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2.2.1 Diskursanalyse

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Grundlagen: Interdiskursivität, Konvergenz und Domestizierung von Mediendiskursen

Das „Weltbild“ der Medien ist ein Diskurs, der textlinguistisch aus Makro- und Mikropropositionen besteht (van Dijk 1988, Hafez 2002a, Bd.1, S.45ff.). „Themen“ beispielsweise sind Makropropositionen eines Textes, die eng mit der kommunikationswissenschaftlichen Theorie des Agenda Setting verbunden sind, also mit der Frage, worüber Medien (und infolgedessen Rezipienten und Rezipientinnen) nachdenken. Themen umfassen ihrerseits Mikropropositionen wie Frames und Stereotype, also handlungsorientierte Argumentmuster eines Textes wie auch attributive Charakterisierungen (z.B. von Nationen oder sozialen Gruppen) (Entman 1993, Thiele 2015). Während Themen-, Framing- und Stereotypenanalysen auf Basis von Einzeltexten untersucht werden können, umfasst der Diskursbegriff auch Beziehungen zwischen Texten (Intertextualität, Konerding 2005). Der öffentliche Diskurs ist kein interaktives Gespräch im Sinne einer gemeinsamen Sinnproduktion, er bleibt monologisch, verfügt aber insofern über dialogähnliche Eigenschaften, als intertextuelle Bezugnahmen zu anderen Texten erkennbar sind. Intertextuelle Diskurse wiederum besitzen eine Integrationsfunktion und erzeugen durch ihre sprachliche Verständlichkeit Diskursgemeinschaften (Öffentlichkeiten).

Die Frage ist nun, inwieweit die strukturell relativ getrennten nationalen Mediensysteme dieser Welt eine transkulturelle Mittlerfunktion wahrnehmen, indem sie nationale Diskurse miteinander synchronisieren und einen globalen und transkulturellen „Interdiskurs“ schaffen, wobei Eigen- und Fremdverstehen verbunden werden (Hafez 2002a, Bd.1, S.163ff.). Kongruenz und Differenz der lokalen Diskurse müssten dazu in der Auslandsberichterstattung ermittelt und „übersetzt“ werden. Dabei kann es zu erheblichen Schwierigkeiten kommen, da sich nicht nur die Themenauswahl und die Interpretationen in verschiedenen Diskursgemeinschaften unterscheiden können, sondern auch das Kontextwissen mit der Entfernung zum internationalen Geschehen naturgemäß abnimmt und vom Auslandsjournalisten vermittelt werden muss (Hafez 2002a, Bd.1, S.65f.). Der Prozess wird auch dadurch verkompliziert, dass akustische, visuelle und textuelle Zeichen unterschiedliche Logiken in der globalen Kommunikation haben. Während Musik und Bilder relativ einfach Grenzen überschreiten und scheinbar „selbsterklärend“ sind, müssen Texte übersetzt, aufbereitet und kontextualisiert werden. Aber auch Bilder sind nur auf den ersten Blick nicht erklärungsbedürftig und daher oft hochmanipulativ.

An die interdiskursive Synchronisation werden verschieden strenge Maßstäbe angelegt. Aus der Konvergenzperspektive besteht die Aufgabe des Journalismus darin, Diskurse anderer Systeme nicht nur umfassend und exakt wiederzugeben, sondern sie auch im Eigendiskurs sinnvoll zu erklären und somit nationale Diskurse zu verbinden und globale Perspektiven zu erzeugen (Stanton 2007, Hafez 2002a, Bd.1, S.24ff.). Als zentrale Merkmale gelten a) Themenkonvergenz, b) zeitliche Synchronität und Intensität und c) Deutungs- und Sprecherkonvergenz (Tobler 2006, Ulrich 2016, S.114). Die Unterscheidung zwischen Deutungs- und Sprecherkonvergenz ist insofern wichtig, als zwar Deutungen von Themen national abweichen können, außernationale Diskurse aber durch Sprecher repräsentiert sein müssen, so dass Responsivität entsteht. Die Vorstellung konvergenter Interdiskursivität in der Weltöffentlichkeit orientiert sich an der deliberativen Öffentlichkeitstheorie (vgl. Kap. 2.2.2).

