicht gibt es am derzeitigen Zustand des globalen Mediendiskurses nichts auszusetzen. Fragmentarische Themenhaushalte und Frames, verbale und visuelle Stereotype oder auch defizitäre Sprecherreferenzialität sind in dieser Wissenschaftsschule samt und sonders legitime Weltbildkonstruktionen der Postmoderne.

Die Rolle der Weltöffentlichkeit für die Weltgesellschaft

Allerdings werden die Grenzen dieser Sichtweise deutlich, wenn man versteht, dass mit ihr auch Kriegspropaganda und rassistische Aufladungen in Massenmedien gerechtfertigt werden können (Hafez 2010, 2017b). Zwar sollte man die strukturelle Überforderung der deliberativen Theorie der Weltöffentlichkeit erkennen. Zugleich muss man aber vor der strukturellen Unterforderung durch die Systemtheorie warnen, die als grundlegende Makrotheorie keine praktikable Gesellschaftstheorie zu sein scheint. Medien verfügen aus der Sicht der deliberativen Öffentlichkeitstheorie über ein „ambivalentes Potenzial“ insofern, als sie durch ihre Angebote einerseits die Grundlagen zur Herstellung von Öffentlichkeit legen, die Medien aber den Raum der möglichen Kommunikation andererseits „hierarchisieren und einschränken“ (Burkart/Lang 2004, S.63ff.). Im Falle der globalen Kommunikation lassen sich Wirkpotenziale der globalen Massenkommunikation innerhalb wie außerhalb nationaler Systeme beobachten, die unter den Begriffen „Kosmopolitismus“ und „Global Governance“ firmieren können.

Auslandsberichterstattung hat direkte Auswirkungen auf die Haltung der Gesellschaft zu Fragen des Kosmopolitismus, Multikulturalismus und Rassismus. Menschen greifen in der Tendenz bei Fernbildern auf Medienwissen und bei Nahbildern auf eigene Erfahrungen zurück (Kruck 2008). Probleme entstehen insofern, weil Rassismus auf Vorurteilen gegenüber dem „abwesenden Fremden“ basiert, also keine Reaktion auf Fremde in der Nahumwelt ist, sondern die in den Medien konstruierte „chaotische Welt“, die dann aber auf die „Fremden“ in der Nahwelt („die Ausländer“ usw.) übertragen wird, zu denen kein Konkakt und über die also kein direktes Erfahrungswissen besteht (Chouliaraki 2006, Hafez 2002a, Bd.2, S.261ff.). Dabei darf man allerdings den Einfluss anderer Sozialisationsinstanzen (Familie, Gemeinschaft, Institutionen) auf Kernwerte des Menschen nicht unterschätzen (Hafez 2011, S.488f.).

Was die Frage der internationalen Wirkungen angeht, so gilt ein großer Teil der Rezipienten und Rezipientinnen als „passiv“, da diese an Auslandsnachrichten wenig interessiert sind oder primär auf Meinungen der Eliten, die sie in den Medien vorfinden, reagieren (die ihrerseits aber öffentliche Werte und Stimmungen antizipieren) (Powlick/Katz 1998). Die meisten Studien fragen dabei allerdings nach dem Interesse der Rezipienten und Rezipientinnen an internationaler Politik, nicht aber an der Welt als solches (Hafez 2011, S.490f.), was seinen Grund wohl darin hat, dass die Forschung annimmt, dass die meisten Publika ohnehin eher auf konkrete und konfliktive Ereignisse und nicht auf Lebensweltentwicklungen reagieren (Wanta/Hu 1993). In jedem Fall ist man sich einig, dass ohne Medienresonanz des Globalen auch keine Debatten über das Globale entstehen. Je mehr über ein Land berichtet wird, umso eher gehen Rezipienten davon aus, dass dieses Land bedeutsam ist; je negativer dies geschieht, umso negativer ist in der Regel auch das entsprechende Nationenbild der Menschen (Wanta et al. 2004, vgl. a. Iyengar/Simon 1993). Die Medienabhängigkeit der meisten Menschen wächst mit der Distanz des Publikums zum Weltgeschehen (vgl. a. Kap. 9.2).

Alternative Öffentlichkeitstheorien: „dialogischer“, konstruktiver und kosmopolitischer Journalismus

Was die Frage der innergesellschaftlichen Wirkung und des Kosmopolitismus angeht, so findet sich ein frühes Plädoyer für einen „dialogischen“ Auslandsjournalismus bei Hans Kleinsteuber (2004). Seine Vorstellung eines stärkeren Einbezugs lokaler und kultureller Perspektiven in den Journalismus zielt auf eine Belebung des „Dialogs der Kulturen“. Dieser soll der multikulturellen Gesellschaft neue Impulse verleihen und will die Interdiskursivität verbessern, die nicht mehr vorwiegend auf negative, eliten- und politikorientierte Nachrichten oder stereotype Unterhaltungsware Wert legt, sondern den Vorstellungsraum der interkulturellen Beziehungen erweitern soll. In ähnlicher Weise hat auch Richard C. Stanton auf das Erfordernis eines neuen „Konversationsansatzes“ (conversational model) hingewiesen, der das Informationsparadigma des Journalismus ergänzen müsse (2007, S.190ff.). Entscheidend sind demnach nicht mehr nur Nachrichten über elitäres Handeln, sondern die Interessen von Bürgern und der Zivilgesellschaft sollen im Vordergrund stehen.