Aus der Domestizierungsperspektive wird Auslandsberichterstattung für nationale Zielgruppen konzipiert, wobei die Art der Weltbildkonstruktion keine Referenzen jenseits des eigenen, geradezu autarken Beobachtungssystems berücksichtigen muss (Renneberg 2011, S.45ff.). Die Konvergenzsicht kritisieren diese Autoren als „methodologischen Konnektivismus“ (Werron 2010, S.143), dem sie eine Art unverbundene Medienmoderne entgegensetzen. Diese unterschiedlichen Theorieansätze sollen in Kapitel 2.2.2 vertieft werden. Zuvor allerdings beschäftigen wir uns mit dem empirischen Ist-Zustand des globalen Mediendiskurses, der ebenfalls kontrovers beurteilt wird.

Fragmentierte Nachrichtenagenda: die Spitze des Eisbergs der Globalisierung

Es ist ein grundsätzliches Paradoxon, dass in der Ära der Globalisierung die Aufmerksamkeit für Auslandsnachrichten nicht gestiegen, sondern eher gesunken ist (Willnat et al. 2013, Ulrich 2016, S.118ff., Russ-Mohl 2017, S.162f., Norris 1995). Das Auslandsinteresse des Publikums ist nicht einheitlich, es ist insbesondere in kleineren Staaten oft größer und wächst, sobald einheimische Akteure beteiligt sind (home news abroad) (Hanitzsch et al. 2013). Aber historische Zäsuren machen sich bemerkbar und das Ende des Ost-West-Konflikts hat eher zu einem Rückgang des Weltinteresses geführt. Talkshows in großen Industriestaaten wie Deutschland beschäftigen sich ganz überwiegend mit nationalen und kaum mit internationalen Fragen (Schultz 2006, S.168ff.). Das Interesse kann jedoch sehr starke kurzfristige Schwankungen aufweisen und insbesondere internationale Krisen und Kriege mit bedrohlichem Charakter wie die Attentate des 11. September 2001 oder der Irakkrieg 2003 haben für eine begrenzte Zeit die Aufmerksamkeit erhöht.

Ganz generell ist die Logik interessant, nach der in den jeweiligen nationalen Mediensystemen Länder und Themen beachtet oder ignoriert werden. Es lässt sich am besten durch einige zentrale diskursstrukturelle Theoreme erklären (Hafez 2002a, Bd.1, S.51ff., 2005, S.39ff.). Auslandsnachrichten überwinden die Schwelle der Berichterstattung zumeist nur, wenn diese entweder aus dem regionalen Ausland oder aus den „Weltmetropolen“ (z.B. USA, Russland, China), also aus Ländern mit hohem Machtstatus, stammen. Sie sind vielfach politik- und eliten- und weniger lebensweltorientiert und konzentrieren sich oft auf negative Nachrichten über Konflikte, Kriege und Katastrophen. Diese Logik lässt sich nicht nur durch viele empirische Fallstudien erhärten, sondern stützt sich auf Nachrichtenfaktoren wie politische und ökonomische Zentralität, Konfliktorientierung oder kulturelle Nähe und Distanz (Williams 2011, S.146ff., Cazzamatta 2014, 2018a/b, 2020). Das Resultat dieser Gatekeepingprozesse sind extrem fragmentarische Weltbildkonstruktionen der Medien, in denen viele Staaten ohne akute Konflikte oder Machtstatus kaum Resonanz finden, während Krisenregionen und Großmächte überpräsent sind und eine hegemoniale Weltnachrichtenlage erzeugen. Negativismus ist zwar eine allgemeine Tendenz des Journalismus auch in der Inlandsberichterstattung, aber bei Auslandsnachrichten sind Länderimages wegen der knappen Platzkapazitäten besonders stark betroffen und insbesondere Entwicklungsländer treten selten und wenn zumeist negativ in Erscheinung (Zuckerman 2013, S.79ff., Hafez 2002a, Bd.2, S.125ff.).

Da allerdings jedes Land ein anderes regionales Umfeld besitzt, sind die Nachrichtengeographien der Mediensysteme nicht einheitlich, sondern unterhalb der dünnen „Spitze des Eisbergs“ von Weltnachrichten über Krisenregionen und Metropolenstaaten werden ganz verschiedene Themen und Länder beachtet. Das Ergebnis ist eine doppelt geschichtete globale Diskursverschiebung, bestehend aus einer sehr verengten, das Nord-Süd-Gefälle betonenden weltweit geteilten globalen Agenda und separierten nationalen Auslandsgeographien und Themensetzungen. Trotz starker Konvergenz von Nachrichtenwerten und Professionsstandards der Medienethik weltweit (vgl. Kap. 2.1) hat sich also an der Domestizierung von globalen Nachrichtenlagen der Massenkommunikation wenig geändert. Eine Ausweitung und qualitative Verdichtung der Diskurse, die gezielt thematische Leerstellen kompensiert und Nachrichtenwerte im Sinne einer globalen interdiskursiven Synchronität umbaut, sind nicht in Sicht. Starke Domestizierung ist vorherrschend.

Vergleichende Großstudien belegen dies seit Jahrzehnten (u.a. Sreberny-Mohammadi et al. 1985, Wu 2000, 2003, Pietiläinen 2006, Cohen 2013a, Heimprecht 2017). Lokale Faktoren sind demnach in der Auslandsberichterstattung für die Themen- und Länderauswahl auschlaggebend, der Regionalismus schlägt in allen Ländern durch, wenngleich bei Entwicklungsländern etwas weniger als bei Industrieländern, da hier die Metropolenorientierung und globale Agenda etwas stärker ausgeprägt sind (de Swert et al. 2013, Wilke et al. 2013). Selbst innerhalb regionaler Räume wie Europa ist zwar die Aufmerksamkeit für einzelne Nachbarländer größer (Regionalismus), aber EU-Themen und Akteure der EU spielen nur eine Nebenrolle in den stark national fixierten Öffentlichkeiten (Machill et al. 2006, Pfetsch et al. 2008). Die national gefärbten und desintegrierten Medienagenden stellen die Annahme einer Globalisierung von Mediendiskursen oder gar eines kosmopolitischen „globalen Dorfes“ (McLuhan) auf der inhaltlichen Ebene in Frage (Cohen 2013b).

Eine Reihe von Studien zeigen, dass der Online-Journalismus sowie Suchmaschinen wie Google-News und Yahoo, also nicht-klassische Massenmedien, hier, anders als erhofft, kaum eine Verbesserung gebracht haben. Die eingeschränkte Nachrichtengeographie bleibt dieselbe (Gasher/Gabriele 2004, Wu 2007, Wang 2010). Kevin Williams: „The geography of online content reflects the imbalances of the traditional mainstream media; web technology has not drastically changed what is reported as international news“ (2011, S.161). Nicht einmal Hyperlinks zu ausländischen Websites haben sich im Online-Journalismus durchgesetzt (Chang et al. 2009).

Nur wenigen Themen wie die Klimafrage gelingt es, sich in den Massenmedien weltweit mit ähnlichen Subthematiken Geltung zu verschaffen, was dem Charakter von Umweltthemen geschuldet sein dürfte, in verschiedenen Teilen der Welt ähnlich stark beachtet zu werden (Ivanova 2017). Bei politischen Themen wie den Vereinten Nationen allerdings zeigt sich, dass die Sichtweise internationaler Institutionen länderspezifisch ist oder sich ländertypische Cluster bilden, wonach Kriegskonflikte eher in Industrieländermedien und Strukturkrisen wie Armut in den Medien der Entwicklungsländer dominieren (Ulrich 2016, S.301ff.). Die vorherrschenden Professionsstandards und Nachrichtenfaktoren, globalen Leitmedien und Nachrichtenagenturen verhindern zwar, dass Mediensysteme autark sind, sich abschotten und ermöglichen zeitweise dynamische Öffnungen und kurzfristige Internationalisierungen der Diskurse. Gerade soziale und kulturelle Entwicklungen werden aber oft ignoriert und bleiben schwache Prädiktoren eines thematisch wenig konvergenten globalen Mediendiskurses. Zwei Drittel der Landmasse und der Bevölkerung dieser Erde in Asien, Afrika und Lateinamerika bleiben in westlichen Medien, von wenigen, oft negativen Ausnahmen abgesehen, weitgehend unsichtbar (Williams 2011, S.145f.).