Deutet man diese Ansätze auf Basis der Habermasianischen Öffentlichkeitstheorie, so wird von beiden Autoren eine Akzentverschiebung von der System- zur Lebensweltberichterstattung verlangt. In diese Richtung weisen auch Ansätze des „konstruktiven“ beziehungsweise „positiven Journalismus“, die sich durch eine Hinwendung zu Lebenswelthemen eine Korrektur des Negativbias von Auslandsnachrichten versprechen (Hafez/Grüne 2015). Derartige Ansätze machen deutlich, dass die Negativitätsfixierung der Auslandsberichterstattung nicht zuletzt den Populismus stärkt (Haagerup 2014, Russ-Mohl 2017). Eine entsprechende Neudefinition der Nachrichtenwerte wird gefordert.

In eine ähnliche Richtung zielen Ansätze eines „kosmopolitischen Journalismus“, wenngleich unter leicht veränderten Vorzeichen. Negativanlässe sollen hier nicht weniger vom Journalismus beachtet werden, wie im „konstruktiven Journalismus“, sondern gezielt erörtert werden, zum Beispiel bei Fluchtkrisen. Allerdings sollen die Ereignisse anders interpretiert werden als in der konventionellen Medienberichterstattung. Nicht mehr die stereotype Darstellung von Geflüchteten als bedrohliche Masse, sondern individuelle Schicksale und vor allem die Mitverantwortung der internationalen Politik und der Großmächte sowie die komplexen politischen und ökonomischen Weltbeziehungen sollen im Vordergrund stehen (Chouliaraki 2006, Silverstone 2007, Lindell/Karlsson 2016, Schmidt 2017).

Hier besteht zugleich eine Verwandtschaft zum dialogischen wie auch zum konstruktiven Journalismus, da auch im kosmopolitischen Journalismus Interdiskursivität wichtig ist, um die Reflexivität über „das Eigene und das Fremde“ zu verbessern und so kosmopolitische Impulse in die Einwanderungsgesellschaft zu senden. Alle drei alternativen Strömungen der Öffentlichkeitstheorie verschmelzen daher gewissermaßen in Ingrid Volkmers Ansatz zur „reflexiven Interdependenz“ der Weltöffentlichkeit, in dem sie Interdiskursivität, Lebensweltorientierung und Kosmopolitismus als neue Horizonte skizziert (2014, S.163ff.). Sich explizit auf Habermas, aber auch auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Immanuel Kant und John Rawls beziehend, beschreibt sie die gesellschaftlichen Veränderungen der Globalisierung insofern als fundamental, als Menschen im global reflexiven Journalismus nicht als „Fremde“, sondern als das globale „Selbst“ in Erscheinung träten. Die gesellschaftliche Reproduktion lokaler Identitäten, die durch isolierte Mediendiskurse entsteht, soll so abgemildert werden.

Weltöffentlichkeit und Global Governance: das Beispiel Europas

Europa und die Europäische Union sind ein Beispiel dafür, wie Medienberichterstattung sich auf die internationale Politik auswirkt. Als zentrales Ergebnis von Inhaltsanalysen kann festgehalten werden, dass eine gewisse thematische Konvergenz der Europaberichterstattung in den nationalen Medien Europas als Mindestkriterium einer europäischen Öffentlichkeit vorhanden ist. Jedoch ist das Framing vielfach national geprägt und wenig interdiskursiv ausgerichtet. In der wissenschaftlichen Literatur wird die mediale Domestizierung als hinderlich für die spezifische Form der Global Governance innerhalb der EU betrachtet, da diese zwar kein Bundesstaat ist, aber seit den Verträgen von Maastricht 1992 ein mit starken transnationalen Kompetenzen ausgestatteter Staatenbund (Splichal 2012, S.145ff.). Da aber die Medien und die Medienpolitik fast gänzlich in der Hand der Nationalstaaten liegen, somit der Einfluss der nationalen Politik auf die Medien enorm hoch ist, werden dezentrale Positionen gestärkt und die europäische Konsensbildung erschwert, während die Brüsseler Politik beständig um ihr Image kämpfen muss, weil sie als einzige politische Kraft über keinen strukturell abgesicherten Medieneinfluss verfügt.