Globales Framing oder domestizierte Diskurse?

Um die Synchronität globaler Mediendiskurse aus den Perspektiven von Konvergenz und Domestizierung beurteilen zu können, müssen neben Makropropositionen wie der thematischen Medienagenda auch Mikropropositionen wie Stereotype und Frames untersucht werden. Hier geht es nicht mehr wie beim Themenhaushalt um die Frage, was berichtet wird, sondern wie dies geschieht. Als locus classicus der Forschung gelten mittlerweile die Arbeiten von Michael Gurevitch, Mark R. Levy und Itzhak Roeh, die bereits 1991 gezeigt haben, dass selbst ein- und dasselbe Thema in verschiedenen nationalen Mediensystemen sehr unterschiedlich dargestellt werden kann, was sie als „Domestizierung des Fremden“ (domestication of the foreign, S.206) bezeichneten. Die Vorstellung, in einer durch Nachrichtenagenturen und globale Medienkonzerne verbundenen Welt automatisch auch mit globalen Perspektiven versorgt zu werden, erweist sich angesichts des nationalen Systemcharakters der Medien als unhaltbar, da Stereotype und Frames auch in der Gegenwart vielfach national geprägt bleiben.

Am deutlichsten erkennt man dies an Nationen- und Religionsstereotypen. Stereotype sind anders als Frames pauschale Zuschreibungen kultur-mentaler Charaktereigenschaften, die für eine bestimmte Gruppe oder ein Land als typisch erachtet werden und die auch in modernen Mediensystemen eine erstaunliche Überlebensfähigkeit zeigen, so dass die Zahl der Studien hier schier unüberschaubar ist (vgl. die Metastudie von Thiele 2015). Da analytisch die Abgrenzung zwischen Stereotypen (als pauschalen Attributen für Nationen und Gruppen) und Frames (als argumentative Rahmung einer Handlung) schwierig ist (Hafez 2002a, Bd.1, S.47f.), werden in der Forschung diese verschiedenen Mikropropositionen des Diskurses häufig in Kombination untersucht. Viele Studien zeigen die starke Vorurteilsneigung von Auslandsberichterstattung etwa wenn es um Themen wie Islam (Hafez 2002a, Bd.2, S.207ff., Schiffer 2005, Poole/Richardson 2006, Mertens/de Smaele 2016) oder um Nationenstereotype geht (u.a. von Bassewitz 1990, Marten 1989, Tzogopoulos 2013). Stereotype existieren heute gerade auch im fiktionalen Bereich, umfassend erforscht wurden zum Beispiel Araber-Stereotype in Hollywoodfilmen (Shaheen 2009, Kamalipour 1995). Ethnische und religiöse Stereotype in fiktionalen und nicht-fiktionalen Medien sind nicht nur der Rohstoff für die Weltbilder des Rassismus und rechtspopulistischen Anti-Globalismus (Hafez 2013). In einem global integrierten Mediensystem hätten sie wohl auch keine Überlebenschance, da sie an die Diskriminierten selbst nicht verkaufbar wären. Wegen der strukturellen Interdependenzlücke globaler Massenkommunikation aber können sie in den nach wie vor stark isolierten nationalen Diskursgemeinschaften überleben. Auch wenn Massenmedien sicher nicht nur Stereotype produzieren, sondern Fakten und reale Zusammenhänge vermitteln, ist die schiere Existenz von Stereotypen in Massenmedien ein Beleg für die starke Domestizierung globaler Massenkommunikation.

Schwieriger ist die Beurteilung bei nicht-stereotypen Frames. Zahlreiche Studien weisen allerdings auch bei der argumentativen Vermittlung internationaler Sachverhalte auf Domestizierungseffekte hin. Hier nur einige Beispiele:

 die Mediendiskurse nach den Anschlägen des 11. September 2001 waren in westlichen und nahöstlichen Medien geradezu konträr und zeigten, wie stark nationale Mediensysteme lokalen Einflüssen ausgesetzt sind (Hafez 2005, S.62ff., vgl. a. Dimitrova/Strömbäck 2008);

 der palästinensisch-israelische Konflikt wird seit Jahrzehnten von beiden Seiten extrem unterschiedlich geframed (Müller 2017);

 die verbreitete Charakterisierung von Kriegen in Afrika als ethnische „Stammeskriege“ statt als Kriege um Macht und Ressourcen ist ein exogenes Framing (Williams 2011, S.150ff., Allen/Seaton 1999);

 beim Thema Terror sind westliche und arabische Mediendiskurse geradezu notorisch unterschiedlich, da zwar beide Sphären den Terror ablehnen, im Westen aber ein Mitverschulden westlicher Nahostpolitik am Terrorismus und im arabischen Raum eigene politische Versäumnisse tendenziell ausgeblendet werden (Badr 2017);

 da Akteure oft als „Sprecher“ und somit Transporteure von Frames in Medien erscheinen, ist von Bedeutung, dass auch bei scheinbar globalen Themen wie den Vereinten Nationen die Sprecherreferenzen deutlich national geprägt sind (Ulrich 2016, S.398f.);

 auch beim Thema Europa weisen eine Reihe von Studien trotz steigender Wahrnehmung des Themas und transnationaler Sprecherreferenzen (v.a. des EU-Personals und hochrangiger europäischer Politiker) auf zum Teil eklatante inhaltliche Unterschiede eines noch immer hochgradig segmentierten Mediendiskurses in Europa hin (Sievert 1998, de Vreese et al. 2001, Koopmans/Erbe 2003, Brüggemann et al. 2006, Hepp et al. 2012, AIM 2007);

 selbst Projekte des Bürgerjournalismus im Internet wie OhmyNews International oder Groundreport erzeugen vielfach ähnliche Domestizierungen wie die professionellen Medien (Dencik 2012, S.171).

Infolge der zahlreichen Studien der letzten Jahrzehnte haben Autoren wie Akiba A. Cohen (2013b), Kai Hafez (2002a/b, 2005, 2009b, 2011), Richard C. Stanton (2007), Bella Mody (2010), Kristina Riegert (2011) oder Miki Tanikawa (2019) die fortgesetzte Domestizierung von Medieninhalten auch in der Ära der Globalisierung (gerade in Krisenzeiten) betont und transnationale Konvergenz tendenziell in Zweifel gezogen. Diese einst revisionistische und globalisierungsskeptische Sichtweise, die die Einlösung des Konvergenzversprechens der globalen Massenkommunikation bestreitet, wird mittlerweile als der neue „Standard“ oder sogar die neue „Orthodoxie“ in der Wissenschaft betrachtet (Curran et al. 2015, S.1, 14). Zwar üben einige optimistischere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Kritik dahingehend, dass vergleichende Medieninhaltsanalysen verschiedener Länder durchaus auch Konvergenzen im Framing durch Massenmedien aufweisen, was sie damit erklären, dass gerade Weltnachrichtenagenturen eine gewisse vereinheitlichende Wirkung ausüben können (Curran et al. 2015, vgl. a. Wessler/Brüggemann 2012, S.91f., Lück et al. 2015, Volkmer 2014, S.3f., Bucher 2005, S.187f.). Aber auch diese Analysen wenden sich gegen eine Rückkehr zur Konvergenzmetapher des „globalen Dorfes“, die nicht angemessen erscheint, um den Ist-Zustand der Weltnachrichten zu charakterisieren.