Die meisten Autoren fordern in dieser Situation weniger die Schaffung transnationaler Medien als die bessere Verzahnung der nationalen Medien, um die Interdiskursivität der Medien zu verbessern (Habermas 2001, S.120, vgl. a. Gerhards 1993, 2000, Wessler/Brüggemann 2012, S.62). Die Vorstellung der Etablierung transnationaler europäischer Medien wird hingegen als „naives Modell“ bezeichnet, denn eine globale Nachrichtensendung von hoher Reichweite werde es „sicherlich nie geben“ (Wessler/Brüggemann 2012, S.65, vgl. a. Lingenberg 2010, S.118). Allerdings ist anzumerken, dass historisch wohl noch keine politische Formation entstanden ist, die nicht über die ihr entsprechenden Medien verfügte. Wie der moderne Nationalstaat von nationalen Medien begleitet und ermöglicht wurde, werden wohl auch globale Politikformen nur dann erfolgreich sein, wenn es wirkliche transnationale Medien gibt, die nicht mehr wie die heutigen Medien CNN, Al-Jazeera usw. im Grunde an Nationalstaaten gekoppelt sind. Die neuen Medien müssten nationale Medien nicht ersetzen, da diese innerhalb ihrer Sprachräume ideal angepasst und potenziell wichtige „Übersetzer“ in der Globalisierung sind. Sie wären aber gerade unter Krisenbedingungen weniger anfällig für nationale Alleingänge und könnten insofern die Informationsdefizite europäischer Bürger effektiver kompensieren (Morganti/Audenhove 2011). Das nationale Arenenmodell von Habermas und anderen wird daher andernorts als „Fehlkonzeption“ (misconception) bezeichnet, so dass wir von einer schwelenden wissenschaftlichen Kontroverse über die Etablierung unabhängiger europäischer Medien sprechen können (Ambrosi 2011, S.240).

Europa steht damit beispielgebend für andere transnationale Räume wie die Vereinten Nationen, Mercosur, NAFTA, die OECD oder ASEAN vor einem komplexen Entwicklungsproblem. Wenn Öffentlichkeit zur Legitimation von Herrschaft in der Moderne wichtig ist, dann wird Global Governance wahrscheinlich nur durch ein komplexes Zusammenspiel von stärker synchronisierten nationalen Medien und als unabhängige Instanzen etablierten transnationalen Massenmedien unterstützt werden. Man könnte auch von einer Kombination aus horizontaler und vertikaler globaler Massenkommunikation sprechen. Sowohl der „Brexit“ (ab 2016) als auch die Griechenlandkrise (ab 2010) haben neben allen politischen und ökonomischen Verwerfungen ihre Ursache auch im Versagen nationaler Medien im Kontext der EU. Massenmedien weiterhin als nationale Kulturgüter zu betrachten, wie es die europäischen Verträge der EU tun, während man zugleich Europawahlen abhält, ist eine Konstruktion, deren innere Widersprüche sich nicht allein durch Appelle an eine pan-europäische Medienethik lösen lassen werden, sondern immer auch durch Weiterentwicklungen der bestehenden Mediensysteme realisiert werden müssen. Zu den nationalen Arenen als Ort der Transnationalisierung muss also geradezu zwangsläufig ein direkter medialer Draht zwischen europäischen Bürgern und Bürgerinnen, dem Parlament in Straßburg und der Brüsseler Exekutive durch pan-europäische Medien und verbesserte journalistische Vernetzungen kommen (Ratavaara 2013). Mit dem wachsenden Zuspruch, den solche pan-europäischen Medien bei den Konsumenten fänden, würden sie auch in die Rolle von Leitmedien des nationalen europäischen Journalismus im Prozess der Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten hineinwachsen, was den derzeitigen Medien wie Euronews noch nicht hinreichend gelingt (Brüggemann/Schulz-Forberg 2009).

Gesamtfazit: Weltöffentlichkeit, Weltgesellschaft und verzögerter Strukturwandel der Massenmedien

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass globale Massenkommunikation von transnationalen Kommunikationsflüssen sowie von einer zunehmenden Zahl transnationaler Medien und transnationaler Medienstrukturen auf allen Ebenen (Medienethik, -produktion, -rezeption, -regulation, -ökonomie) gekennzeichnet ist. Die nationale oder geokulturelle Prägung der meisten Medien ist aber strukturell, das heißt im Organisationsaufbau sowie in den primären Umweltbezügen von Politik, Ökonomie und Märkten nicht zu verleugnen. Diese globale Interdependenzlücke der globalen Massenkommunikation korreliert, ohne allzu strukturalistisch argumentieren zu wollen, in hohem Maße mit fragmentarischen, national oder anderweitig lokal gefärbten Mediendiskursen. Es gibt bislang keine Hinweise, dass im Internet in markanter Weise und von Nischen abgesehen ein echter globaler Gegenentwurf zum partikularen Journalismus entstünde.

Systemtheoretisch weitgehend irrelevant, stellt die aktuelle Situation aus der Perspektive deliberativer Öffentlichkeitstheorien insofern eine Herausforderung für das Konstrukt der Weltöffentlichkeit dar, als eine wünschenswerte Synchronisierung weltgesellschaftlicher Wahrnehmungen bislang nicht von einem Strukturwandel der Medien abgesichert wird. Die globale Zivilgesellschaft tut daher gut daran, jenseits der Massenmedien ihre eigenen Kommunikationsformen zu etablieren (vgl. Kap. 5 und 6). Dass diese die zentrale Orientierungsfunktion der Massenmedien weder innen- noch außenpolitisch ersetzen können, wird in der alternativen Öffentlichkeitstheorie moniert und bleibt ein zentrales Problem der Globalisierung.

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