In den optimistischeren Befunden, die von höherer Konvergenz ausgehen, werden zudem die systemischen Rahmenbedingungen der Nachrichten ausgeblendet, etwa wenn die Haltung zur Griechenlandkrise in Ländern mit sehr ähnlichen wirtschaftspolitischen Positionen untersucht wird oder aber der Diskurs zur Klimakrise als einem global verbindenden Thema. Die Domestizierung des Framings nimmt nämlich in aller Regel mit dem Grad der konflikthaften Involvierung der Nationalstaaten eklatant zu, da die internen Eigeninteressen der nationalen Systeme sich fast immer hegemonial in den Medien bemerkbar machen. Zudem kommt es bei der Konvergenz von Frames nicht nur darauf an, ob beliebige Argumente sich in verschiedenen nationalen Mediendiskursen niederschlagen, sondern ob die Responsivität sich auf die für den Konflikt zentralen Frames bezieht – was etwa beim Thema Terrorismus trotz gewisser Konvergenzen der Terrordiskurse nicht der Fall ist. Der Copy-and-Paste-Journalismus der Übernahme von Material der Weltagenturen weicht unter Bedingungen einer aktivierten öffentlichen Debatte meist schnell einer starken Eigenprägung der nationalen Mediendiskurse. Konvergenz in der globalen Massenkommunikation ist also bestenfalls eine instabile Größe – die Domestizierung bleibt die Tiefenstruktur der Medienglobalisierung.

Visuelle Globalisierung und Stereotypie

Synchronität durch Interdiskursivität existiert nicht nur auf der Ebene von Texten, sondern auch im visuellen Bereich. Vor allem Bilder steuern im internationalen Nachrichtenwesen die Emotionen der Rezipienten mit Blick auf Länder und Weltentwicklungen (Chaban et al. 2014). Es besteht zudem ein enges Text-Bild-Verhältnis: Das Textframing kann die Wahrnehmung von Bildern und umgekehrt die Bildwahrnehmung das Textverstehen beeinflussen. Einerseits überschreiten Bilder leichter Grenzen als Worte. Andererseits besteht dieser vereinfachte Zugang nur vordergründig, denn Bilder sind ebenso kontextabhängig und erklärungsbedürftig wie Texte (Müller/Geise 2015, S.24ff.). Zwar ist wegen des Fehlens einer „expliziten propositonalen Syntax“ (Geise et al. 2013, S.52) eine Bildanalyse nach dem Prinzip des „visuellen Framings“ schwer zu etablieren. Reduzierte Methoden der Analyse „visueller Stereotype“ untersuchen statt inhärenter Bildaussagen daher lediglich isolierte und häufig wiederkehrende Elemente und Symboliken (Petersen/Schwender 2009). Bilder müssen aber in jedem Fall wie Texte interpretiert werden und müssen vom Journalismus global „interdiskursiv“ behandelt und in nationale Diskurse „übersetzt“ werden.

Da das Bild integraler Bestandteil eines Diskurses ist, verwundert es nicht, dass hier dieselbe Grundproblematik von Konvergenz und Domestizierung diskutiert wird. Frauenzeitschriften etwa werden heute vielfach von international agierenden Verlagen herausgegeben, die visuellen Diskurse gleichen sich thematisch trotz bestehender Unterschiede in den Rollenmustern immer weiter an (Machin/van Leeuwen 2007). Dennoch scheint gerade die Auslandsberichterstattung kulturelle und politische Stereotype vielfach zu reproduzieren. Die EU beispielsweise wird visuell gern als bürokratischer und krisenanfälliger Apparat dargestellt (Chaban et al. 2014). Afghanistan ist visuell ein fast ausschließlich kriegsgeschütteltes Land geblieben, in dem Frauen unterdrückt werden – ein global verbreitetes Image, das lokale Fotojournalisten gerne korrigieren würden (Mitra 2017). Obwohl fiktionale Medienräume hier auch in zensierten Mediensystemen freier agieren können als das Nachrichtenwesen, ist die Vorstellung von einer transnationalen Hybridität, „Glokalisierung“ und Konvergenz auch im visuellen Bereich zu hinterfragen und lokale Produktions- und Rezeptionskontexte bleiben bedeutsam (McMillin 2007, S.111ff.).

Transnationale Medien: Contra Flows ohne Kosmopolitismus

Weltnachrichtenagenturen verstärken immerhin die interdiskursive thematische Synchronisation, wie wir gesehen haben, wenngleich von einer inhaltlichen Konversion durch nationale Medien nur sehr bedingt die Rede sein kann. Aber welche Rolle spielen hier transnationale Leitmedien wie BBC World, CNN, Al-Jazeera English, CCTV oder Telesur? Untersuchungen zeigen, dass auch sie im Wesentlichen die „Spitze des Eisbergs“ der etablierten globalen Nachrichten abbilden und insofern nur begrenzt einen thematischen interdiskursiven Contra Flow etablieren (Atad 2016, S.10, Schenk 2009, S.131). Allerdings sind subtile Verschiebungen in Richtung einer konstruktiveren und weniger negativen Medienagenda dort zu erkennen, wo etwa der englischsprachige Kanal Al-Jazeera English Afrika nicht mehr nur als Kontinent von Armut und Konflikten, sondern durchaus auch als Sphäre ökonomischer Erfolge und vielfältiger Lebenswelten präsentiert (Seib 2012, Robertson 2015). Im Bereich des Framing ist sich jedoch die Literatur weitgehend einig, dass globale Sender in hohem Maße die national gefärbte Sicht ihrer jeweiligen Heimatstaaten reflektieren. Dies gilt auch für viel gelobte Medien wie BBC World, einen Sender, der trotz seines interdiskursiven („dialogischen“) Anspruchs eine britisch konnotierte Themensetzung, Machtrhetorik und ein tradiertes Vertrauen in westliche Institutionen nicht verleugnen kann (Dencik 2012, S.39f., 56ff., Baumann et al. 2011, Atad 2016).

Dennoch sind einige Aspekte der transnationalen Sender bemerkenswert. Die thematische Übereinstimmung in ihren Agenden scheint der Minimaldefinition der Weltöffentlichkeit als einer global geteilten Agenda zu entsprechen, auch wenn, wie gesagt, die typischen Vermachtungstendenzen dieser von Großmächten betriebenen Transnationalisierung bei Themen und Frames auffallen. Die nationalen Deutungen zirkulieren zudem in internationalen Kommunikationsflüssen und es entsteht zwar kein kosmopolitischer interner, aber ein global verfügbarer externer Pluralismus dort, wo diese Medien parallel genutzt werden (el-Nawawy/Iskandar 2003, S.54). Schließlich werden gerade bei den positiveren Themendeutungen erste Anpassungen von Massenmedien an transnationale Publika und Märkte erkennbar. Zwischen den nationalen Produktions- und den globalen Rezeptionskontexten entsteht insofern ein hybrides Spannungsfeld. Durch globale Medien bilden sich in nationalen Mediensystemen also transnationale Teilstrukturen aus. Die begrenzt global erweiterten Arenen sind vor allem für Informationseliten von Belang, die oft mehrere globale Medien rezipieren und daher eine leicht verbesserte thematische Koorientierung erleben. Eine integrierte Weltöffentlichkeit, in der Medien unabhängig vom Nationalstaat quasi als „Vereinte Medien“ nationale Diskurse global synchronisieren, ist dies sicher noch nicht, ebenso wenig wie klar ist, ob der externe Pluralismus der globalen Leitmedien, der, wie die Frontstellung von CNN und Al-Jazeera 2001 und 2003 erwiesen hat, sehr konflikthaft verlaufen kann, die internationalen Beziehungen stabilisiert oder nicht.

Fazit: Unvollendete Synchronisation globaler Mediendiskurse

In der Gesamtschau scheinen die strukturellen Prägungen der Massenmedien den globalen Diskurs der Medien in hohem Maße zu determinieren. Fragmentarisch und unzuverlässig vernetzt durch egozentrische Mediensysteme und einige zentral gesteuerte Nachrichtenflüsse und transnationale Medien ist die Synchronisation durch konvergente Diskurse thematisch und inhaltlich in Ansätzen erkennbar, besticht aber vor allem durch vielfältige Formen der lokalen Domestizierung. Weltnachrichtenagenturen und transnationale Meinungsführermedien setzen zentrale Themen ohne interdiskursive Qualitätsgarantie. Von einem integrierten globalen Mediensystem oder zumindest einer responsiven Weltöffentlichkeit, in der die nationalen Mediensysteme globale Themen und Frames zuverlässig auf der Basis einer dezidiert globalen Journalismusethik aus den lokalen Diskursen herausdestillieren, sind wir gerade unter Bedingungen internationaler Krisen noch weit entfernt. Es bleibt die Frage, wie dieses Verhältnis anschließend theoretisch zu bewerten ist und welche Alternativen sich auftun.

Grundlagen der globalen Kommunikation

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